Bochum. Werden die Sitze im Wattenscheider Stadion blau? Die Stadt hat so entschieden - vielen gefällt das nicht. Das Thema wird jetzt politisch wichtig.

Die neue Tribüne im Wattenscheider Lohrheidestadion wächst, auch die neu gestaltete Kurve nimmt Formen an. Das heißeste Diskussionsthema aber sind die Sitzschalen, die erst am Ende eingebaut werden - in den Farben blau und hellgrau. Es ist ein Thema, das längst nicht mehr nur Fußballfans beschäftigt.

Den Auftakt hatten Fans des Oberligisten SG Wattenscheid 09 mit einem Spruchband und einem Offenen Brief an die Stadtspitze gemacht - die Sitze hätten die Farben ihres Rivalen VfL Bochum, sie hätten in diesem Stadion keinen Platz. Politiker der Bezikrsvertretung Wattenscheid schlossen sich an. Der Protest hat nun auch politische Folgen.

Bochum: Lohrheidestadion soll noch einmal im Stadtrat angesprochen werden

Am 30. April tagt die Bezirksvertretung wieder. Dort wollen die Fraktionen ihren Bezirksbürgermeister Hans-Peter Herzog beauftragen, das Thema im Rat anzusprechen. „Wir werden darauf drängen, dass die Stadt die Entscheidung nochmal überdenkt“, sagt der Fraktionsvorsitzende der SPD in der Bezirksvertretung Wattenscheid, Wolfgang Rohmann.

Protest-Banner gegen die neuen geplanten blauen Sitze im Lohrheidestadion - hier an einer A40-Brücke in Wattenscheid.
Protest-Banner gegen die neuen geplanten blauen Sitze im Lohrheidestadion - hier an einer A40-Brücke in Wattenscheid. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Das allerdings wird nicht viel mehr sein als ein symbolischer Protestnot. Die Bezirksvertretung hat in dem Fall keine Entscheidungsgewalt. Damit politisch Bewegung ins Thema kommt, müsste es auf die Tagesordnung im Sportausschuss. Ob es dazu kommt? Die Wattenscheider Fanszene hat sich mit ihrem Offenen Brief jedenfalls auch auf höherer politische Ebene Gehör verschafft - das Thema soll nach WAZ-Informationen noch an mehreren Stellen besprochen werden.

Den Fans und vor allem den Politikern stößt auch auf, wie die Verantwortlichen ihre Entscheidung getroffen und verkündet haben. Beiläufig veröffentlichte die Stadt in einem Social-Media-Post vor vier Wochen ein Bild des Stadions mit blau-weißer Laufbahn und dazu passenden Sitzen. Das Farbkonzept sei „Blau-Grau“, hieß es dazu auf Nachfrage aus dem Rathaus - und die Entscheidung dafür endgültig. Bis dahin wurden öffentlich Grafiken mit neutral gefärbten Sitzen gezeigt, unter anderem auf einem Plakat am Stadion, in Sitzungen des Sportausschusses und auch bei einem Pressetermin im Stadion mit Oberbürgermeister Thomas Eiskirch.

Ärger ums Lohrheidestadion - so haben wir berichtet:

Wattenscheid: Stadt und Bezirkspolitiker widersprechen sich

Aus der Wattenscheider Politik ist nun von einem „Alleingang im Rathaus“, von „Gutsherrenart“ die Rede. Die Bezirksvertretung sei übergangen worden. Die Pressestelle der Stadt widerspricht dieser Darstellung auf WAZ-Anfrage: Die Politiker der Bezirksvertretung seien informiert worden, heißt es: „Es gab und gibt zahlreiche Kommunikationsformate bezüglich des Projektes mit der lokalen Politik, ebenso wie mit den beteiligten Sportvereinen.“ Bald solle die Bezirksvertretung auch die Baustelle besichtigen.

