Bochum. Mit dem Projekt „Kurve kriegen“ will die Kripo Bochum blutjunge Täter vor dem Abrutschen in die Kriminalität schützen. So sieht das Projekt aus.
Schlagen, treten, klauen, rauben, erpressen: 25 Kinder und Jugendliche aus dem Bochumer Polizeibezirk (mit Herne und Witten) nehmen zurzeit an dem polizeilichen Programm „Kurve kriegen“ teil. Sie alle sind gefährdet, in eine kriminelle Karriere abzurutschen und sogenannte „Intensivtäter“ zu werden – gewaltbereit, rücksichtslos, uneinsichtig, sozial unzugänglich.
In ganz NRW haben jetzt 1000 Teilnehmer diese präventive Initiative erfolgreich abgeschlossen, berichtet das Innenministerium. „Wir handeln frühzeitig und bringen junge Menschen, die auf Abwege geraten sind, wieder auf Kurs“, sagt Innenminister Herbert Reul (CDU). Das Motto lautet: „Frühe Hilfe statt späte Härte!“
Teilnehmer sind zwischen elf und 15 Jahre alt
Das Projekt „Kurve kriegen“ gibt es seit 2016 bei der Bochumer Polizei. Der jüngste Teilnehmer ist gerade einmal elf Jahre jung, der älteste 15 Jahre. Das Durchschnittsalter liegt bei rund zwölf Jahren. Fast alle Teilnehmer sind männlich. Sie kommen aus verschiedenen gesellschaftlichen Kreisen.
Auch interessant
Alle sind schon mehrfach polizeilich aufgefallen, ihre Lebensumstände sind ungünstig. Genau hier setzt die Initiative an, denn schon frühzeitig zeichnet sich ab, ob jemand vollends auf die schiefe Bahn geraten könnte. Sechs bis zehn Prozent aller tatverdächtigen Kinder und Jugendlichen sind für bis zu 50 Prozent der Straftaten in dieser Altersgruppe verantwortlich.
Fast alle Polizeibehörden in NRW machen mit
Das bundesweit einmalige Programm ist mittlerweile in 40 von 47 Kreispolizeibehörden in NRW etabliert. Im kommenden Jahr ist ein weiterer Ausbau beabsichtigt.
Aktuell werden landesweit etwa 650 Kinder und Jugendliche betreut. Die Initiative „Kurve kriegen“ hat laut Polizei sowohl in anderen Bundesländern als auch international großes Interesse geweckt. In Schweden plant man, das Programm ab März 2023 unter dem Namen „Back on track“ umzusetzen (Zurück auf den Weg).
Kernelement von „Kurve kriegen“ sind pädagogische Fachkräfte, die bei anerkannten Trägern der freien Kinder- und Jugendhilfe angestellt sind, und erfahrene Kriminalbeamte. Diese Teams bereiten den Kontakt zu den Tätern und ihren Familien akribisch vor. Die Teilnahme an dem Programm ist allerdings immer freiwillig.
Pädagogische Fachkräfte arbeiten in Teams mit der Kripo Bochum zusammen
Die Pädagogen sind hoch qualifiziert und erfahren im Umgang mit solchen jungen Straftätern. In die Polizeiarbeit sind sie eingebunden, sie haben auch ihren Arbeitsplatz im Präsidium. Sie sprechen regelmäßig mit den jungen Teilnehmern, unternehmen Freizeitaktivitäten und bieten diverse Kurse wie zum Beispiel Klettern und Graffiti an. „Die pädagogische Fachkraft ist tagesaktuell über die Teilnehmer informiert und kann flexibel auf Veränderungen, zum Beispiel neue Taten, reagieren“, sagt Polizeisprecher Frank Lemanis.
Auch interessant
Außerdem findet ein enger Austausch mit Verwandten, Jugendämtern und Schulen statt. Immer im Blick ist dabei, an den Ursachen für die Kriminalität anzusetzen.
Land NRW investiert viel in diese Jugendarbeit
Das Programm kostet pro Teilnehmer etwa 11.000 Euro im Jahr. „Wir investieren ordentlich in diese Initiative und das zahlt sich aus“, sagte Innenminister Reul. Die Folgekosten, wenn ein junger Mensch ganz in die Kriminalität abdriften würde, wären um ein Vielfaches höher.
Die Polizei führt eine ausführliche Statistik zur Erfolgsbilanz der Initiative: „40 Prozent aller Absolventen, also junge Menschen, die auf der Schwelle zum Intensivtäter standen, bevor sie in das Programm kamen und es erfolgreich durchlaufen haben, begehen keine Straftaten mehr“, sagt Lemanis. „Bei den restlichen 60 Prozent der Absolventen sind die Straftaten um 50 Prozent reduziert, im Bereich der Körperverletzungsdelikte sogar um 75 Prozent.“