Bochum. Autorin Sharon Dodua Otoo sollte mit dem Peter-Weiss-Preis in Bochum ausgezeichnet werden. Nach Vorwürfen gegen ihre Person bezog sie Stellung.
Ärger um den Peter-Weiss-Preis: Der mit 15.000 Euro dotierte städtische Kulturpreis der Stadt Bochum sollte im kommenden Jahr an die deutsch-britische Schriftstellerin Sharon Dodua Otoo verliehen werden. Jetzt der überraschende Rückzieher: Die Vergabe werde „vorerst ausgesetzt“, so teilt es die Stadt mit. Als Grund gilt eine mögliche Nähe der Preisträgerin zur israelkritischen Kampagne „BDS“. Darüber hatte zuerst der Blog „Ruhrbarone“ berichtet. Inzwischen reagierte auch die Autorin selbst auf die Vorwürfe – und zog eigene Konsequenzen.
Stadt Bochum zieht Peter-Weiss-Preis zurück
Die 51-jährige Autorin, so der Verwurf, soll die Organisation „Artists for Palestine UK“ öffentlich unterstützen, die der BDS-Kampagne zugerechnet wird. Die Abkürzung „BDS“ steht für „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“. Als Ziel der Kampagne gilt, den Staat Israel politisch, wirtschaftlich und kulturell zu isolieren. „Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, ist die Verleihung des Preises an Frau Otoo undenkbar“, steht für Stadtsprecher Thomas Sprenger fest.
- Die Stadt Bochum zieht die Vergabe des Peter-Weiss-Preises an die Autorin Sharon Dodua Otoo zurück. Dies zeigt, wie schluderig die Jury in diesem Fall wohl gearbeitet hat. Lesen Sie hier den Kommentar.
Der Peter-Weiss-Preis gilt als wichtigster Kulturpreis der Stadt und wird seit 1990 meist in zweijährigem Rhythmus jeweils an einen namhaften Vertreter aus den Bereichen Theater, Film, Literatur und Bildender Kunst verliehen. Zu den Preisträgern zählen etwa der Theatermacher George Tabori, der Filmregisseur Fatih Akin und Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek.
Unter 16 Autoren entschied sich die Jury für Sharon Dodua Otoo
Die neunköpfige Jury unter Vorsitz von Kulturdezernent Dietmar Dieckmann (SPD) entschied sich während der Sitzung am 10. November für Sharon Dodua Otoo als kommende Preisträgerin. „Aufgrund ihrer Vita, ihres literarischen Werks und auch aufgrund ihres Kampfes gegen Diskriminierung hat sie sich in unseren Beratungen durchgesetzt“, berichtet Jurymitglied Barbara Jessel (Grüne), die auch Vorsitzende des Kulturausschusses ist. 16 Autoren, ausgewählt von einem Fachgremium, standen auf der Vorschlagsliste.
Sharon Dodua Otoo, die seit 2006 in Berlin lebt, erhielt 2016 als erste Britin und erste schwarze Person den renommierten Ingeborg-Bachmann-Preis. Seit 2012 ist sie Herausgeberin der englischsprachigen Buchreihe „Witnessed“ mit emanzipatorischen Texten schwarzer Menschen. Ihr Romandebüt „Adas Haut“ erschien 2021. Im vergangenen Jahr rief sie während der Ruhrfestspiele Recklinghausen das mehrtägige Literaturfestival „Interventionen“ ins Leben.
Für die Stadt Bochum hat Preisvergabe derzeit „keinen Bestand“
Stein des Anstoßes ist nun, dass ihr Name in einer Liste von über 1500 Kulturschaffenden auftaucht, die sich „Artists for Palestine UK“ öffentlich anschließen. „Wir unterstützen den palästinensischen Kampf für Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit“, heißt es dort. Außerdem verpflichten sich die Unterzeichner, „weder berufliche Einladungen nach Israel noch finanzielle Unterstützung von Institutionen anzunehmen, die mit der israelischen Regierung verbunden sind, bis Israel das Völkerrecht und die universellen Grundsätze der Menschenrechte einhält“. Die Liste der Unterzeichner wurde zuletzt im August 2021 aktualisiert.
Für die Jury des Peter-Weiss-Preises ist diese Nähe zu „Artists for Palestine UK“ ein Grund, dass die Vergabe des Preises an Otoo zu diesem Zeitpunkt „keinen Bestand“ habe: „In den Veröffentlichungen der Artists for Palestine UK wird die Befreiung Palästinas mit, so wörtlich, ‚allen Mitteln‘ gefordert“, teilt die Jury in einer Stellungnahme mit. „Wer dies tut, stellt sich hinter die Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023.“
Preisverleihung am 10. März im Schauspielhaus ist offen
Laut Stadtverwaltung sollte der Sachverhalt jetzt eingehend geprüft werden: „Wir wollen niemanden vorverurteilen“, sagt Thomas Sprenger. „Aber wir drücken erstmal die Stopp-Taste und werden schauen, wie wir mit der Preisverleihung umgehen.“ Ob der Preis wie geplant am 10. März 2024 im Schauspielhaus verliehen werden kann, sei völlig offen.
Seit Mittwochnachmittag ist klar: Dazu wird es nicht mehr kommen. Sharon Dodua Otoo habe der Stadt gegenüber in einem Statement zunächst deutlich gemacht, dass sie sich von einer vor fast zehn Jahren unterschriebenen Petition distanziere, heißt es aus dem Rathaus. „Ich würde einen solchen Aufruf heute nicht mehr unterzeichnen“, schreibt die Schriftstellerin laut Stadt. Sie teile aber auch mit, dass sie den ihr ursprünglich zugedachten Peter-Weiss Preis der Stadt Bochum infolge der Diskussionen um die Petitionsunterzeichnung nicht annehmen werde. „Ich möchte weder die Jury, noch die Stadt Bochum noch den Namen von Peter Weiss mit den Vorwürfen gegen mich und die ausgelöste Debatte in Verbindung wissen“, wird Otoo von der Stadt zitiert.
„Wir respektieren natürlich diese Entscheidung. Ich bedauere diese Entwicklung sehr“, sagt Kulturdezernent Dietmar Dieckmann.