Bochum. Im Prozess um eine äußerst schwere Messerattacke auf eine junge Bochumerin wird das Tatmotiv immer klarer. Angeklagt ist ihr Ex-Freund.

„Er hatte Hoffnung. Ich habe ihm aber gesagt, dass es aus ist. Ich habe das deutlich formuliert.“ Das berichtete am Donnerstag vor dem Schwurgericht eine 24-jährige Bochumerin, die mit 20 bis 30 Messerstichen lebensgefährlich verletzt worden war. Deshalb angeklagt ist ihr Ex-Freund (26), von dem sie sich kurz zuvor getrennt hatte. Ihm wird versuchter Mord vorgeworfen.

Das äußerst blutige Verbrechen ereignete sich in der Nacht des 26. April gegen 4.50 Uhr in der Wohnung der Auszubildenden an der Günnigfelder Straße in Wattenscheid. Dort hatten beide zusammen gewohnt, bis sie ihm am Ostermontag – gut zwei Wochen vor der Tat – die Trennung mitteilte. „Ich habe mit ihm gesprochen, dass es keinen Sinn mehr macht.“

Angeklagter aus Bochum ist tablettenabhängig

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Von Bernd Kiesewetter, Andreas Rorowski und Karoline Poll

Kennen- und lieben gelernt hatten sich die beiden 2017 auf der Berufsschule, sie gingen in dieselbe Klasse. „Es war alles gut, wir waren glücklich“, sagte die Frau. Doch dann bekam der jetzt Angeklagte, ein Informatiker, erhebliche psychische Probleme und verlor deshalb seine Arbeit, in der er lange Zeit völlig überlastet gewesen sein soll. Zudem wurde er tablettenabhängig. Die 24-Jährige sagte: „Ich war gestresst von der ganzen Situation, dass alles an mir hängenblieb, dass er immer nur auf dem Sofa lag. Er wirkte depressiv und antriebslos.“ Außerdem soll ihr damaliger Freund zuletzt sehr eifersüchtig gewesen sein und ihr Handy kontrolliert haben.

Am Ostermontag zog er aus, wohnte dann ein paar Tage bei seiner Familie. Wegen dortiger Platzprobleme nahm die Frau ihn aber wieder bei sich auf – allerdings nur vorübergehend, bis er eine eigene Wohnung gefunden habe, wie sie vor Gericht betonte. Als sie ihm dies einen Tag vor der Bluttat noch einmal klarmachte, gab es erneut Streit, der am Ende furchtbar eskalierte.

Anklage: Opfer war beim Messerangriff völlig arg- und wehrlos

Laut Anklage hatte die Frau gegen 4.50 Uhr in ihrem Bett geschlafen, als der Angeklagte sie mit einem Koch- und einem Küchenmesser heimtückisch angriff. Sie war völlig arg- und wehrlos. Staatsanwalt Danyal Maibaum geht davon aus, dass der 26-Jährige sie töten wollte.

Verzweifelt wehrte sich das Opfer gegen die teilweise mit voller Wucht gesetzten Stiche am Rumpf, an den Beinen und im Gesicht. Ihre Hilfeschreie hörten auch ihre Verwandten, die im selben Haus wohnen. Die eilten zu Hilfe und fanden die 24-Jährige auf dem Boden im Flur liegen. Noch am Tatort wurde sie intensivmedizinisch von einem Notarzt versorgt. Dank großer ärztlicher Kunst wurde das Leben der jungen Frau gerettet.

Zu den Szenen der Tat an sich wird sie in einem weiteren Sitzungstermin vernommen.

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Der Angeklagte (U-Haft) schweigt zu den Vorwürfen. Seine Verteidigerin Victoria Grenz erklärte lediglich, dass er „die Täterschaft nicht in Abrede stellt“. Psychiaterin Maren Losch erzählte den Richtern aber, was der Angeklagte ihr in der JVA Bochum über die Messerattacke erzählt hatte.

So äußerte sich der Angeklagte gegenüber einer Psychiaterin

Psychiaterin begutachtet Schuldfähigkeit

Das Schwurgericht hat vier weitere Verhandlungstage bis 24. November angesetzt. Der nächste Termin ist am 9. November.

Psychiaterin Maren Losch wird im Laufe des Prozesses sagen, ob sie die Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit für vermindert hält oder nicht. Alkohol war aber am frühen Morgen nach der Tat nicht mehr in seinem Blut nachweisbar. Das passe nicht zu seiner Aussage, dass er am Abend vor der Tat sehr viel Alkohol konsumiert habe, sagte der Richter.

Demnach hatte er gehofft, dass die Beziehung wieder in Gang kommt. Sie habe ihm aber „einen Korb gegeben“. Es sei ein trauriges Gespräch gewesen, bei dem beide geweint hätten. Der Angeklagte habe geplant, sich selbst das Leben zu nehmen, mit viel Alkohol und einer Überdosis Tabletten. „Er hatte die Idee, an einem Herzinfarkt zu sterben“, so die Gutachterin.

Aus der Küche habe er ein Messer geholt, um sich damit für den Fall, dass die Tabletten nicht tödlich sein würden, in den Hals zu stechen. Er habe sich neben die junge Frau ins Bett gelegt und ihr zugeflüstert: „Ich gehe bald für immer.“ Als sie nicht reagiert habe, habe er Angst bekommen und seine Ex-Freundin nicht mehr als sie selbst, sondern als eine ganz andere Person wahrgenommen, die ihn bedrohe und ihm etwas antun könne.