Bochum. Am Rande der Bochumer Innenstadt gibt es eine neue Wohngruppe für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Wie sieht es dort aus? Erste Einblicke.
Yousef kann zur Ruhe kommen. Zum ersten Mal nach einem halben Jahr auf der Flucht. In gebrochenem Englisch skizziert der 16-Jährige seinen Weg. „Syria“, sagt er, Syrien sei seine Heimat, seine Familie noch dort. Von da sei er über die Türkei und Griechenland, Serbien, die Schweiz und Österreich nach Deutschland gekommen.
Jetzt sitzt er barfuß und in Jogginghose in Bochum in einem kleinen, kargen Zimmer: zwei Etagenbetten aus Metall, ein kleiner Tisch, ein Stuhl, dazu gehört ein kleines Bad mit Dusche und WC. Seine Mitbewohner sind gerade anderswo. Auf dem Tisch liegen ein paar Eierschalen; als der Besuch an der Tür klopft, fährt der Junge mit der Hand über die Platte, will aufräumen. Er sei froh, hier zu sein, sagt er.
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„Die Brücke“ in Bochum: 60 Wohnplätze für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
Wie für alle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die in NRW ankommen, ist Bochum erste Station für Yousef. Acht Tage ist er inzwischen hier, vorübergehend in Obhut genommen. Er wartet darauf, zu erfahren, wohin es für ihn weitergeht. „I don‘t have anyone here“, sagt er, er habe keine Verwandten oder Bekannten in Deutschland.
Für die Zeit, bis über seine Zuweisung entschieden ist, lebt Yousef an der Widumestraße. Dort, in einem ehemaligen Altenheim, ist er einer der ersten Bewohner der Wohngruppe „Die Brücke“. Die Evangelische Kinder-, Jugend- und Familienhilfe Overdyck hat die neue „Fachstelle für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ Anfang Januar eröffnet. Aktuell sind um die 30 Jugendliche zwischen 13 und 17 Jahren dort untergebracht; Platz wäre für bis zu 60.
Team an der Widumestraße will „erstes sicheres Ankommen“ gewährleisten
„Wir wollen Asyl und Obhut geben“, sagt Overdyck-Geschäftsführer Stefan Wutzke, „vor allem einen sicheren Ort.“ Warm, satt, sauber – nach Flucht und Traumata gehe es um die Grundbedürfnisse, erklärt auch Bereichsleiter Marcel Czarnik. „Ich kann nur erahnen, wie es den Jugendlichen geht“, sagt er. Jeder einzelne habe sicherlich „sein individuelles Päckchen zu tragen“.
Das Team an der Widumestraße versuche, „erst mal einfach da zu sein“, ein „erstes sicheres Ankommen für die jungen Leute zu gewährleisten“ und erste Perspektiven zu bieten. Dass sie ohne Angst schlafen können, in einem Bett, einen Rückzugsort haben oder auch regelmäßige Mahlzeiten: Für die meisten hier war das in den Monaten zuvor alles andere als selbstverständlich.
Die Arbeit hier unterscheide sich von der klassischen Arbeit in der Jugendhilfe, erzählt Czarnik. Richtige „Beziehungsarbeit“ sei gar nicht möglich, es gehe um die „ersten nötigen Baustellen“. In einem Aufenthaltsraum im Erdgeschoss können die Jugendlichen zusammensitzen, dort gibt es auch W-Lan. „Wir wollen W-Lan auf den Zimmern aber auch schnellstmöglich realisieren“, versichert Wutzke. Was die betagten früheren Bewohner des Hauses nicht brauchten, sichert für die jungen Flüchtlinge die oftmals einzige Verbindung in die Heimat, zur Familie.
Aktuell, zum Jahresanfang 2024 seien die Neuaufnahmen etwas rückläufig, berichtet der Overdyck-Geschäftsführer. Gut für den Start der „Brücke“, die so nicht direkt unter voller Auslastung arbeiten muss. Das ehemalige Seniorenheim wurde renoviert, in den Fluren riecht es nach Putzmitteln. „Wir versuchen hiermit einen dauerhaften Beitrag zur Versorgung dieser Zielgruppe zu leisten“, sagt der Overdyck-Geschäftsführer. „Das ist kein Pop-Up-Store.“ Er gehe davon aus, dass diese Anzahl von Plätzen auch weiter gebraucht werde.
Noch einmal zurück zu Yousef: Ob er in Deutschland bleiben wolle, fragt Stefan Wutzke. Der Junge lächelt, nickt. „Yes“, sagt er. Was er werden wolle? „Doctor“, Arzt. In Bochum ist er angekommen, sein Weg in Deutschland beginnt hier erst.
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