Bochum. An drei Standorten in Bochum hat Volkswagen Infotainment Software für den Weltkonzern entwickelt. Jetzt arbeiten alle Beschäftigte auf Mark 51/7.
Die Wände sind noch etwas kahl: kaum Bilder, noch kein Firmenschild draußen vor dem Haupteingang. Aber das Wesentliche ist geschafft. Die Volkswagen Infotainment GmbH ist mit dem Großteil ihrer 1070 Beschäftigten von sofort an komplett im neuen Hauptquartier auf Mark 51/7 in Bochum zu Hause. Der Umzug von drei zum Teil provisorischen Standorten (Grafik) in die neue Zentrale ist abgeschlossen.
Herzstück des Hauptquartiers der VW-Tochter ist das Entwicklungszentrum
Grete-Schickedanz-Straße 7 lautet die offizielle Adresse. Der H-förmige Bürotrakt mit dem Herzstück des Hauptquartiers, einem Entwicklungszentrum mit Testständen für 26 Fahrzeuge, und ein Parkhaus mit Platz für 425 Fahrzeuge stehen auf einem 20..000 Quadratmeter großen Areal direkt vor dem O-Werk, der früheren Opel-Verwaltung. Da, wo bis 2014 die Opelaner ihre Autos geparkt haben, ehe sie ins Werk gegangen sind und Zafiras gebaut haben, entwickeln ihre „Nachfolger“ heute Lösungen für das Vernetzen und den Datenaustausch in Fahrzeugen aller Marken des Volkswagen-Konzerns.
„Ich habe hier auch geparkt, als ich in den Semesterferien bei Opel gejobbt und Teile zusammengesteckt habe“, sagt Olaf Goebbels. Der Organisationsentwickler sitzt gemeinsam mit einigen Kolleginnen und Kollegen in der „Connecteria“ und erzählt von der neuen VW-Welt in Bochum.
„Connecteria“ nennt die Belegschaft ihr Cafe im eigenen Haus
„Connecteria“ ist die Wortschöpfung der Bochumer Volkswagen-Mannschaft, die über den Namen der im Erdgeschoss angesiedelten Cafeteria abgestimmt hat. Ein Prozedere, das Infotainment-Geschäftsführer Tobias Nadjib gerne vorschlägt. Sein Credo ist: „Das Wichtigste bei uns sind die Mitarbeiter.“ Und die sollen bei Vielem mitreden; auch und gerade wenn es darum geht, den neuen Arbeitsplatz in alle seinen Facetten einzurichten.
Gut zehn Wochen hat der Umzug gedauert. Und das im Laufenden Betrieb. Denn: Lange Unterbrechungen kann sich die VW-Tochter nicht erlauben. Etwa 3000 Umzugkartons sind von den bisherigen Standorten auf dem Campus der Ruhr-Uni, dem BP/Aral-Trakt an der Wittener Straße und der früheren Zentrale von Unitymedia an der Rensingstraße nach Laer gebracht worden. Der Umschlagplatz für die etwa 250 Lkw-Ladungen mit besagten Möbeln, Rechnern, technischen Geräten und und und: die Fahrzeughalle. Von dort aus wird alles bis in den letzten Winkel des viergeschossigen Gebäudes verteilt.
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Geplant hat alles Andreas Heine – vom Anfang, den ersten Überlegungen für ein neues Hauptquartier, bis zum Ende, dem Umzug. Für diesen hat der Gebäudemanager drei Monate veranschlagt. Damit liegen er und seine Kollegen bestens in der Zeit. Der Wirtschaftsingenieur hat zwar bereits einige große Um- und Einzüge organisiert, darunter den Erstbezug des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund, bei dem er als Technischer Leiter gearbeitet hat. „Aber das hier war auch für mich bislang die größte Herausforderung“, sagt er. Viele große und noch viel mehr kleine Fragen mussten bedacht und geklärt werden.
