Bochum. Seit Jahren warnt die Polizei vor Enkeltrick und Co. – trotzdem fallen Menschen darauf herein. Wie sich die Zahlen in Bochum entwickelt haben.

Das Muster ist immer dasselbe, die Details variieren: Mal schluchzt zunächst so unverständlich wie verzweifelt jemand, um dann das Telefon an den vermeintlichen Staatsanwalt weiterzureichen. Mal leuchtet auf dem Display die „110“ auf und es meldet sich direkt eine angebliche Polizeibeamtin. Seit Jahren warnen Polizeibehörden landauf, landab ebenso wie Landes- und Bundeskriminalamt vor sogenannten Schockanrufen. Trotzdem fallen immer wieder Menschen darauf hinein.

Wer sich bei der Polizei Bochum erkundigt, hört, dass auch im Jahr 2024 kaum ein Tag ohne Meldung über solche Fälle vergehe. „Der sogenannte Schockanruf ist eine der häufigsten Betrugsmaschen“, sagt Polizeisprecher Frank Lemanis. „Dabei erzählen Betrügerinnen oder Betrüger ihren Opfern unterschiedlichste Geschichten, die alle eines gemeinsam haben: Sie machen Angst und setzen die Betroffenen emotional unter Druck.“

Die Geschichten haben eines gemeinsam: Sie machen Angst und setzen die Betroffenen emotional unter Druck.
Frank Lemanis, Sprecher der Polizei Bochum

Schockanrufe: Betrüger täuschen Notsituation vor und bauen Druck auf

Die Anrufenden täuschen eine Notsituation vor. Sie geben sich zum Beispiel als angebliche Verwandte aus, die einen schweren oder tödlichen Unfall verursacht haben und nur durch eine Kaution davor bewahrt werden können, ins Gefängnis zu kommen. Eine andere Variante: Der oder die vermeintliche Angehörige braucht nach einem Unfall dringend Geld für eine Operation.

„Auflegen ist nicht unhöflich“, sagt die Polizei: Wer auch nur den leisesten Zweifel bei einem Anruf habe, solle das Gespräch lieber beenden und sich selbst an die Polizei wenden.
„Auflegen ist nicht unhöflich“, sagt die Polizei: Wer auch nur den leisesten Zweifel bei einem Anruf habe, solle das Gespräch lieber beenden und sich selbst an die Polizei wenden. © dpa | Karl-Josef Hildenbrand

Ziel sei immer das Vermögen des Angerufenen, erklärt Lemanis. Also: Geld oder Dinge, die zu Geld gemacht werden können, etwa Schmuck. Beim Telefonat erklären die Täter oder Täterinnen den Angerufenen, wann und wo die Übergabe der Wertsachen erfolgen solle. Oftmals versuchen sie dabei, ihr Opfer so lange wie möglich am Telefon zu halten. In einem Info-Flyer erklärt das LKA den Hintergrund: „Sie sollen in der bewusst erzeugten Schockstarre bleiben und keine Möglichkeit haben, mit jemandem über ihre Lage zu sprechen.“

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Schockanrufe in Bochum: Massiver Anstieg während der Pandemie

Die Zahl der Fälle hat in den vergangenen Jahren zugenommen, Frank Lemanis gewährt einen Einblick in die Statistik für Bochum. Enkeltrick und Schockanrufe lassen sich hier nicht trennen, aber die Zahlen geben einen Eindruck von der Entwicklung: 120 Strafverfahren wurden im Jahr 2019 gezählt – 2020 mit 234 fast doppelt so viele. 2022 waren es 282 Strafverfahren.

JahrFälle
2019120
2020234
2021269
2022282

„Der erhebliche Anstieg im Jahr 2020 kann mit der Pandemie erklärt werden“, sagt Lemanis. Die Menschen seien in dieser Zeit unter anderem mehr zu Hause und dadurch leichter zu erreichen gewesen. „Für das Jahr 2023 lässt sich ein Rückgang der Fallzahlen erkennen“, so der Polizeisprecher. Genaue Zahlen könne er aber noch nicht nennen.

