Bochum. Schauspielerin Sandra Hüller ist für einen Oscar nominiert. Am Schauspielhaus Bochum gilt sie als Teamplayerin ohne Star-Allüren. Ein Porträt.

Sandra Hüller hat ihre künstlerische Heimat in Bochum

Was für eine Ehre: Schauspielerin Sandra Hüller ist für einen Oscar nominiert. Daneben wurde sie vom US-Verband National Society of Film Critics (NSFC), dem etwa 60 Filmkritiker angehören, zur besten Schauspielerin gewählt. Es läuft richtig gut für sie in Hollywood! Ganz nebenbei hat Sandra Hüller seit fünf Jahren am Schauspielhaus Bochum ihre künstlerische Heimat gefunden.

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Sandra Hüller sammelt Preise ohne Ende und spielt weiter in Bochum

„Sandra … wer?“: Als die 45-jährige Thüringerin Ende 2018 zum ersten Mal auf einer Bochumer Bühne stand, war ihr Namen noch längst nicht so bekannt wie heute. Der damals frisch ins Amt gewählte Intendant Johan Simons brachte das Kleist-Drama „Penthesilea“ mit nur zwei Schauspielern auf die nackte, dunkle Bühne des Schauspielhauses: mit Jens Harzer und eben Sandra Hüller.

Als echte Teamspielerin genießt Sandra Hüller (rechts) unter ihren Kollegen einigen Respekt. Hier eine Szene aus „Hamlet“ mit (von links) Stefan Hunstein, Ann Göbel und Bernd Rademacher.
Als echte Teamspielerin genießt Sandra Hüller (rechts) unter ihren Kollegen einigen Respekt. Hier eine Szene aus „Hamlet“ mit (von links) Stefan Hunstein, Ann Göbel und Bernd Rademacher. © Schauspielhaus Bochum | JU Bochum

Vor allem in eingefleischten Cineasten-Kreisen genoss sie bereits vorher einiges Ansehen, seitdem sie 2016 in der Tragikomödie „Toni Erdmann“ die karrierebeflissene Tochter eines Alt-68ers (gespielt von Peter Simonischek) gab. Der Film war eine Sensation bei den Filmfestspielen in Cannes und als „bester fremdsprachiger Film“ für einen Oscar nominiert. Hierzulande lief er vornehmlich in den Programmkinos und zu vorgerückter Stunde in den dritten Fernsehprogrammen.

Auftritte in Kinohits wie „Fack ju Göhte 3“

„Fack ju Göhte 3“ und „25 km/h“ waren danach weitere recht populäre Filme, die Sandra Hüller gewitzt bereicherte – doch welch enorme Kraft und welch packende Präsenz in Hüllers manchmal etwas spröde wirkendem Spiel steckt, entdeckten so manche Zuschauer erst auf der Theaterbühne.

Für mich ist Sandra eine der größten Schauspielerinnen der Welt.
Intendant Johan Simons über seine Lieblingsdarstellerin

Mit Johan Simons verband sie schon vor ihrer Bochumer Zeit eine langjährige künstlerische Zusammenarbeit etwa an den Münchner Kammerspielen und bei der Ruhrtriennale. An die Königsallee kam sie weniger als Star, sondern mehr als Teamspielerin: Wie wunderbar uneitel sie sich ins Ensemble einfügte, hörte man hinter den Kulissen öfter. Und der Intendant lobte seine Lieblingsdarstellerin in höchsten Tönen: „Für mich ist Sandra eine der größten Schauspielerinnen der Welt“, sagte er Mitte 2019 kurz vor der „Hamlet“-Premiere. „Dass wir sie hier in Bochum haben, ist unfassbar.“

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Sandra Hüller in der Rolle des tragischen Dänenprinzen: Diese Aufführung wurde zu einer Sternstunde während der frühen Simons-Jahre und bescherte dem Schauspielhaus die erste Einladung zum Berliner Theatertreffen seit 20 Jahren. Auch wenn Sandra Hüller hier viele Blicke auf sich zog (und während der Pause unablässig über die Bühne lief), war der ganze Abend vielmehr ein großes Ensemblestück mit zahlreichen schillernden Auftritten. Den Superstar-Status verweigert sie konsequent.

