Bochum. Der frühere Außenminister kommt ins ausverkaufte Schauspielhaus Bochum. Dagegen regt sich Protest: Auf dem Vorplatz ist eine Kundgebung geplant.

Das Bochumer „Friedensplenum“ protestiert gegen einen Auftritt von Joschka Fischer (Grüne) im Schauspielhaus Bochum: Am Sonntag, 21. Januar, wird der ehemalige Außenminister um 11.30 Uhr zu einem Gespräch mit Ex-Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) in den ausverkauften Kammerspielen erwartet. Dagegen kündigt das „Friedensplenum“ jetzt eine Proteskundgebung an: ab 11 Uhr auf dem Vorplatz des Schauspielhauses.

Die Aktivisten prangern einen „Bellizisten-Talk“ an und haben einen offenen Brief an den Intendanten Johan Simons verfasst. Das Schauspielhaus weist die Kritik zurück. Man freue sich auf einen „anregenden Dialog“.

Joschka Fischer im Schauspielhaus Bochum: Protestkundgebung auf dem Vorplatz

„Ein Gast. Eine Stunde“: So heißt die 2018 gestartete Veranstaltungsreihe von Norbert Lammert (CDU) im Schauspielhaus. 60 Minuten tauscht sich Lammert mit Persönlichkeiten aus Kultur, Wirtschaft oder Politik aus. Die Auswahl der Gäste erfolgt in enger Abstimmung mit dem Theater. Dabei waren bisher u.a. Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck, Liedermacher Wolf Biermann, TV-Moderatorin Dunja Hayali und Starpianist Igor Levit.

Offener Brief an Intendant Johan Simons

Am Sonntag, 21. Januar (11.30 Uhr), folgt Joschka Fischer (75). „Der ehemalige Grünen-Politiker blickt auf eine bewegte Karriere u.a. als Außenminister und Vizekanzler zurück. Im Schauspielhaus diskutiert er gesellschaftliche und politische Entwicklungen und berichtet von den prägenden Ereignissen in seinem Leben“, heißt es in der Ankündigung.

„Keine Bühne für Joseph Fischers atomare Machtpolitik!“, entgegnet Ralf Feldmann, ehemaliges Ratsmitglied der Linken und Sprecher des Bochumer „Friedensplenums“. In einem offenen Brief an Intendant Johan Simons schreibt er: „Für uns war es bisher unvorstellbar, dass sich das Schauspielhaus daran beteiligen würde, Strahlkraft von Kriegstüchtigkeit in unsere Gesellschaft hinein zu entfachen.“

Norbert Lammert (Archivfoto, re.) spricht im Januar im Schauspielhaus mit Joschka Fischer. Dagegen protestiert das Bochumer „Friedensplenum“ in einem offenen Brief an Intendant Johan Simons (li.).
Norbert Lammert (Archivfoto, re.) spricht im Januar im Schauspielhaus mit Joschka Fischer. Dagegen protestiert das Bochumer „Friedensplenum“ in einem offenen Brief an Intendant Johan Simons (li.). © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

„Deutscher Griff zur Bombe“: Scharfe Kritik an Ex-Außenminister

Das „Friedensplenum“ führt an, dass Fischer „eine neue Eskalation der atomaren Hochrüstung vorgeschlagen“ habe. „Er will die Europäische Union als selbstständige Atommacht neben der Nato, nicht mehr nur nukleare Teilhabe in Abhängigkeit von den USA, sondern den deutschen Griff zur Bombe (...).“

„Schauspielhaus Bochum kriegstüchtig?“, fragt das „Friedensplenum“ und übt auch scharfe Kritik an Talk-Gastgeber Norbert Lammert (75). „Am Beginn des Kriegsjahres 2024“ träfen sich „im gemütlichen Sonntagsmittagstalk keine Friedensboten, sondern zwei Brüder für Kriegstüchtigkeit“. „Das Projekt Lammert/Fischer“ müsse vom Schauspielhaus „selbstkritisch hinterfragt“ und „vom öffentlichen Protest der Stadtgesellschaft begleitet“ werden.

Theater : Aktivisten können ihre Meinung am Eingang kundtun

Für das Schauspielhaus ist der Konflikt mit dem „Friedensplenum“ nicht neu. Schon im Februar 2023 hatte es im Vorfeld des Lammert-Talks Proteste gegen die Theologin Annette Kurschus wegen ihrer Haltung zum Ukraine-Krieg gegeben. Damals durften Aktivisten am Eingang Flugblätter verteilen. „Dies ist auch diesmal möglich“, bietet das Theater an.

Joschka Fischer als Talkgast wird vom Schauspielhaus ausdrücklich willkommen geheißen. Er habe in seinen jüngsten Interviews sehr wohl eine „argumentative Zerrissenheit“ in Fragen der Aufrüstung erkennen lassen. Auch die „vielschichtige und insofern spannende Biografie rechtfertigt, den ehemaligen Bundesaußenminister einzuladen, weil er einerseits exponiert in zentrale historische, politische Entscheidungen eingebunden war und gleichzeitig Spiegelbild einer – kontroversen – politischen Entwicklung und Debatte in unserem Land ist. Über all das lässt sich miteinander reden“, teilt das Schauspielhaus auf WAZ-Anfrage mit.

Derweil ist die Resonanz auf den Januar-Talk groß. Die Veranstaltung ist ausverkauft, eventuell gibt es noch Restkarten an der Abendkasse.