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Natürlich auch die Frage, wer wo im neuen Haus sitzt und arbeitet. Die Antwort: Niemand, oder so gut wie niemand, hat einen festen Arbeitsplatz. Je nachdem wer in welchem Projekt arbeitet und welche Anforderungen der Tag bringt, Kommunikation und Austausch oder Arbeiten im stillen Kämmerlein, entscheiden darüber, wo jemand seinen Platz findet, wenn er ins Hauptquartier eincheckt. Erst wird die Zugangsberechtigung überprüft, dann der Arbeitsplatz vergeben. Jeden Tag.
Fast 80 Millionen Euro hat das neue Gebäude gekostet
1000 Arbeitsplätze bietet das neue Gebäude, das der Immobilienentwickler Ten Brinke für knapp 80 Millionen gebaut und langfristig an Volkswagen vermietet hat. Noch mehr Raum könnte geschaffen werden, sollte das Hauptquartier noch ausgebaut werden. Platz für einen weiteren Büroriegel gibt es auf dem Gelände. Vorerst reichen die Kapazitäten aber. Denn: Auch bei der VW-Tochter hat seit Corona die Heimarbeit einen großen Stellenwert, zwischenzeitlich hat weit mehr als die Hälfte der Belegschaft von zu Hause gearbeitet.
Jetzt ändert sich das allmählich. Weit mehr als 50 Prozent sind dauerhaft im Büro. „Jede Woche, die ich hierhinkomme, stehe ich eine Etage höher in unserem Parkhaus“, erzählt Olaf Goebbels.
Zeitkapsel ist im Foyer des Bürogebäudes in den Boden eingelassen
Wer ins Büro kommt – oder ins Labor oder in eine der Werkstätten, der passiert beim Betreten des Gebäudes nach wenigen Schritten einen großen Bildschirm an der Wand und ein mit dickem Glas bedecktes Loch im Boden. Zu sehen ist darin eine große Metallkiste. „Das ist eine Zeitkapsel“, erkärt Koen van Hoost. Jede Abteilung hat bei der Grundsteinlegung etwas beigetragen: Pläne des Gebäudes, ein altes Handy, ein Cocktailrezept. Schlaglichter der noch kurzen, aber durchaus ereignisreichen Geschichte von Volkswagen Infotainment.
Firmengeschichte reicht bis Nokia zurück
Und die reicht bis 1988 zurück. Damals hat Nokia den früheren Hersteller von Fernsehgeräten, Grätz, in Bochum-Riemke übernommen und dort eine Handy-Fabrik errichtet. 2008 gingen in Riemke die Lichter aus. Auf Nokia folgte Blackberry, der kanadische Konzern hat zunächst an der Ruhr-Uni in Querenburg mit Teilen der Nokia-Belegschaft sein europäisches Entwicklungszentrum errichtet. Schließlich folgte Volkswagen Infotainment, das 2014 nach dem Aus von Blackberry in Bochum mit 200 früheren Beschäftigten der Kanadier gegründet wurde.
„Ein bisschen vom Spirt von damals steckt heute noch in unserem Unternehmen“, sagt Carsten Crell, der IT-Leiter bei Volkswagen Infotainemnt und seit Nokia-Zeiten dabei. Etwa 100 frühere „Nokianer“ und etwa 200 frühere Beschäfitgte von Blackberry, schätzt er, arbeiten heute für die VW-Tochter.
Teamfähigkeit wird ganz groß geschrieben
Und auch die sucht und entwickelt ihren eigenen Geist. „Teamfähigkeit“, heißt es bei der Gesprächsrunde in der „Connecteria“, werde ganz groß geschrieben. Anders seien die anspruchsvollen Entwicklungsaufgaben, die sie hier bewältigen, auch nicht zu meistern. Wer mag, der könne viel Zeit des Tages an der Grete-Schickedanz-Straße verbringen: beim Entwickeln, beim Testen, beim Sport oder an der Gitarre. Zum Haus gehört ein Proberaum für die drei Bands mit den insgesamt 45 Hobbymusikern des Unternehmens. Musik gehört hier zum guten Ton. Und wer weiß, vielleicht gibt es den einen oder anderen Ton auch bei der offiziellen Eröffnung des neuen Entwicklungszentrums im Sommer zu hören.
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