Essen/Bochum/Mülheim/Gelsenkirchen. Nahverkehrsbetriebe gibt es im Ruhrgebiet viele. Bogestra und Ruhrbahn könnten zusammenrücken. Doch so einfach ist das im Pott natürlich nicht.
Wenn man im Ruhrgebiet nach Beispielen für Kirchturm-Denken von Stadtverwaltungen und Kommunalpolitik sucht, fällt meist als erstes Beispiel der Öffentliche Nahverkehr als Stichwort. In Essen und Mülheim verkehrt die Ruhrbahn, in Bochum und Gelsenkirchen die Bogestra, in Duisburg beispielsweise die DVG, in Oberhausen die Stoag und so weiter und so fort.
Dabei ist die Kritik an dem ÖPNV-Flickenteppich im Ruhrgebiet so umfangreich wie das Anbieterportfolio. Zumindest Bogestra und Ruhrbahn wollen sich annähern. Der Prozess dazu läuft seit gut einem Jahr und hätte bald zur Folge haben können, dass die Betriebe unter einer gemeinsamen Doppelspitze geführt werden. Hinter den Kulissen wurde darüber jedenfalls nachgedacht. Mancher sprach bereits von einem Coup, der weitere Perspektiven eröffnen könnte.
Sollte, könnte, würde - alles im Konjunktiv. Denn inzwischen scheint der ganz große Wurf hin zu einer engen Verzahnung oder gar gemeinsamen Dachgesellschaft für Bogestra und Ruhrbahn wieder in weite Ferne gerückt.
Zur Erinnerung: Bei seinem Amtsantritt hatte Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) die Vision entworfen von einem einzigen Nahverkehrsbetrieb für das gesamte Revier. Doch abgesehen von der Kooperation der alten Evag und der Mülheimer Verkehrsbetriebe ist nicht viel passiert.
Vor einem Jahr versuchten es vier Stadtoberhäupter deshalb eine Nummer kleiner. Unter dem Schlagwort „Auftakt Ruhr“ übten Thomas Kufen (Essen), Marc Buchholz (Mülheim), Thomas Eiskirch (Bochum) und Karin Welge (Gelsenkirchen) demonstrativ den Schulterschluss und kündigten an, dass Ruhrbahn und Bogestra ihre Zusammenarbeit intensivieren werden. Kundenfreundlicher und effizienter soll der Nahverkehr werden, was sicher ganz im Sinne der vielen Fahrgäste wäre.
Bei der Ruhrbahn in Essen ist ein Vorstandsposten seit Juni 2021 vakant
Seit dem öffentlich zelebrierten Auftakt ist es aber ruhig geworden, die jeweiligen Fachgremien der Lokalpolitik in den Städten wurden bislang nicht weiter in wie auch immer geartete Pläne eingeweiht, heißt es zumindest aus Gelsenkirchen.
Dabei gab es konkrete Gedankenspiele darüber, dass Ruhrbahnvorstand Michael Feller in Personalunion auch Chef der Bogestra werden könnte. Im Gegenzug würde Jörg Filter, bei der Bogestra als Vorstand zuständig für Personal, Betrieb und Infrastruktur, neben Feller Vorstand bei der Ruhrbahn. Gemeinsam sollten sie besagte Doppelspitze bilden.
Die Gelegenheit erschien günstig. Wie zu hören ist, verabschiedet sich bei der Bogestra Andreas Kerber, zweiter Mann neben Jörg Filter, schon bald vorzeitig in den Ruhestand. Bei der Ruhrbahn ist der Platz in der Vorstandsetage neben Michael Feller seit dem Abgang von Uwe Bonan im Juni 2021 vakant.
Von einer Fusion von Bogestra und Ruhrbahn sei keine Rede, heißt es aus Essen
Ob es so kommt, steht jedoch in den Sternen. „Eine Fusion ist nicht geplant“, betont Ulrich Beul, Aufsichtsratsvorsitzender der Ruhrbahn, womit der CDU-Ratsherr offenbar jenen Sorgen nehmen will, denen das alles viel zu schnell geht. Eine Vollfusion steht schon aus steuerlichen Gründen nicht auf der Tagesordnung; allein getrennte Nahverkehrsgesellschaften erlauben es den Städten wie gehabt, Verluste durch Einnahmen an anderer Stelle auszugleichen, auch die Ruhrbahn hat entsprechende Klauseln.
Bedenken gibt es zumindest in Gelsenkirchen durchaus auch noch aus einem anderen Grund: Jörg Filter gilt in Teilen der Gelsenkirchener Kommunalpolitik als jemand, der der Stadt Bochum sehr viel zugewandter sei, womit Gelsenkirchen kaum noch Einfluss im Vorstand einer Ruhrbahn-Bogestra-Kooperation haben würde, heißt es hinter vorgehaltener Hand aus der Emscherstadt. Ehe es an die Planung und Zusammenlegung von Vorstandsposten gehe, solle man doch die Vorteile einer engen Kooperation hervorheben, die offensichtlich seien.
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Dass Ruhrbahn und Bogestra bei Marketing, Kommunikation und Verkehrsmanagement gemeinsame Sache machen möchten, ist bereits durchgesickert. Doch inzwischen ziehen am Horizont wieder dunkle Wolke auf, die die Ursprungs-Idee von einer großen Nahverkehrsgesellschaft überschatten. Allein die unklare Finanzierung des Deutschland-Tickets und mögliche Folgen für die einzelnen Kommunen schrecke dem Vernehmen nach die Beteiligten zum jetzigen Zeitpunkt vor einer Verschmelzung ab.
Stattdessen habe man sich nun darauf verständigt, dass Bogestra und Ruhrbahn vorerst nur enger miteinander in den kommenden zwei Jahren kooperieren sollen, ohne dass es eine personelle und gesellschaftsrechtliche Verschränkung geben soll. Ein Kooperationsvertrag, der die Details dazu klären soll, sei in Arbeit.
Die OBs von Essen, Mülheim, Bochum und Gelsenkirchen haben Erwartungen geweckt
Auf Begeisterung in den jeweiligen Belegschaften war die Idee einer Dachgesellschaft bisher ohnehin nicht gestoßen. Bedenken kommen, wie zu hören ist, auch aus Mülheim. Seit dem verkorksten Start des neuen Nahverkehrsplans in Mülheim ist die dortige Politik umso skeptischer, was ihren weiteren Einflussverlust in einer noch größeren Gesellschaft zusammen mit der Bogestra angeht. Zwar sehen die Kritiker mögliche Synergien etwa bei Bestellungen von Bahnen oder anderen Sachmitteln oder beim Einsparen von Doppelstrukturen. Doch problematisch sei gerade, dass man genau mit der Leistung der geplanten Abteilungen bei der Ruhrbahn zum Fahrplanwechsel mehr als unzufrieden war. Sie hätten Mülheim nicht genug im Blick gehabt, heißt es, eine weitere Gesellschaft – so die Befürchtung – würde die Distanz zu den Problemen in der Stadt womöglich noch erhöhen.
Der ÖPNV, er wird wohl auch in nächster Zukunft im Ruhrgebiet noch ein Beispiel für Kirchturm-Denken bleiben.