Daneben wagte sie in den Kammerspielen immer wieder Experimente, die nicht selten vor überschaubarem Zuschauerkreis stattfanden. „Bilder deiner großen Liebe“ und vor allem „Die Hydra“ (beide in der Regie von Tom Schneider) waren sperrige, fordernde Stücke mit viel Musik und überbordenden Bühnenbildern, die von ihren Fans hartnäckig gefeiert wurden. Große Erfolge an der Abendkasse waren das nicht. „Der Würgeengel“ als Koproduktion mit dem Schauspiel Leipzig ist Hüllers bislang letzter Bochumer Auftritt und Ende Januar erneut zu sehen.

In „Der Würgeengel“ spielte Sandra Hüller Anfang März ihre bislang letzte Bochumer Premiere. Das Stück nach gleichnamigen Film von Luis Buñuel ist wieder am 27. Januar und 29. Februar im Schauspielhaus zu sehen.
In „Der Würgeengel“ spielte Sandra Hüller Anfang März ihre bislang letzte Bochumer Premiere. Das Stück nach gleichnamigen Film von Luis Buñuel ist wieder am 27. Januar und 29. Februar im Schauspielhaus zu sehen. © Schauspielhaus Bochum | Armin Smailovic

Seit 2018 ist Sandra Hüller als Gast am Schauspielhaus engagiert und „dem Ensemble auf besondere Weise verbunden“, wie es auf der Internetseite des Theaters so schön heißt. Mit ihrem Lebensgefährten und der gemeinsamen Tochter wohnt sie in Leipzig und pendelt für ihre Auftritte nach Bochum. Ihr Privatleben schirmt sie gut ab, Interviews gibt sie nur selten, zuletzt erschien ein langes Gespräch mit ihr im amerikanischen Magazin „The New Yorker“.

Sandra Hüller spielt wieder in Bochum

Anfang des Jahres gibt es die nächste Chance, Sandra Hüller auf der Bühne des Schauspielhauses zu erleben: in „Der Würgeengel“ am 27. Januar (ausverkauft) und am 29. Februar (nur noch Restkarten). Karten: 0234 3333 5555.

Im Frühjahr wird es zudem weitere Aufführungen von „Hamlet“ geben. Bislang steht nur ein Spieltermin fest: am 20. April während der Shakespeare-Tage. Weitere Vorstellungen sind in Planung.

Außerdem steht laut Schauspielhaus fest, dass es während der Intendanz von Johan Simons mindestens noch ein weiteres Projekt mit Sandra Hüller in Bochum geben soll.

Und so lässt sich gerade mit einigem Staunen und mit großer Freude beobachten, wie Sandra Hüller die roten Teppiche dieser Welt im Sturm erobert. „Die beste Schauspielerin ihrer Generation“, nennt sie etwa das Boulevard-Magazin „Gala“.

Spätestens ihre letzten beiden Filme machten sie zum international gefeierten Star. In dem für einen Auslands-Oscar vorgeschlagenen Film „The Zone of Interest“ spielt sie die Frau des KZ-Kommandanten Rudolf Höß. Das französische Justizdrama „Anatomie eines Falls“ mit Hüller als rätselhafte Schriftstellerin gewann fast zeitgleich den Europäischen Filmpreis und bescherte ihr eine Nominierung für die Golden Globe Awards als „beste Hauptdarstellerin in einem Drama“. Sogar der ehemalige US-Präsident Barack Obama lobt den Film als einen der besten des letzten Jahres.

All dies könnte durchaus ein Fingerzeig sein für die nächsten „Oscars“, die am 10. März verliehen werden. „And the Oscar goes to Sandra Hüller?” Nichts ist unmöglich!