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Polizei Bochum vermutet hohe Dunkelziffer bei Schockanrufen

Das tatsächliche Ausmaß der Betrugsversuche bildet die Statistik über die eingeleiteten Strafverfahren allerdings ohnehin nicht ab: „Die Dunkelziffer dürfte hoch sein“, erklärt Bochums Polizeisprecher Lemanis, „weil das Gros der angerufenen Menschen nach kurzer Zeit auflegt – und das ist auch gut so.“ In der Folge erstatteten nicht alle Menschen Anzeige, zum Beispiel deshalb, weil sie den Aufwand scheuen.

„Achtung: Hier spricht NICHT die Polizei“: Mit solchen Plakaten warnte die Polizei in der Vergangenheit bereits vor betrügerischen Anrufen. Wichtig zu wissen: Die Polizei selbst rufe niemals von der Notrufnummer 110 jemanden an.
„Achtung: Hier spricht NICHT die Polizei“: Mit solchen Plakaten warnte die Polizei in der Vergangenheit bereits vor betrügerischen Anrufen. Wichtig zu wissen: Die Polizei selbst rufe niemals von der Notrufnummer 110 jemanden an. © dpa | Martin Gerten

Der Polizei bleibt so in erster Linie eines im Kampf gegen die Trickbetrüger: Prävention, also Aufklärung – zum Beispiel über diese Tatsachen:

  • Die Polizei ruft niemals vom Notruf „110“ aus an.
  • Die Polizei nimmt kein Bargeld oder Wertsachen für mich in Verwahrung.

Darüber hinaus werden die Ermittler nicht müde, ihre Verhaltenstipps zu wiederholen:

  • Am Telefon nicht über Vermögensangelegenheiten, persönliche oder finanzielle Verhältnisse sprechen.
  • Niemals Geld oder Wertsachen an Unbekannte übergeben.
  • Beim leisesten Zweifel das Gespräch beenden. „Das ist nicht unhöflich“, heißt es im Infoblatt des LKA. „Es gibt Ihnen die Möglichkeit, durchzuatmen und sich zu sortieren.“
  • Nach dem Auflegen: Versuchen, den vorgeblichen Angehörigen selbst zu erreichen und/oder über 110 die Polizei informieren.
Auflegen ist nicht unhöflich. Es gibt Ihnen die Möglichkeit, durchzuatmen und sich zu sortieren.
Rat des Landeskriminalamtes (LKA) NRW in einem Info-Flyer

„Hallo Mama, ...“: Betrug auch via Whatsapp

Nicht nur mit Telefonanrufen versuchen Betrüger, ihre Opfer zu überrumpeln, sondern auch vermehrt über Messenger- und Kurznachrichtendienste. Damit erreichten sie nicht nur die „klassische Zielgruppe der älteren Menschen“, so die Polizei Bochum in ihrer Kriminalstatistik für 2022, „sondern auch lebensjüngere Geschädigte“.

Die Kurznachrichten begännen meist mit „Hallo Mama“ und/oder „Hallo Papa“ – so solle suggeriert werden, dass Sohn oder Tochter schreibe. Der Absender gibt dann vor, das eigene Handy sei verloren oder defekt, deshalb die Nachricht von einer neuen Nummer. „Sobald die angeschriebene Person reagiert, wird nun durch Vorgabe verschiedener Legenden vorgespielt, dass man Geld benötige oder aber eine Überweisung getätigt werden müsse“, beschreibt die Polizei weiter.

Der Übergang zu weiteren Betrugsphänomenen sei fließend: So gibt es auch Fälle, in denen die vermeintliche Hausbank sich via SMS oder E-Mail melde und um Eingabe der Kundendaten bitte, beispielsweise um angeblich eine Online-Banking-App in Betrieb zu nehmen. Mitunter würden auch Passwortdaten oder PIN abgefragt. Hierzu stellt die Polizei klar: „Kreditinstitute fordern grundsätzlich keine vertraulichen Daten per E-Mail, Telefon, SMS oder Post von Ihnen an. Wenn Sie sich unsicher sind, halten Sie in jedem Fall Rücksprache mit Ihrer Bank.“

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