Bochum. Anke Reinacher-Schick wird Präsidentin des Deutschen Krebskongresses. Ihre Arbeit in der Bochumer Klinik ist hoch emotional. Spannende Einblicke.

Sterben und Tod sind ihre täglichen Begleiter. Und doch sagt Prof. Anke Reinacher-Schick: „Ich habe ein schönes Leben.“ Das erreicht beruflich einen neuen Höhepunkt. Die Chefärztin im Bochumer St.-Josef-Hospital wird Präsidentin des Deutschen Krebskongresses 2026. Ein Ritterschlag in der Medizin.

Er ist eine der schlimmsten Geißeln der Menschheit: Krebs ist nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen die häufigste Todesursache. 2021 starben daran in Bochum 1163 Patientinnen und Patienten. Männer am häufigsten an Lungenkrebs, Frauen an Brustkrebs (Quelle: Gesundheitsbericht der Stadt Bochum 2023).

Bochumer Krebsärztin: „Es muss immer Licht am Ende des Tunnels erkennbar sein“

„In den Jahren 2030 bis 2040 wird Krebs aufgrund der demografischen Entwicklung die Todesursache Nummer 1 sein“, warnt Anke Reinacher-Schick. Als Direktorin der Onkologie und Hämatologie im Katholischen Klinikum Bochum mit jährlich 4000 stationären und 12.000 ambulanten Patienten hat sie die Folgen der lebensbedrohlichen Erkrankung ständig vor Augen.

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Eine ihrer herausfordendsten Aufgaben: eine Krebs-Diagnose zu überbringen. Dabei reagierten die Erkrankten selbst häufig gefasster als ihr Umfeld, beobachtet Anke Reinacher-Schick. Zwei Dinge hält sie für besonders wichtig: keine falschen Hoffnungen zu wecken – aber stets eine Perspektive zu geben. „Es muss immer Licht am Ende des Tunnels erkennbar sein.“

40 Prozent aller Krebserkrankungen können verhindert werden

Damit kann auch die klinikeigene Palliativstation gemeint sein. Dort soll ein menschenwürdiges, schmerzfreies Sterben und Abschiednehmen möglich gemacht werden, wenn jede ärztliche Kunst allen medizinischen Fortschritten zum Trotz am Ende ist. Viele Angehörige erfülle diese – nicht immer einmütige – Entscheidung mit später Dankbarkeit, berichtet Anke Reinacher-Schick. „Sie sagen uns: Es war gut so. Unser Liebster, unsere Liebste konnte in Ruhe gehen.“

Dazu muss es nicht kommen. „40 Prozent aller Krebserkrankungen können verhindert werden“, weiß die Fachärztin, die aus Karlsruhe stammt, in den USA und in Israel gearbeitet hat, fast 20 Jahre im Knappschaftskrankenhaus Langendreer war und seit 2013 im St.-Josef-Hospital tätig ist. Sie schwört auf ihr „hervorragendes Team“ mit 20 Ärzten auf der 75-Betten-Station in der Onkologie. Was hier im Alltag erlebt, geleistet, gelernt und durchlitten wird, will sie als künftige Kongresspräsidentin in die bundesweite, auch gesundheitspolitische Diskussion einbringen.

Eng arbeitet Anke Reinacher-Schick im St.-Josef-Hospital mit dem Direktor der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Prof. Waldemar Uhl (Mitte, mit dem Patienten Christian Mrohs), zusammen.
Eng arbeitet Anke Reinacher-Schick im St.-Josef-Hospital mit dem Direktor der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Prof. Waldemar Uhl (Mitte, mit dem Patienten Christian Mrohs), zusammen. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Deutscher Krebskongress gilt als wichtigstes wissenschaftliches Forum

Dafür wird Anke Reinacher-Schick die beste Plattform nutzen können. Der Deutsche Krebskongress, der alle zwei Jahre in Berlin stattfindet, ist mit 12.500 Teilnehmern das wichtigste wissenschaftliche Forum der deutschen Krebsmedizin. Beim Kongress 2024 im Februar wurde Anke Reinacher-Schick zur Präsidentin für das Jahr 2026 gekürt. Das empfinde sie als „große Ehre“, sagt die Bochumerin und hat sich sogleich Ziele gesetzt.

