Bochum. . Es begann 1819 mit einem „Rettungshaus“ in Hamme: Die Bochumer Stiftung Overdyck blickt auf 200 Jahre Hilfe für Kinder und Jugendliche zurück.
Das „Rettungshaus Overdyck“ stand dort, wo heute der Verkehr an der A40-Abfahrt Hamme braust. Wie viele Seelen in Not „gerettet“ wurden, ist nicht bekannt. Gewiss ist: Es war das Stammhaus der Stiftung Overdyck, die heute mit einem Festakt im Musikforum das 200-jährige Bestehen feiert.
Adel verpflichtet – mitunter auch zur Nächstenliebe: Adalbert von der Recke, Spross eines bis ins 13. Jahrhundert zurückreichenden Adelsgeschlechts, gründete das Kinderheim 1819 an der heutigen Gahlenschen Straße. Waisen fanden hier ebenso Obdach wie vagabundierende Jugendliche, berichtet der Historiker Hans H. Hanke in seiner aufwendigen Jubiläumschronik, in der die Geschichte von Overdyck (so lautete der Name des Adelssitzes) erstmals erzählt wird.
270 Mitarbeiter an 26 Standorten
Das „Rettungshaus“ der von der Reckes galt bis Anfang des 20. Jahrhunderts als das einzige seiner Art in Westfalen. Kurz zuvor hatte die Evangelische Innere Mission das Heim übernommen. Gebet, Zucht und Ordnung bestimmten den Alltag. Und landwirtschaftliche Arbeit, die neben der Schule zu verrichten war, um „auf den rechten Weg zu kommen“, wie es hieß.
Eine von den Nazis erzwungene „Kinderlandverschickung“, der Wiederaufbau nach dem Krieg, die pädagogische Neuausrichtung ab den 60er Jahren weg von einer Verwahranstalt hin zu individueller, kindgerechter Förderung: Hans H. Hanke hat die Entwicklung des „Rettungshauses“ hin zu einer modernen Jugendhilfeeinrichtung lückenlos dokumentiert. Die „Evangelische Stiftung Overdyck – Kinder-, Jugend- und Familienpflege“, wie sie heute heißt, ist eine der ältesten diakonischen Stiftungen Westfalens. Ein Kinderheim wie einst gibt es längst nicht mehr. Stattdessen 26 Standorte mit 260 Plätzen, in denen Kinder, Jugendliche und Familien in Gruppen und eigenen Wohnungen betreut werden. 270 Mitarbeiter sind dafür im Einsatz. Eine ihrer bedrückendsten Aufgaben: die oft kurzfristige Inobhutnahme von jährlich rund 80 Kindern aus Problemfamilien.
Nachfahre regt einen Jugendaustausch an
Der Bochumer Ulrich Brüggenthies (73) hält Kontakt zu einem Nachfahren der Overdyck-Gründer. Mehrfach im Jahr besucht er Dr. Graf von der Recke in dessen Schloss-Hotel im Salzburger Land in Österreich.
Von der Recke regt einen Jugendaustausch mit Bochum an und hat Kontakt zu OB Thomas Eiskirch aufgenommen.
Festakt im Musikforum
Am heutigen Donnerstag wird ausnahmsweise gefeiert. Mit einem Festakt im Anneliese Brost Musikforum Ruhr wird das 200-jährige Bestehen von Overdyck gewürdigt. Dazu wird u.a. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) erwartet.
Fröhlich wird das Jubiläumsjahr fortgesetzt, kündigt Einrichtungsleiterin Petra Hiller an. Am 1. Juni steigt ein Jugendfest mit 500 Teilnehmern in der Blue-Beach-Halle am Kemnader See, zu dem auch alle Ehemaligen eingeladen sind. Es folgen ein Kabarettabend am 3. September im Bahnhof Langendreer sowie ein Kinderfest am 31. Oktober im Stadtteilzentrum e57.