Bochum-Wattenscheid. Den „Perso“ hatte Angela Feller aus Bochum vergessen. Trotzdem kam sie in (fast) alle Länder. Wie das ging und was das mit der Wahl zu tun hat.
„Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen“, hat schon der Dichter Matthias Claudius gewusst. Auf Angela Feller und ihren Mann Hermann Hülder aus Bochum-Wattenscheid trifft das voll zu. Die beiden reisen sehr viel und haben nach der Rückkehr immer ordentlich Geschichten im Gepäck. Mit dem VW-Bulli fahren sie immer wieder quer durch Europa und genießen es, auf ihren vielen Stationen Land und Leute kennenzulernen. Doch sie fürchten, dass diese Freiheit bald eingeschränkt sein könnte.
Bochumerin vergisst Ausweis – und sieht trotzdem halb Europa
Mit Blick auf den Ausgang der Europawahl werde ihnen „angst und bange“, sagen Angela Feller (67) und Hermann Hülder (71). „Wir machen uns schon Sorgen, dass die Stimmung kippt.“ Sie meinen damit den allseits befürchteten Rechtsruck innerhalb der Europäischen Union (EU). „Dabei gibt sie uns so viel. Allein unser Beispiel zeigt die vielen Vorteile.“
Dabei spricht das Ehepaar nicht von den wirtschaftlichen Aspekten. Ihm geht es allein um die Reisefreiheit. „Wir können überall hin, die Grenzen stehen uns offen.“ Die eigene Identität, wie immer wieder kritisiert, verliere ein Land dadurch nicht. „Wir erfreuen uns weiterhin der Eigenheiten unserer Nachbarn, das Anderssein hat unter der EU nicht gelitten. Wir sind alle anders und doch gleich.“ Aus Sicht zweier Reisender sei „es gut so, wie es ist“. Deshalb appelliert das Duo Feller/Hülder im Vorfeld der Europawahl am 9. Juni: „Geht wählen, welche Partei auch immer – Hauptsache für Europa.“
Was die EU möglich mache, will Angela Feller an einem Beispiel deutlich machen. „Als wir kürzlich auf dem Weg nach Bosnien waren, um einen Freund zu besuchen, hatte ich meinen Personalausweis vergessen. Nach Bosnien kamen wir nicht rein – EU-Außengrenze. Aber innerhalb der EU hatte ich keine Probleme. Da reichte meine Krankenkassen-Karte.“
Diese Texte haben viele Menschen interessiert
- Säureangriff in Bochum: „Hätt‘ jeder von uns sein können“
- Bombendrohung in Bochumer Sparkasse: Angeklagter verurteilt
- „Wir zahlen nicht!“: Streit um Zäune bei Bochum Total
- Bochum Total 2024: Was man vor dem Start wissen muss
Angela Feller und Hermann Hülder befürchten, dass je nach Ausgang der Europawahl diese Reisefreiheit beschnitten werden könnte. „Wir sind dann alle vielleicht nicht mehr so frei und offen.“ Sie fänden das sehr bedauerlich, schätzen sie auf ihren Reisen doch gerade den Kontakt mit den Einheimischen.
Deshalb steuern sie mit ihrem alten Bulli auch so gut wie nie Campingplätze an. „Wir stellen uns meist an Straßen oder auf Parkplätze, da kommen wir mit den Menschen automatisch ins Gespräch.“ Allein der Bulli in seinem knalligen Orange „öffnet sofort die Herzen“, hat Hermann Hülder beobachtet. Ein echter Eisbrecher sei aber auch die mit Landeskennzeichen beklebte Fensterscheibe hinten links. „Da gucken dann viele neugierig, wo wir überall gewesen sind. Und schon kommt man ins Reden.“
+++ Lesen Sie mehr Nachrichten aus Bochum! +++
Ob Moldawien, Albanien, Frankreich, Spanien, Irland oder Italien – die Sprache sei bei der Verständigung nie eine unüberwindbare Hürde. „Wir verstehen uns überall mit den Menschen.“ Die meisten verspürten einen großen Drang, einem die Heimat näherzubringen, berichten Angela Feller und Hermann Hülder. Und sie seien unheimlich gastfreundlich und hilfsbereit. „Im Kosovo haben wir lange Zeit vergeblich versucht, einen Kennzeichen-Aufkleber für unseren Bus zu bekommen. Da kam uns ein Mann zu Hilfe, hat mit uns gesucht und am Ende einfach von seinem Auto den Aufkleber abgeknibbelt.“
Geschichten wie diese haben Angela Feller und Hermann Hülder zuhauf im Repertoire. Und die nächsten werden sie in Frankreich und auf Fehmarn sammeln. Vorher geht es aber erstmal zur Europawahl.
327.000 Kilometer mit dem Bulli
Mit 92.000 Kilometern auf dem Tacho haben Angela Feller und Hermann Hülder ihren Bulli 1999 gekauft. Seither sind 327.000 hinzugekommen. Dabei reisen die beiden „nur“ in den sechs Wochen Jahresurlaub durch Europa. „Und an so vielen Wochenenden wie möglich.“
Ein paar weiße Flecken hat ihre persönliche Europa-Reisekarte noch: „Auf Malta und Zypern waren wir noch nicht. Da ist die Überfahrt so teuer. So verhält es sich auch mit Island. Und Russland und Weißrussland haben wir noch nicht bereist. Die werden uns auch nicht so schnell sehen, das versaut uns der Krieg.“