Bochum. Joschka Fischer im Schauspielhaus: Das löste Proteste von Friedensaktivisten aus. Eine Fotomontage war umstritten: der Ex-Vizekanzler in Uniform.

Joschka Fischer in Militäruniform, flankiert von zwei Raketen mit einer explodierenden Atombombe im Hintergrund: Diese Fotomontage wurde den Besuchern in die Hand gedrückt, die am Sonntagvormittag das Schauspielhaus ansteuerten. Das „Friedensplenum“ protestierte gegen den ausverkauften Auftritt des ehemaligen Vizekanzlers in Bochum.

„Ein Gast. Eine Stunde“: So heißt die 2018 gestartete Veranstaltungsreihe von Norbert Lammert (CDU) in den Kammerspielen. 60 Minuten tauscht sich der Ex-Bundestagspräsident mit Persönlichkeiten aus Kultur, Wirtschaft und Politik aus.

Joschka Fischer in Bochum: „Bellizisten-Talk“ wird angeprangert

Das „Friedensplenum“ hatte erstmals im Februar 2023 gegen die Lammert-Reihe demonstriert: damals gegen die Theologin Annette Kurschus, die sich als Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland für Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen hatte.

„Schauspielhaus Bochum kriegstüchtig?“, fragten Plenums-Sprecher Ralf Feldmann und seine Mitstreiter am Sonntag, prangerten einen „Bellizisten-Talk“ an und verlangten: „Keine Bühne für Joseph Fischers atomare Machtpolitik!“

Schauspielhaus hatte Protestaktion zuvor genehmigt

Der grüne Ex-Außenminister strebe „eine neue Eskalation der atomaren Hochrüstung“ an, indem er die Europäische Union als selbstständige Atommacht mit „deutschem Griff zur Bombe“ kriegstüchtig machen wolle. „Dabei heißt Kriegstüchtigkeit: zum Sterben bereit sein. Wir sind es nicht!“, proklamierten die rund 20 Aktivisten, die vor dem Theatereingang Flugblätter und die Fotomontagen verteilten. Auf der Rückseite: eine „Rote Karte gegen alle Atomwaffen“.

Das Schauspielhaus hatte die Aktion im Vorfeld ausdrücklich gestattet. Forderungen, Fischer auszuladen, wurden ebenso entschieden zurückgewiesen. Der 75-Jährige habe in seinen jüngsten Interviews sehr wohl eine „argumentative Zerrissenheit“ in Fragen der Aufrüstung erkennen lassen, so ein Sprecher. Seine vielschichtige Biografie rechtfertige die Einladung zudem. Man freue sich auf einen „anregenden Dialog“.

Mit Flugblättern und Transparenten zog das Bochumer „Friedensplenum“ vor dem Schauspielhaus auf. Das Theater hatte die Aktion zuvor erlaubt.
Mit Flugblättern und Transparenten zog das Bochumer „Friedensplenum“ vor dem Schauspielhaus auf. Das Theater hatte die Aktion zuvor erlaubt. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Demonstration stößt auf zwiespältige Reaktionen

Die Besucher reagierten zwiespältig. „Ich finde richtig, was Fischer sagt. Europa muss sich mehr denn je selbst verteidigen können, insbesondere, um sich für eine mögliche Konfrontation mit Russland zu wappnen, notfalls auch mit atomarer Abschreckung. Die Fotomontage ist abstoßend!“, meinte Christel Peters (63). „Fischer verrät alle grünen pazifistischen Ideale. Gut, dass ihm das hier vor Augen gehalten wird“, entgegnete Werner Hitzfeld (70), der eigens aus Unna angereist war, um „dem Joschka die Meinung zu geigen“.

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Zu einer direkten Begegnung zwischen Fischer und den Demonstranten kam es vor dem Lammert-Gespräch nicht. „Darauf hatten manche gehofft. Ich habe das aber nicht erwartet. Der kommt und geht durch den Hintereingang“, sagte Martin Budich vom „Friedensplenum“ vor einem Transparent mit einem Zitat des UN-Generalsekretärs António Guterres: „Wir müssen die Atomwaffen vernichten, bevor sie uns vernichten.“

Während des Talks blieb alles friedlich, schildern Teilnehmer. Die „Fischer-Fans“ seien deutlich in der Mehrheit gewesen. Einig seien sich alle gewesen: Es sei richtig und wichtig, dass das Schauspielhaus auch kritische Stimmen zulasse.