Bochum. . Mit dem Projekt „Kurve kriegen“ will die Bochumer Polizei gefährdete Kinder vor einem Abstürzen in die Kriminalität bewahren.

  • Mit dem Projekt „Kurve kriegen“ will die Bochumer Polizei minderjährigen Straftätern helfen
  • Damit soll verhindert werden, dass sie zu Intensivtätern werden
  • Innenminister Ralf Jäger hat diese NRW-Initiative am Mittwoch in Bochum vorgestellt

In Bochum, Herne und Witten zählt die Polizei 53 „Intensivtäter“: Jugendliche und Heranwachsende, die eine kriminelle Karriere gestartet haben, keine Regeln akzeptieren, keinen Respekt haben. Damit diese Gruppe nicht größer wird, hat das Land NRW im Bochumer Polizeibezirk das Projekt „Kurve kriegen“ gestartet. Eine sozialpädagogische Betreuung soll die Jungs vor einem Absturz in die Jugendkriminalität bewahren.

Innenminister Ralf Jäger (SPD) rollte gestern im Polizeipräsidium eine meterlange Papierrolle aus. Sie zeigte das Vorstrafenregister eines einzigen Intensivtäters seit dem neuntem Lebensjahr: Rauben, Prügeln und Erpressen begleiteten sein Leben. „Das ist einer, der nicht die Kurve gekriegt hat“, sagte der oberste Dienstherr der Polizei. Im Durchschnitt habe ein Intensivtäter bis zum 20. Lebensjahr 100 Menschen zu seinen Opfern gemacht. Und außerdem volkswirtschaftliche Kosten in Höhe von 1,7 Millionen Euro verursacht – für Haft, Resozialisierungen und andere staatliche Maßnahmen.

Das Projekt „Kurve kriegen“ soll so eine schlimme Karriere gar nicht erst entstehen lassen. Zusammen mit Sozialarbeitern von der Bochumer Stiftung Overdyck und den Jugendämtern sucht die Polizei Kinder aus, die bereits durch diverse Straftaten aufgefallen sind und nun am Scheideweg stehen: entweder in der Kriminalität versinken oder eben „die Kurve kriegen.“ Seit Projektstart im Juli hat die Polizei bereits acht Kinder zwischen zehn und 13 Jahren gewinnen können. Weitere sollen folgen.

Innenminister Ralf Jäger präsentiert hier eine Vorstrafenliste eines jungen Intensivtäters. Neben ihm: Polizeipräsidentin Kerstin Wittmeier, Hauptkommissar Joachim Wiegold und Sozialarbeiter Peter Kranke (v.re.). Foto: Walter Fischer
Innenminister Ralf Jäger präsentiert hier eine Vorstrafenliste eines jungen Intensivtäters. Neben ihm: Polizeipräsidentin Kerstin Wittmeier, Hauptkommissar Joachim Wiegold und Sozialarbeiter Peter Kranke (v.re.). Foto: Walter Fischer © Fischer

„Es geht hierbei nicht um Kaugummi-Klauen“, sagt Hauptkommissar Joachim Wiegold, der das Projekt betreut. Die Delikte dieser Kinder seien schwerer. Er nennt als Beispiel einen 13-Jährigen, der bereits „eine ordentliche Latte von Straftaten“ aufweise. Er soll „aggressiv und aufbrausend“ sein.

Grundbereitschaft der Kinder zum Mitmachen ist wichtig

Die Polizei sucht die Familien dieser Kinder auf und versucht, sie für das Projekt anzuwerben. Die Beamten würden „großteils mit offenen Armen aufgenommen“, sagt Wiegold. Jedenfalls von den Eltern. Danach kommen die Sozialarbeiter ins Spiel. Es geht dabei nicht um Vorwürfe oder gar Strafen, sondern sie versuchen, das Vertrauen der Kinder zu gewinnen. Ist die Bereitschaft, sich helfen zu lassen, erst einmal vorhanden, bietet „Kurve kriegen“ ihnen eine individuelle Förderung an, zum Beispiel durch Sportkurse, Anti-Aggressions-Training, Lernhilfen und Sprachkurse. Eine allgemeine Lebenshilfe.

Scheitert das Projekt, kommen die Jugendlichen in ein anderes Programm der Polizei. Dort gibt es nur zwei Möglichkeiten: aufhören mit den Straftaten – oder Knast.

Das Projekt „Kurve kriegen“ gibt es bereits seit 2011 in anderen NRW-Polizeibehörden. Es wird auf 19 Bezirkeausgeweitet. Jahresetat: ca. 10 Millionen Euro. 40 Prozent der Teilnehmer, so Minister Jäger, haben nach dem Projekt keine Straftaten mehr begangen.

Kontakt bei der Polizei: Tel. 0234/909 4040. E-Mail-Adresse: kurvekriegen.bochum@polizei.nrw.de.