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Ihr erster Blick gilt den Patientinnen und Patienten. Deren Mitbestimmung müsse gestärkt werden. „Was will der Patient, der sein bester Experte ist? Was hält er für die beste Therapie? Das muss in den Mittelpunkt gestellt werden“, fordert Anke Reinacher-Schick. Ebenso bedeutsam: „Spitzenmedizin darf nicht nur einzelnen Ballungszentren zugute kommen, sondern muss in die Breite gebracht und für alle Betroffenen nutzbar gemacht werden“ – auch und gerade für Menschen mit Migrationshintergrund. Ebenso auf der Agenda: der Abbau von Bürokratie im Klinik-Alltag. Heißt: Ausbau der Digitalisierung. „Das Fax muss weg!“

Altersgrenzen bei Vorsorgeuntersuchungen überdenken

Tempo mahnt Reinacher-Schick auch beim Thema Vorsorge an. Es müsse gelingen, die noch immer zu geringe Quote bei den Vorsorgeuntersuchungen zu erhöhen und damit die Sterblichkeit zu senken. „Krebs ist bei rechtzeitiger Behandlung kein Todesurteil. Das muss in die Köpfe rein. Noch ist dieses Thema extrem angstbesetzt.“

Zu überdenken seien dabei auch die Altersgrenzen. Beispiel: Darmkrebsvorsorge. In Deutschland wird sie ab dem 50. Lebensjahr von den Kassen bezahlt, obwohl die Patienten immer jünger werden. „In den USA ist sie ab 45 kostenlos. Das wäre auch hierzulande ein Modell.“ Die Stadt Bochum bekräftigt im jüngsten Gesundheitsbericht: „Die Steigerung der Wahrnehmung von Früherkennungsuntersuchungen ist ein wichtiges Ziel kommunalen Handelns.“

Klinik-Chef: Abteilung hat sich hervorragenden Ruf erworben

Prof. Christoph Hanefeld, Geschäftsführer des Katholischen Klinikums, freut sich über die Entscheidung zur Kongresspräsidentschaft 2026: „Die von Prof. Reinacher-Schick geleitete Onkologie ist mit ihrer interdisziplinären Ausrichtung ein starker Stützpfeiler unseres Unternehmens.“ Die Abteilung habe sich weit über Bochum und das Ruhrgebiet hinaus einen hervorragenden Ruf erworben, so Hanefeld.

2016 wurde im St.-Josef-Hospital die Palliativstation eröffnet, hier (v.r.) mit Prof. Christoph Hanefeld, Prof. Anke Reinacher-Schick und Marina Majnaric.
2016 wurde im St.-Josef-Hospital die Palliativstation eröffnet, hier (v.r.) mit Prof. Christoph Hanefeld, Prof. Anke Reinacher-Schick und Marina Majnaric. © Ingo Otto / Funke Foto Services | Ingo Otto

Dafür ist harte Arbeit erforderlich. Weniger als zwölf Stunden dauere kaum ein Arbeitstag, berichtet die 56-Jährige Chefärztin. Immerhin: Die Wochenenden hält sie sich frei. Die gehören ihrem Ehemann Christian (58), mit dem sie 2022 die Silberne Hochzeit feierte, ihren beiden Söhnen (20 und 15 Jahre) und Hund Sammy.

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Chefärztin sammelt Kraft bei ihrer Familie in Stiepel

Ihr Mann und die Familie daheim in Stiepel geben ihr die Kraft und den Rückhalt, um ihren auch emotional hoch anstrengenden Job in der Klinik zu bewältigen, sagt Anke Reinacher-Schick, schwärmt zudem von ihren Aktivurlauben, vom Skifahren, von Spaziergängen, von einem glücklichen Zuhause. Sie lächelt. Beinahe befreit. So aufreibend und doch so schön kann das Leben einer der führenden Krebsmedizinerinnen Deutschland sein.