Bochum. Nach einem Schuss auf die Synagoge in Bochum sowie Brandanschlägen steht ein Bochumer vor Gericht. Warum der Prozess kompliziert wird.
Der Angeklagte (37) schweigt. „Nach Rücksprache mit meinem Mandanten wird er sich heute nicht äußern“, erklärte Verteidiger Knuth Meyer-Soltau am Donnerstag zum Prozessauftakt am Landgericht. Zuvor hatte Oberstaatsanwalt Andreas Bachmann eine Anklage vorgelesen, die es in sich hat: zwei Brandanschläge, Brandstiftung – und ein Schuss auf die Bochumer Synagoge am Erich-Mendel-Platz/Castroper Straße. Das Tatmotiv in diesem Fall wie in einigen anderen auch soll politisch gewesen sein, denn der Angeklagte sei „dem rechtsextremen politischen Spektrum zuzuordnen“, so der Ankläger.
Solidarität mit der jüdischen Gemeinde in Bochum
Der Schuss auf die Synagoge in der Nacht des 26. April 2021 hatte großes Entsetzen in der Stadt ausgelöst. Vertreter der christlichen Kirche hielten eine Nachtwache vor dem jüdischen Gotteshaus ab. Auch Polizeipräsident Jörg Lukat war dabei. Zudem erklärten mehrere Parteien und Organisationen ihre Solidarität mit der jüdischen Gemeinde.
Die Ermittlungen waren enorm aufwendig. Gefasst wurde der mutmaßliche Täter erst im Mai 2023. An seiner Arbeitsstelle wurde er festgenommen. Seitdem sitzt der Handwerker aus Bochum in U-Haft.
Damals war mit einer Gasdruckpistole oder einer ähnlichen Waffe auf ein doppelverglastes Fenster über dem Eingang der Synagoge an der Castroper Straße geschossen worden. Das äußere Glas wurde zwar zerstört, durchschlagen wurde das Fenster aber nicht. In der Nähe lagen zwei kunststoffummantelte Metallkugeln.
DNA-Spuren sollen zum Angeklagten geführt haben
Daran soll DNA des Angeklagten gefunden worden sein. Dieselbe DNA, die er teilweise auch an weiteren Tatorten hinterlassen haben soll, die jetzt ebenfalls in dem Prozess eine Rolle spielen: In der Nacht vom 15. auf den 16. Mai 2017 soll der heute 37-Jährige einen Brandsatz – eine mit Benzin gefüllte Bierflasche mit angezündetem Stofflappen im Flaschenhals – gegen eine Scheibe der Kita an der Emscherstraße geschleudert haben. Ziel war es laut Anklage, das Gebäude völlig zu zerstören. Nur durch Zufall soll der Brandsatz nicht in die Kita eingedrungen sein. Die Feuerwehr löschte ihn.
Am 25. Februar 2018 flog nachts ein ähnlicher Brandsatz gegen die Scheibe einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus an der Kulmer Straße. Auf dem Balkon brannte alles aus. Weiterhin wird dem Mann vorgeworfen, am 20. Dezember 2022 einen an der Küpperstraße geparkten VW einer Wohnungsgesellschaft angezündet zu haben. Es blieb aber beim Brand eines Reifens.
Strafrahmen für Drogendelikte wird sich demnächst wohl verschieben – nach unten
Richter Volker Talarowski versicherte: „Wir machen hier keinen politischen Prozess.“ Dann wies er deutlich auf ein rein rechtliches Problem hin: Dem Angeklagten wird auch vorgeworfen, gut 200 Gramm Marihuana, das er selbst in einem Zelt in seiner Wohnung angebaut haben soll, sowie acht Schlagringe, eine Stahlrute, einen Elektroschocker sowie Gasdruckwaffen besessen zu haben. Das aktuell geltende Gesetz sieht allein dafür (Handeltreiben mit Waffen) eine Mindeststrafe von fünf Jahren vor. Wenn aber Anfang 2024 nach einer Teillegalisierung von Marihuana ein neues BTM-Gesetz in Kraft treten soll, läge die Mindeststrafe nur noch bei einem Jahr.
Sollte der Angeklagte gegen eine mögliche Verurteilung im Dezember Revision einlegen, würde der Bundesgerichtshof in Karlsruhe darüber zu einem Zeitpunkt entscheiden, wenn bereits das neue Gesetz angewendet werden muss. Heißt: Das Bochumer Urteil würde gekippt, auch wenn es nach jetziger Rechtslage korrekt wäre. „Total verfehlt, was da läuft“, sagte der Richter.