London. . Hollywood hat den Notting Hill Travel Bookshop berühmt gemacht. Jetzt steckt der legendäre Buchladen in London tief in den roten Zahlen und hat geschlossen. Leinwandstars und mysteriöse Kaufinteressenten wollen dem Händler unter die Arme greifen. Happy End nicht ausgeschlossen.
Der Letzte hat das Licht ausgeknipst und die Tür verschlossen - „bis auf Weiteres“ zumindest, wie der Zettel im Schaufenster mit einem Hauch Hoffnung diejenigen tröstet, die vor dem verlassenen Laden stehen.
Zwei japanische Touristen seufzen laut und lichten sich schnell noch vor der niedlichen Fassade ab, dann machen es ihnen zwei Franzosen nach. Der Travel Bookshop in einer kleinen Querstraße zur Portobello Road ist weltberühmt, seitdem er der US-Romanze „Notting Hill“ als Kulisse diente. Hier, im charmant-altmodischen Ambiente von Landkarten und Reiseliteratur, sprang der Funke über zwischen einem leicht konfusen Buchhändler und einer schönen Filmdiva, gespielt von Hugh Grant und Julia Roberts.
Heute liegt der Ort dieser knisternden Begegnung, der „Europe Room“ im Halbdunkel. Nur die langweiligsten Ladenhüter wie „Der Aufstieg des britischen Kaffeehauses“ oder „Beste Feinde: Anglo-französische Beziehungen seit der Normannischen Eroberung“ gähnen Passanten noch aus den Holzregalen entgegen. Das Schlusskapitel im Leben dieser Institution ist ein düsteres: Letztes Jahr hat der Fachladen 21 350 Euro Verlust gemacht, die Schulden sollen sich insgesamt auf über 48 000 Euro belaufen. Zum Räumungsverkauf, als die Geschäftsaufgabe nach über 30 Jahren schon beschlossene Sache war, ist der Laden noch einmal super gelaufen – so super, dass Besitzer Simon Gaul noch früher als geplant schließen konnte.
Stars als Verkäufer
Seit Mai hatte er sich um Käufer für die Immobilie mit Ikonenstatus bemüht – offenbar erfolglos. Seine Kinder hatten kein Interesse an der Papierherberge, und die vielen Touristen machten zwar eifrig Fotos, aber erstanden viel zu selten einen Reiseführer aus der gut sortierten London-Abteilung. Im Frühsommer erfuhren die Mitarbeiter, dass sie ihre Jobs verlieren würden.
Über zwei mysteriöse „Kaufinteressenten“ berichtet nun allerdings die britische Zeitung „Evening Standard“. Selbst Richard Curtis, Drehbuchautor der Notting-Hill-Romanze, hat seiner Lieblingskulisse Unterstützung zugesagt. „Trotz Räumungsverkaufs ist das Leben des Buchladens noch nicht beendet“, betont auch Schriftsteller Simon Barraclough, „wir werden für die Wiedereröffnung kämpfen. Der Geist des Travel Bookshops soll fortdauern – möglichst im alten Laden, möglichst in der gleichen Straße.“ Mehrere Berühmtheiten, darunter auch Dichterin Olivia Cole, haben versprochen, als unbezahlte Verkäufer auszuhelfen.
Einfach nachgebaut
So sehr der Laden in ausländischen Urlaubsbibeln als Attraktion gepriesen wurde, so unbekannt war er bislang bei Londonern, die hier leben – den potenziellen Kunden. Schuld an der Wissenslücke ist der Umstand, dass die Macher der Hollywood-Romanze „Notting Hill“ sich zwar durch den echten Laden in der Straße Blenheim Crescent inspirieren ließen, ihn dann aber als Kulisse detailgetreu an anderer Stelle, nämlich auf der Portobello Road, nachbauten. Dort hat ihn der gewogene Flaneur natürlich vergeblich gesucht. Und die Touristen, bereits mit Reiseführern bewaffnet, kamen nur fürs kostenlose Foto. Weil Simon Gaul weder ein Café im Laden betrieben noch Fan-Artikel verkauft hat, hat er auch am Ruhm dieses Ortes nicht verdient.