Bochum-Wattenscheid. Das Klaus-Steilmann-Berufskolleg in Bochum hat ein besonderes Unterrichtsfach im Angebot. Die Schüler lernen hier, am eigenen Glück zu arbeiten.
„Man lernt was fürs Leben, nicht nur Gedichte zu analysieren“, so beschreibt Fabian Thöring, ein Schüler des Klaus-Steilmann-Berufskollegs in Bochum-Wattenscheid, ein außergewöhnliches Schulfach: Glück.
Notendruck und ein straffer Stundenplan können das Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern belasten. Das Berufskolleg will dem unter anderem mit dem Unterrichtsfach „Glück“ entgegenwirken. Einmal pro Woche steht hier eine „glückliche Stunde“ auf dem Lehrplan. Im Zentrum geht es dann um ganz persönliche Fragen: Wer bin ich? Was brauche ich? Was kann ich? Das Ziel: Lebensfreude.
Schüler in Wattenscheid lernen, glücklicher zu werden
„Es gibt keine falschen Antworten. Jeder verbindet mit Glück etwas anderes“, erklärt Susanne Kadmiry, die die einzige Glückslehrerin in Bochum ist. Stattdessen gehe es darum, Freude und Neugierde am Lernen zu fördern, achtsamer durchs Leben zu gehen und aktiv am eigenen Glück zu arbeiten.
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Anstatt Matheformeln zu lösen und Gedichte zu analysieren, gehe es in dem Fach um die Schülerinnen und Schüler selbst: die eigenen Wünsche und Bedürfnisse, Ziele, aber auch Herausforderungen und Krisen. „Alle haben schon einmal eine Krise erlebt“, sagt Kadmiry. Ob Liebeskummer, eine Fünf in Mathe oder eine schwere Erkrankung – es sei wichtig, das ernst zu nehmen.
Zehn-Sekunden-Regel hilft beim Stressabbau
„Wir reden zu wenig über Probleme und Situationen, die nicht immer leicht sind und einen bedrücken“, findet Fabian Thöring, der seit August eine Ausbildung zum kaufmännischen Assistenten macht. „Bei diesem Unterrichtsfach ist das anders. Wir lernen mit Problemen umzugehen, aber auch unsere Meinung frei zu äußern und Wünsche einzubringen.“
Er selbst habe vorher noch nie etwas von dem Fach gehört. Für ihn habe es sich aber schon jetzt gelohnt: Empfindet er Stress oder Wut, zählt er zunächst bis zehn. Das helfe ihm, mit seinen Emotionen besser umzugehen. Diese „Zehn-Sekunden-Regel“ wende er sowohl in der Schule, als auch mit Freunden und Familie an. Außerdem habe er herausgefunden, was ihn glücklich macht: seine Familie, seine Ausbildung und sein VfL-Bochum-Frauen-Fanclub.

Den Glücksmuskel trainieren: „Veränderungen finden langsam statt“
Glück sei wie ein Muskel, sagt Susanne Kadmiry. Der „Glücksmuskel“ müsse trainiert werden, um sich im Gehirn zu verankern. Das sei ähnlich wie bei Sportlern: „Niemand kann sein Leben von jetzt auf gleich umkrempeln. Veränderungen finden langsam statt.“
Aus verschiedenen Übungen könnten die Schüler einiges für den Alltag mitnehmen. Möchte jemand geduldiger werden, helfe eine Übung: „Vor dir fährt eine Person langsam mit dem Auto. Du bist total genervt davon. Überleg dir dann möglichst abstruse, humorvolle Gründe, warum die Person so langsam fährt. Du wirst automatisch ruhiger.“
Schüler bekommen besondere Hausaufgaben
Dabei gehe es nicht um das Streben nach anhaltendem Glück, denn das sei ohnehin niemandem vergönnt, sondern um Lebenszufriedenheit. Um zu trainieren, das Positive zu sehen, bekommen die Schüler besondere Hausaufgaben: etwa ein Glas mit Dingen zu befüllen, die sie glücklich machen oder ein Dankbarkeitstagebuch zu schreiben. Es gehe darum, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen, denn: „Je glücklicher und zufriedener wir sind, desto kleiner wird der Bereich im Hirn, der für Angst zuständig ist.“
Das Schulfach Glück ist übrigens keine Bochumer Erfindung: Seit dem Jahr 2007 wird es in Heidelberg unterrichtet und zog von dort weitere Kreise.