Essen/Bochum/Mülheim/Gelsenkirchen. Fahren vier Städte bald unter einer gemeinsamen Doppelspitze in den Nahverkehrs-Vorständen? Kunden sollen profitieren. Doch es gibt Widerstände.
Fahren Ruhrbahn und Bogestra bald unter einer gemeinsamen Doppelspitze? Hinter den Kulissen wird darüber nachgedacht. Sollte es so kommen, wäre es ein großer Schritt auf dem Weg hin zu einer Kooperation zwischen den beiden großen Nahverkehrsunternehmen im Herzen des Ruhrgebiets, die insgesamt immerhin vier Städte umfassen. Mancher spricht von einem Coup, der weitere Perspektiven eröffnet. Doch es gibt Widerstände.
Zur Erinnerung: Bei seinem Amtsantritt hatte Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) die Vision entworfen von einem einzigen Nahverkehrsbetrieb für das gesamte Revier. Doch abgesehen von der Kooperation der alten Evag und der Mülheimer Verkehrsbetriebe ist nicht viel passiert.
Vor einem Jahr versuchten es vier Stadtoberhäupter deshalb eine Nummer kleiner. Unter dem Schlagwort „Auftakt Ruhr“ übten Thomas Kufen (Essen), Marc Buchholz (Mülheim), Thomas Eiskirch (Bochum) und Karin Welge (Gelsenkirchen) demonstrativ den Schulterschluss und kündigten an, dass Ruhrbahn und Bogestra ihre Zusammenarbeit intensivieren werden. Kundenfreundlicher und effizienter soll der Nahverkehr werden, was sicher ganz im Sinne der vielen Tausend Fahrgäste wäre, die täglich mit Bus und Bahn fahren.
Bei der Ruhrbahn in Essen ist ein Vorstandsposten seit Juni 2021 vakant
Seit dem öffentlich zelebrierten Auftakt ist es ruhig geworden. Doch gibt es konkrete Gedankenspiele darüber, dass Ruhrbahn-Vorstand Michael Feller in Personalunion auch Chef der Bogestra werden könnte. Im Gegenzug würde Jörg Filter, bei der Bogestra als Vorstand zuständig für Personal, Betrieb und Infrastruktur, neben Feller Vorstand bei der Ruhrbahn. Gemeinsam würden sie besagte Doppelspitze bilden.
Die Gelegenheit erscheint günstig. Wie zu hören ist, verabschiedet sich bei der Bogestra Andreas Kerber, zweiter Mann neben Jörg Filter, schon bald vorzeitig in den Ruhestand. Bei der Ruhrbahn ist der Platz in der Vorstandsetage neben Michael Feller seit dem Abgang von Uwe Bonan im Juni 2021 vakant.
Von einer Fusion von Bogestra und Ruhrbahn sei keine Rede, heißt es aus Essen
Ob es so kommt, steht jedoch in den Sternen. „Eine Fusion ist nicht geplant“, betont Ulrich Beul, Aufsichtsratsvorsitzender der Ruhrbahn, womit der CDU-Ratsherr offenbar jenen Sorgen nehmen will, denen das alles viel zu schnell geht. Eine Vollfusion steht schon aus steuerlichen Gründen nicht auf der Tagesordnung; allein getrennte Nahverkehrsgesellschaften erlauben es den Städten wie gehabt, Verluste durch Einnahmen an anderer Stelle auszugleichen, auch die Ruhrbahn hat entsprechende Klauseln.
Die Rede ist vielmehr von einer Dachgesellschaft. Dass Ruhrbahn und Bogestra bei Marketing, Kommunikation und Verkehrsmanagement gemeinsame Sache machen möchten, ist bereits durchgesickert. Doch das könnte nur ein Anfang sein. Der Fachkräftemangel hat auch die Verkehrsbetriebe erreicht. Beim Vertrieb stellt sich spätestens seit der Einführung des Deutschlandtickets die Frage, warum sich jedes Nahverkehrsunternehmen eine eigene Vertriebsabteilung leisten muss. Eine Frage, die sich nicht nur Bogestra und Ruhrbahn stellen dürften.
Die OBs von Essen, Mülheim, Bochum und Gelsenkirchen haben Erwartungen geweckt
Ahmet Avsar, Betriebsratsvorsitzende der Ruhrbahn, äußert sich zurückhaltend zu den Plänen, die hinter den Kulissen an höherer Stelle geschmiedet werden. Alle Risiken seien abzuwägen, betont Avsar und denkt dabei an die Belegschaft und deren Arbeitsplätze. Und auch das dürfte eine Rolle spielen: Bei der Ruhrbahn geht es auch um den Posten eines Arbeitsdirektors. Auch der ist vakant, seit Uwe Bonan seinen Platz im Vorstand räumen musste.
Bedenken kommen, wie zu hören ist, aber auch aus Mülheim und Gelsenkirchen, den „Juniorpartnern“ von Ruhrbahn und Bogestra. Deren Gewicht und Einfluss könnte in einer gemeinsamen Gesellschaft mit Essen und Bochum sinken, so offenbar die Sorge. Aus der Mülheimer Politik wurden bereits kritische Stimmen laut.
„Vor uns liegt ein steiniger Weg“, sagt Ruhrbahn-Aufsichtsratschef Ulrich Beul. Doch mit dem „Auftakt Ruhr“ haben die vier Stadtoberhäupter in der Öffentlichkeit Erwartungen geweckt, nicht wenige werden nun auch Ergebnisse erwarten.
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