Bochum. Nach einer äußerst schweren Messerattacke auf seine Ehefrau wurde ein Bochumer wegen Mordversuchs verurteilt. Doch das Urteil wurde gekippt.
Nur dank einer Not-OP hatte die heute 33-jährige Familienmutter überlebt. Mit elf Messerstichen, verteilt über fast den ganzen Körper, war sie in ihrer Wohnung in Bochum-Goldhamme niedergestochen worden. Täter soll ihr damaliger Ehemann (34) sein. Seit Mittwoch steht er wegen dieser ungeheuren Bluttat zum zweiten Mal vor dem Schwurgericht.
Das erste Urteil – zehn Jahre Haft wegen versuchten Mordes – hatte der Bundesgerichsthof komplett aufgehoben: Einige Erwägungen der Bochumer Richter seien „rechtsfehlerhaft“, Ausführungen stünden „teilweise zueinander im Widerspruch“, „wesentliche Feststellungen seien „unerörtert“ geblieben, einige Urteilsgründe würden „eine zusammenfassende Würdigung der festgestellten Tatumstände vermissen“ lassen. Deshalb müssen nun andere Bochumer Richter den Fall ganz von vorn aufrollen und ein neues Urteil finden.
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Laut Anklage soll der Angeklagte am späten Abend des 1. August 2022 ein 36 Zentimeter langes Fleischermesser aus der Küche der ehelichen Wohnung An der Maarbrücke geholt haben und damit auf seine Ehefrau losgegangen sein. Sie erlitt schwerste Verletzungen am Bauch, Unterleib, Gesicht, Rücken und an der Brust. Die gemeinsamen Kinder waren zwar in der Wohnung, die Tat selbst sahen sie aber nicht.
Zwei Bochumer Polizisten traten die Tür ein und retteten das Opfer
Dass die Frau überhaupt überlebte und nicht am Tatort verblutete, ist wohl zwei Polizeikräften zu verdanken. Sie hatten zeitgleich in derselben Straße einen Einsatz wegen einer Sachbeschädigung an einem geparkten Auto. Dabei hörten sie Schreie aus einer Wohnung in der Nähe. Die Beamten lokalisierten die Schreie und traten die Tür ein. In der Wohnung entdeckten sie die stark blutende Frau am Boden und ihren Mann. Das Messer soll sie ihm mit letzter Kraft aus der Hand gerissen haben.
Blitzschnell leiteten sie die Rettungskette ein, so dass das furchtbar zugerichtete Opfer im Bergmannsheil gerettet werden konnte.
Angeklagter ist an paranoider Schizophrenie erkrankt
Der Täter ist an einer paranoiden Schizophrenie erkrankt. Er soll sich damals wahnhaft eingebildet haben, dass seine Frau ihn umbringen wollte.
„Ich kann mich nicht erinnern, wie das passiert ist“, hatte der Angeklagte in seinem ersten Prozess Anfang 2023 gesagt. „Ich habe meine Frau geliebt. Aber die Sache mit dem Angriff… ich weiß nicht, wie das zustande gekommen ist.“ Er habe nach der Arbeit (zuletzt Hausmeister und Pizza-Fahrer) noch geduscht und sei dann ins Bett gegangen. Gegen 23 Uhr sei er aufgewacht und habe seine Frau gesehen. Danach wisse er nichts mehr. „Glauben Sie mir, ich weiß wirklich nicht, wie ich das machen konnte.“
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Zu Beginn des zweiten Prozesses schweigt er jetzt zu den Tatvorwürfen. Ob das auch für Angaben nur zu seiner Person gelte?, fragte der neue Vorsitzende des Schwurgerichts, Volker Talarowski. „Vorläufig ja“, antwortete Verteidiger Egbert Schenkel.
Zum Prozessauftakt sah der Angeklagte seine Ex-Frau im Gerichtssaal wieder. Sie wollte damals zwar nicht, dass ihr Mann bestraft, sondern nur behandelt wird. Die Scheidung hatte sie aber eingereicht. „Normalerweise“, sagte sie den Richtern, sei ihr Ex-Mann „ein sehr guter Mensch“ gewesen. In den Monaten vor der Tat habe er sich aber merkwürdig verhalten. Was sie erzählte, läuft auf eine Art Verfolgungswahn hinaus: Seine Arbeitskollegen wollten ihn umbringen, habe er sich eingebildet.
Ex-Ehefrau: „Ich wusste nicht, dass er krank ist“
Anklagevorwurf: versuchter Totschlag
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten einen versuchten Totschlag vor. Im ersten Prozess 2023 war er wegen versuchten Mordes verurteilt worden (Mordmerkmal der Heimtücke), aber diese rechtliche Wertung ist nach dem BGH-Beschluss hinfällig.
Seit der Tat ist der Mann wegen seiner Krankheit in einer geschlossenen Psychiatrie untergebracht. Wegen der Schizophrenie gilt er als Gefahr für die Allgemeinheit. Zur Tatzeit soll er vermindert schuldfähig gewesen sein.
Das Gericht hat sechs weitere Verhandlungstage bis 5. Juni terminiert.
Er sei auch extra zu einer Bekannten nach Frankfurt gefahren, um zu schauen, ob sie noch lebe, weil auch sie getötet werden könne. Einmal habe er aus heiterem Himmel gesagt: „Ich geh jetzt in die Türkei – für Gerechtigkeit Krieg machen, irgendwie sowas.“ Er habe aber gar kein Flugticket gehabt.
„Ich wusste nicht, dass er krank ist“, sagte die Frau. „Habe aber gemerkt: Da stimmt was nicht.“
Der Prozess wird fortgesetzt.