Bochum. Fast 90 Kinder unter 15 Jahren hat die Polizei in Bochum in den letzten Jahren betreut. Sie drohen, auf die schiefe Bahn zu geraten. Was hilft.

86 Kinder und Jugendliche hat die Polizei in Bochum bisher im Programm „Kurve kriegen“ betreut. Sie alle sind zwischen acht und 15 Jahren alt und keine Intensivtäter. Aber sie drohen auf die schiefe Bahn zu geraten. So wie Timo (11).

Das Kind lebt irgendwo in NRW, er ist bei der Polizei bekannt: zwei Gewaltdelikte, ein Ladendiebstahl, vier Vermisstenmeldungen. Die Liste ist lang für sein junges Alter. Timos Mutter ist 32 Jahre alt, lebt mit ihm und seinem 15 Jahre alten Bruder Louis in einer sozial schwachen Wohnsiedlung. Der Vater, selbst kriminell, ist nicht mehr bei der Familie. Immer wieder gab es vor seinem Auszug Einsätze wegen häuslicher Gewalt.

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Polizei hilft kriminellen Kindern in Bochum – bevor sie zu Intensivtätern werden

In der Schule kommt Timo nicht gut zurecht, fehlt oft. Das dritte Schuljahr muss er wiederholen. Ein Bezirksbeamter besucht seine Klasse, nachdem es dort vermehrt zu Diebstählen gekommen ist. Timo und zwei seiner Klassenkameraden stehen zwar im Verdacht, die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt verweigert die Mutter aber.

Die Geschichte des Elfjährigen ist beispielhaft für die Kinder, die Teil des Programms „Kurve kriegen“ werden. „Die Kinder drohen auf die schiefe Bahn zu geraten, sind aber keine Intensivtäter“, erklärt Jens Artschwager, Sprecher der Polizei in Bochum. Dort gibt es ein sogenanntes Screening, wodurch die Beamtinnen und Beamten auf Kinder wie Timo aufmerksam werden.

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Teilnahme an „Kurve kriegen“ ist freiwillig

Täter werden immer jünger, das zeigt die aktuelle Kriminalitätsstatistik der Polizei Bochum. Und: „Intensivtäter sind ein hoher Kostenfaktor für die Gesellschaft, ganz abgesehen von dem persönlichen Schicksal“, so Artschwager. Dass es so weit kommt, soll „Kurve kriegen“ verhindern.

Die Familien werden auf das Programm angesprochen, eine Teilnahme ist freiwillig. Zum Team gehören nicht nur Polizistinnen und Polizisten, sondern auch pädagogische Fachkräfte. Das gemeinsame Ziel: Probleme lösen, nicht nur mit dem Fokus auf die Kinder, sondern auf das gesamte Umfeld. Wie die Begleitung abläuft, ist individuell. Sie beginnt bei gemeinsamen Spaziergängen und geht bis hin zur Begleitung bei Amts- oder Gerichtsterminen.

Erfolgsquote: 80 Prozent

Rund 2000 Teilnehmende gab es in NRW bisher bei „Kurve kriegen“, 86 davon seit 2016 in den Städten Bochum, Witten und Herne, die zum Polizeirevier Bochum gehören. Initiator ist das Innenministerium des Landes NRW.

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Das Durchschnittsalter der Kinder beträgt etwa 13 Jahre. Rund die Hälfte der Kinder, die bisher Teil von „Kurve kriegen“ waren, haben einen Migrationshintergrund, nur etwa jedes siebte ist weiblich. Circa 80 Prozent der Kinder, die an „Kurve kriegen“ teilnehmen, tun das mit Erfolg.