In der Tat war das Lohrheidestadion mehrfach Thema in verschiedenen Gremien. Aber: Nach Aussage vom Wattenscheider SPD-Fraktionchef Wolfgang Rohmann wurde über die Farbe der Sitze weder gesprochen, als es im August 2022 im nicht öffentlichen Teil der Sitzung ums Stadion ging, noch im August 2023, als Sport-Referatsleiter Achim Paas das Projekt in einer Ältestenratssitzung präsentierte. Mehrere Politiker sagten, ihnen sei versprochen worden, sie einzubinden - sie seien dann vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Die Pressestelle der Stadt dazu: „Eine solche Aussage ist von der Verwaltung nicht getroffen worden.“

Unterschätzt die Stadt Bochum die Wattenscheider Identität?

Aber warum kocht das Thema jetzt überhaupt erst hoch? Einige unterstellen der Stadtspitze bösen Willen, andere zumindest Naivität in Bezug auf die Gefühle der Wattenscheider. Vom „fehlenden Fingerspitzengefühl“ ist oft die Rede. Ein WAZ-Leser schreibt in einem Brief an die Redaktion: „Fraglich ist, ob die Verantwortlichen im Rathaus wirklich das Gefühl für die Wünsche und Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger von Wattenscheid haben. Ist es Gleichgültigkeit oder vielleicht sogar eine absichtliche Demütigung für einen weiteren Nadelstich seit der Eingemeindung 1974?“

Der Vorwurf, der immer wieder geäußert wird: Respektlosigkeit gegenüber der Wattenscheider Identität und den Fans des ehemaligen Bundesligisten. Bei Verantwortlichen der Stadt im Gegenzug herrscht Verwunderung über die Reaktionen. Dass die 55-Millionen-Euro-Investition dem Stadtteil, besonders aber auch der SG Wattenscheid, dem TV Wattenscheid 01 und RW Leithe gut tun sollen, bestreitet schließlich auch fast niemand.

Wattenscheider ärgern sich über Tiktok des Stadtmarketings

Auch in den Sozialen Medien ist die Lohrheide Thema. Auf der Video-Plattform Tiktok hat Bochum Marketing einen kurzen Clip veröffentlicht, der das Bild des Lohrheidestadions zeigt. Dazu der Schriftzug „Wenn ich höre, dass die Sitze im Wattenscheider Lohrheidestadion blau-weiß werden“, unterlegt mit einem Lachanfall des Schauspielers Matthias Schweighöfer. Die Aussage ist nicht eindeutig: Man kann es als ein Sich-Lustigmachen über die Debatte an sich verstehen - wenn man möchte aber auch als schadenfrohes Lachen über den Ärger der Wattenscheider. Veröffentlicht ausgerechnet von einem Tochter-Unternehmen der Stadt Bochum auf einem Kanal, der oft den VfL feiert.

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Christian Krumm, Pressesprecher der Stadtmarketing GmbH, erklärt, eine gewisse Überspitzung gehöre zum Medium dazu. Aber: Der Clip sei keinesfalls als Positionierung in der Debatte gemeint, schon gar nicht verächtlich gegenüber Menschen aus Wattenscheid, die sich für ihre Interessen einsetzen.

Die SG Wattenscheid wollte sich nicht weiter dazu äußern, Klubsprecher Björn Biberich wunderte sich aber, dass weiter „Öl ins Feuer gegossen“ werde: „Die Situation ist ja nicht gerade entspannt bei unseren Fans und Mitgliedern.“

SG Wattenscheid 09 drohen Konsequenzen wegen Banner

Die Verantwortlichen der SGW äußern sich überhaupt defensiv oder am liebsten gar nicht zu dem Thema - zumal der Verein sich auch nicht für politische Zwecke einspannen lassen will. Auch der abstiegsbedrohte Oberligist hängt aber mit drin.

Ende März hatte mindestens eine Person auf der Tribünenbaustelle ein Banner aufgehängt, um gegen die blauen Sitze zu protestieren. Die Pressestelle der Stadt äußert sich dazu: „Das Betreten der Baustelle stellt einen Verstoß gegen das zwischen der Stadt, der SG Wattenscheid 09 und der Bauunternehmung vereinbarte spieltagsbezogene Sicherheitskonzept dar und wird derzeit mit allen Beteiligten aufgearbeitet.“ Hier können auch dem Verein noch Konsequenzen drohen.

SG Wattenscheid: News und Hintergründe zum Traditionsclub aus der Lohrheide