Bochum. Der neue XXL-Radweg hat für Anwohner der Essener Straße Konsequenzen. Was die gehbehinderten Rentner verzweifeln lässt, wie die Stadt reagiert.
Annette und Robert Lagner sehen keine andere Lösung. „Wir müssen unser Auto verkaufen – nach mehr als 50 Jahren“, sagen die Eheleute und blicken traurig aus dem Fenster: auf den Radweg vor ihrem Wohnhaus an der Essener Straße 129. Der, zürnen die Eheleute, habe ihnen den jahrzehntelangen Parkplatz geraubt. „Woanders finden wir keinen. Deshalb schaffen wir unser Auto jetzt ab.“
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„Und wo sollen wir nun parken?“, lautete die Überschrift, als die WAZ Mitte April erstmals über die Langners und ihre Nachbarn berichtete. Anlass: der neue, acht Kilometer lange Radweg zwischen der Erzstraße nahe der Bochumer City und der Berliner Straße in Wattenscheid. Der ist noch nicht komplett. Vor den Häusern an der Essener Straße 129 und 131 indes sind die weißen Markierungen auf der vormals rechten Fahrspur bereits aufgebracht.
Renter-Ehepaar: Parkplätze sind in der Umgebung nicht zu finden
Mehr als 40 Jahre habe er sein Auto vor dem Haus auf der Straße abgestellt, halb auf der Fahrbahn, halb auf dem Gehweg, sagt Robert Langner. Das war erlaubt. Doch damit ist es vorbei. Auf dem neuen Radweg gilt absolutes Halteverbot.
Parkplätze in der näheren Umgebung seien so gut wie nicht zu finden, schildert der 73-Jährige. Infrage komme nur die nahe Engelsburger Straße. Die jedoch sei mit den Fahrzeugen der Mitarbeiter des Bogestra-Betriebshofes ständig zugeparkt.
Stellplatz im eigenen Garten würde 30.000 Euro kosten
Zwei Optionen hatte das Rentner-Ehepaar ins Auge gefasst. Ein Teil ihres rückwärtigen Gartens könnte zu einer Pkw-Stellfläche umgebaut werden. „Das würde mehr als 30.000 Euro kosten, die wir alleine stemmen müssten. Das kommt in unserem Alter nicht mehr infrage“, sagt Annette Langner (72).
Wenig Hoffnung habe man auf eine Ausnahmegenehmigung für die beiden Häuser. Robert Langner: „Wenn wir unsere Autos so wie früher halbseitig auf dem Geweg abstellen dürfen, bliebe ausreichend Platz sowohl für Fußgänger als auch Radfahrer. Aber das wird die Stadt kaum erlauben.“
Stadt bietet Hilfe an: Aber Geld gibt es nicht
Stimmt, bestätigt Stadtsprecherin Tanja Wißing und bekräftigt, dass es im Umfeld zwar großen Parkdruck, aber sehr wohl Parkmöglichkeiten gebe. Zudem bestehe die baurechtliche Möglichkeit, Stellflächen auf eigenem Grund zu errichten. Dabei würden die Behörden ihre Hilfe anbieten. Eine finanzielle Unterstützung sei aber nicht vorgesehen.
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Für die Langners ist die Entscheidung gefallen: Das Auto kommt weg. „Bitter“ sei das, sagen die gehbehinderten Senioren im WAZ-Gespräch und befürchten, ein großes Stück Selbstständigkeit zu verlieren. Und das, obwohl der neue Radweg kaum genutzt werde. „Am Mai-Feiertag war etwas mehr los. Aber in der Regel sind hier kaum Radfahrer unterwegs. Das war schon immer so. Und das wird sich in den nächsten 20 Jahren auch nicht ändern“, glaubt Annette Langner.