Bochum. Der Dauerregen drückt das Wasser an der Ruhr in Bochum immer weiter in Richtung Häuser und Gärten. „Wir sind vorbereitet“, vernimmt man vor Ort.
Der Fluss steht wieder vor der Tür. Michael Keil und Anja Rogers stehen im Garten ihres Hauses an der Ruhrmühle in Bochum-Dahlhausen und schauen in die Ruhr, die sonst zwar in Blickweite, aber eben nicht zum Greifen nah ist. Der Dauerregen drückt das Wasser immer weiter nach oben in Richtung Häuser und Gärten, die Straße ist längst überspült. Bei 5,80 Meter steht der Pegel an diesem Samstagmittag, einen Tag vor Heiligabend. Warnstufe 2 (von 3) ist ausgerufen. „Bei 6,50 Meter wird es kritisch“, sagt Bochums Krisenmanager Mario Reuther.
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Bei einem Ruhr-Pegelstand von 6,50 Meter wird es in Bochum kritisch
Schon kommen Gerüchte auf, dass Häuser evakuiert werden, sollte der Pegelstand 6,50 Meter erreichen. „Dann wäre aus unserer Sicht ein kritischer Stand erreicht“, so Reuther. Eine Evakuierung sei aber nur eine der möglichen Maßnahmen, die dann ergriffen werden könnten. Zum Vergleich. Beim Jahrhunderthochwasser 2021 stand der Pegel bei 6,99 Meter.
Noch ist es nicht so weit. Und womöglich kommt es auch gar nicht so weit. „Aber das Wasser wird weiter steigen“, so Reuther mit einem Blick in den Himmel. Für ein paar Stunden hat der Regen zwar nachgelassen. Die Wettervorhersage verheißt aber für die nächsten Tage weitere Niederschläge. Und damit steigendes Wasser.
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Der Leinpfad an der Ruhr wurde bereits gesperrt, der an der Ruhr liegenden Campingplatz in Bochum-Dahlhausen geräumt und die Schwimmbrücke für den Verkehr gesperrt. Anwohnerinnen und Anwohner im direkten Bereich der Ruhr werden separat informiert und gebeten, sich vorsorglich auf weiter steigende Pegelstände vorzubereiten und nicht dauerhaft in Kellern aufzuhalten, Fahrzeuge aus Tiefgaragen herauszufahren und wertvolle Gegenstände aus Kellern in höher gelegene Geschosse zu bringen.
Kanuclub stapelt Boote, das Wasser steht schon in der Halle
Am Morgen sind die Mitglieder des Krisenzentrums zusammengetroffen. „Die Lage ist nicht gefährlich“, sagt der Krisenmanager. Aber sie ist angespannt. Noch alle haben hier unten am Fluss die Ereignisse aus dem Sommer 2021 im Kopf, als das Jahrhundertwasser die Ruhr bis auf 6,99 Meter anschwellen ließ und in vielen Häusern und Einrichtungen pure Zerstörung zurückließ.
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Auch beim Linden-Dahlhauser Kanu-Club (LDKC), dessen Bootshaus direkt am Ufer steht. „Bis 1,80 Meter hoch stand das Wasser damals im Gebäude“, erinnert sich Carsten Schroer, der im Verein für die Stand-up-Paddler zuständig ist. Auch an diesem Samstagmorgen ist das Wasser schon wieder eingedrungen. „In der Bootshalle steht es zehn Zentimeter hoch.“
Viele Vereinsmitglieder packen mit an
Gut ein Dutzend Vereinsmitglieder haben bereits Boote in den großen Metallregalen nach oben gestellt, haben die Elektrogeräte in Sicherheit gebracht und den Kraftraum leer geräumt, der vermutlich als Nächstes vollläuft. Sandsäcke, das haben sie bereits getestet, würden nicht helfen, um das Gebäude vor dem Wasser zu schützen. Einige Boote schwimmen in der Halle auch im Wasser. „Mit Absicht“, sagt Carsten Schroer. So können sie nicht – wie vor zwei Jahren geschehen – zwischen den Regaletagen zerdrückt werden.
Und so lange es nur 50 oder 60 Zentimeter höher steht als jetzt, würde nicht allzu viel passieren. „Klar, wir müssen alles sauber machen“, sagt Carsten Schroer. Aber das wäre nichts im Vergleich zu den Schäden vor 2021. Immer noch die Gummistiefel an den Füßen, verlässt er die Bootshalle in Richtung Parkplatz, der bereits überschwemmt ist. So wie auch die benachbarte Zufahrt zur Badestelle. Dorthin strömen die Menschen im Sommer gerne zum Fluss. Nun rückt der Fluss immer näher an die Menschen heran.
Erst aufräumen und dann Trockentraining in der Bootshalle
Anders als beim Jahrhunderthochwasser sind sie jetzt aber besser vorbereitet. Schon am Freitag hat die Stadt damit begonnen, auch die Bewohner der höher gelegenen Neubausiedlung zwischen Bahndamm und Dr.-C.-Otto-Straße zu informieren. Sie sollen am besten ihre Keller ausräumen. Das Wasser des Flusses würde dort zwar erst später als zu den niedriger gelegenen Häusern in der Umgebung gelangen. Aber es könne von unten nach oben drücken und in die Häuser eindringen, so Mario Reuther. Auch beim LDKC steht nicht nur Flusswasser auf dem Hof, es blubbert auch aus dem Abflussrohr nach oben.
Als Letzter verlässt Bootshausmanager Johannes Montag am Samstagnachmittag die LDKC-Anlage. „Wir sind vorbereitet, das Wasser kann kommen“, sagt er. Alles, was hätte getan werden können, haben die Helfer getan. Nun heißt abwarten. „Ich habe die App und gucke mir ständig die Entwicklung des Pegels an“, sagt Montag. Und wenn Not am Mann ist, dann kommt er aus seiner nahe gelegene Wohnung schnell hierüber. Auch Stand-up-Paddler Carsten Schroer gibt sich gelassen. Er hat morgens nach dem Auf- und Ausräumen noch mit fünf Jugendlichen trainiert – „Trockentraining natürlich“, sagt er lächelnd – und fährt jetzt nach Hause.
Feuerwehr informiert die Anwohner
Die Feuerwehr ist derweil mit gut 15 Teams zu je zwei Personen in den tiefer gelegenen Straßen unterwegs, um die Anwohner zu informieren. „Wir sind das ja schon gewohnt“, heißt es in der Straße „Am Ruhrort“. Dort stehen die Bewohner mehrerer Häuser zusammen und beratschlagen sich. „Es heißt, wir können uns nachher mit Sand gefüllte Säcke abholen.“
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Tatsächlich stellt der Krisenstab erst einmal 500 Säcke zur Verfügung – 400 am Schulzentrum Süd-West und 100 auf dem Parkplatz hinter dem Bahnhof Dahlhausen an der Ruhrmühle, wo sich auch Michael Keil und Anja Rogers eindecken. Sie hatten schon vorher einige Sandsäcke aus dem Baumarkt besorgt und sie vor der Gartentür gestapelt. „Im Haus ist das Wasser noch nicht“, sagt Anja Rogers; in einem der Gartenhäuser allerdings schon.
Jetzt heißt es abwarten. „Wir haben die Lage genau im Blick“, so Mario Reuther. Auch die Stadt ist gut vorbereitet. Sie hat für Krisensituationen wie diese extra ein eigenes Lager eingerichtet, in dem Tonnen von Sand, Tausende Säcke, etlichen Pumpen und viele andere Geräte und Hilfsmittel gelagert sind.