Bochum. Bochum im Winter: Zwei Männer gehen trotzdem regelmäßig in der Ruhr baden. Wie sie dazu kamen und warum sie sich „wie neugeboren“ fühlen.

Wladislaw Gorbenko und Konstantin Komarovski nehmen Anlauf. Beinahe synchron vollführen sie einen Rückwärtssalto, dann tauchen sie Seit an Seit in die Ruhr ein. Sie haben das schon unzählige Male gemacht:

Eisbaden

30 Sekunden können schon viel sein: Beim Eisbaden ist es ein Muss, auf die Signale des eigenen Körpers zu hören.
30 Sekunden können schon viel sein: Beim Eisbaden ist es ein Muss, auf die Signale des eigenen Körpers zu hören. © Annette Riedl/dpa/dpa-tmn
Vor dem Baden kommt das Duschen: Wer sich regelmäßig kalt abbraust, gewöhnt den Körper an niedrige Temperaturen.
Vor dem Baden kommt das Duschen: Wer sich regelmäßig kalt abbraust, gewöhnt den Körper an niedrige Temperaturen. © Annette Riedl/dpa/dpa-tmn
Motivationsschub: Beim Eisbaden oder Winterschwimmen ist die Gruppendynamik nicht zu unterschätzen.
Motivationsschub: Beim Eisbaden oder Winterschwimmen ist die Gruppendynamik nicht zu unterschätzen. © Christoph Soeder/dpa/dpa-tmn
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, im Winter, bei null Grad.

Wenn Leute an ihnen vorbei laufen, gibt es nicht selten Applaus für so viel Mut und Furchtlosigkeit. Schließlich frieren viele Bochumer dieser Tage schon außerhalb des Wassers, an ein Bad in der ein Grad kalten Ruhr ist für die meisten nicht zu denken.

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Wladislaw Gorbenko (blaue Hose) und Konstantin Komarovski springen bei einem Grad Wassertemperatur in die Ruhr.
Wladislaw Gorbenko (blaue Hose) und Konstantin Komarovski springen bei einem Grad Wassertemperatur in die Ruhr. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Eisbaden als Mittel gegen Stress: „Heute geht es mir gut“, sagt der Bochumer

Für Gorbenko und Komarovski ist das Eisbaden inzwischen Alltag. Gorbenko ist vor 15 Jahren erstmals bei winterlichen Temperaturen baden gegangen. Damals war er gestresst, sein Blutdruck erhöht. Der Russlanddeutsche hatte in Russland und Kasachstan schon häufiger Menschen beim Eisbaden beobachtet und dachte, er probiert es einfach mal aus.

Und siehe da: „Heute geht es mir gut“, so der 45-Jährige. Der Blutdruck sei gesunken, mit Stress könne er heute besser umgehen und das Wasser bringe ihm Wärme von innen. Außerdem sei er nach dem eiskalten Bad gut gelaunt – und stets gesund.

Wladislaw Gorbenko (hinten) und Konstantin Komarovski in der Ruhr. „Danach wird man richtig euphorisch.“
Wladislaw Gorbenko (hinten) und Konstantin Komarovski in der Ruhr. „Danach wird man richtig euphorisch.“ © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Eisbader aus Bochum feiert „Dreijähriges“

Irgendwann wurde Komarovski dann neugierig. Regelmäßig ist er an Gorbenko vorbeigelaufen, wenn dieser badete. Eines Tages packte ihn die Neugier. Er wollte das Eisbaden ausprobieren, testen, ob er mithalten kann. Gorbenko riet ihm damals: „Kopf aus und rein.“

Aus einem Mal wurden zwei, drei, vier Mal und vor wenigen Tagen feierte Komarovski sein „Dreijähriges“. „Man muss ganz langsam anfangen“, erklärt er. Das hat ihm damals auch sein Freund und erfahrener Eisbader Gorbenko geraten. „Am Anfang sollte man nur kurz mit dem Kopf untertauchen, nur eine Sekunde lang“, sagt Gorbenko. „Dann schnell raus und abtrocknen.“

Bochumer Freunde beschreiben Euphorie nach dem Eisbaden

Nach nur zwei Wochen konnte Komarovski eine Minute drin bleiben, mittlerweile schwimmen die beiden etwa zehn Minuten im kalten Wasser. „Danach wird man richtig euphorisch“, schwärmt Komarovski.

Die gute Laune sei einer der vielen Vorteile. Er fühle sich nach dem Eisbaden beinahe, als sei er betrunken – dabei hat er seit seinem ersten Eisbad keinen Tropfen Alkohol mehr getrunken. Der größte Profit sei aber, dass er seit drei Jahren nicht krank war.

Danach wird man richtig euphorisch.
Konstantin Komarovski, Bochumer

Kritik am Hype rund ums Eisbaden

Neben Gorbenko und Komarovski gibt es viele Menschen, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten das Eisbaden für sich entdeckt haben. Inspiriert von nordischen Ländern oder dem berühmten Extremsportler Wim Hof, der das Eisbaden mit speziellen Atemtechniken verbindet, wagen sie sich ins kühle Nass.

Die beiden Bochumer sehen den Hype um das Eisbaden kritisch. „Im Internet wird Eisbaden häufig zum Wettbewerb“, sagt Komarovski. Dann würden Menschen versuchen, besonders lange im kalten Wasser auszuharren. „Das finde ich blöd. Man testet sich selbst auf Kosten der Gesundheit aus“, so der 50-Jährige.

Nach dem eisigen Bad gibt‘s zur Belohnung einen Kaffee

Komarovski und Gorbenko sind mittlerweile ein eingespieltes Team. Sie treffen sich – je nach Arbeitszeiten – morgens, mittags oder abends und wärmen sich mit Liegestützen, Seilspringen sowie Boxen auf. Um den Puls in die Höhe zu bringen, meint Komarovski. Dann springen sie hinein.

Wladislaw Gorbenko (links)  und Konstantin Komarovski wärmen sich vor dem Eisbaden auf.
Wladislaw Gorbenko (links) und Konstantin Komarovski wärmen sich vor dem Eisbaden auf. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Etwa 200 Meter schwimmen sie mit der Strömung, dann verlassen sie das Wasser und joggen die Strecke zu ihren Klamotten zurück. „Dann ziehen wir uns direkt warm an, spazieren zu Komarovski nach Hause und trinken noch einen Kaffee zusammen“, erzählt Gorbenko. Wie er sich fühle, nach so einer Einheit Eisbaden? „Wie neu geboren“, grinst der 45-Jährige.

Schwimmen in der Ruhr ist verboten

Die Saison an der Ruhr in Dahlhausen ist seit Mitte September 2023 beendet. Bis zur nächsten Badesaison im Sommer 2024 ist das Baden in der Ruhr laut der Stadt Bochum verboten.

Während der Saison dürfen Bochumer an der gekennzeichneten Badestelle schwimmen. Aufgrund der Strömungen und der Wasserqualität kann das Baden abseits der Badestelle und außerhalb der Saison jedoch gefährlich werden.