Bochum/Witten/Dortmund. Nach dem eiskalten Mord an einem 58-jährigen Bochumer begann der Prozess gegen zwei Männer. Das mutmaßliche Tatmotiv ist unfassbar.
Der junge Mann, der von zwei Wachtmeistern in den Schwurgerichtssaal geführt wird, ist relativ klein und hat eine schmale Statur. Sein Blick wirkt ängstlich, unsicher, hilflos, seine Angaben zum Wohnort sind kaum hörbar leise. Aber dieser Mann soll nach dem, was in der Anklage steht, ein eiskalter Mörder sein. Jemand, dessen Tat „auf tiefster Stufe“ steht und „verachtenswert“ sei, wie Staatsanwalt Philipp Rademacher zum Prozessauftakt am Dienstag in Bochum sagte.
Zwei Mordmerkmale: Heimtücke und niedrige Beweggründe
Heimtückischen Mord aus niedrigen Beweggründen wirft er dem 26-jährigen Pizzaauslieferungsfahrer aus Dortmund vor. Mit sieben Schüssen soll er einen 58-jährigen Telekom-Mitarbeiter aus Bochum in dessen Auto getötet haben. Das mutmaßliche Tatmotiv: Rache nach einer Verkehrsstreitigkeit, aus der er mit einem „Verlierergefühl“ und einem „Gesichtsverlust“ herausgegangen sei. Nebenklage-Anwalt Volker Ecker, der die Mutter des Mordopfers vertritt, spricht von einer „Banalität“: Dass man deshalb auf die Idee komme, jemanden zu töten, sei völlig unverständlich. Er sagt auch: „Die Beweislage ist erdrückend.“
Dann soll aber auch noch „Hass auf Deutsche“ eine Rolle gespielt haben: Der Angeklagte ist Türke.
Richter Nils Feldhaus gab ihm die Gelegenheit, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Aber seine Verteidigerin Gesine Ickert erklärt: „Mein Mandant möchte zum jetzigen Zeitpunkt keine Angaben machen.“
Das Gleiche äußern auch die Verteidiger des zweiten Angeklagten (29) aus Witten-Stockum. Er soll dem mutmaßlichen Mörder nach der Tat geholfen haben, unerkannt mit seinem Auto vom Tatort zu flüchten.
Streit um das Fahrverhalten des Angeklagten
Der Anfang von allem ereignete sich laut Anlage am Morgen des 2. März 2023 in der Dortmunder Nordstadt. Wegen eines Fahrverhaltens des 26-Jährigen, das nicht genau ermittelt werden konnte, soll es zwischen ihm und dem späteren Opfer eine verbale Auseinandersetzung gegeben haben. Der Angeklagte soll dem Bochumer zu dessen Arbeitsplatz in Dortmund nachgefahren sein. Dort habe er den Polizeinotruf gewählt, weil er gemeint habe, dass der Bochumer ihn fotografiert habe. Darüber sei er verärgert gewesen.
Kurz danach soll er sich entschlossen haben, den 58-Jährigen zu töten.
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Die Anklage geht anhand von Funkzellenauswertungen davon aus, dass er am Abend des 6. März das Wohnumfeld des 58-Jährigen am Hustadtring auskundschaftete. Am Morgen des 7. März sei er dorthin zurückgekehrt und habe ihm in einer dortigen Sammelgarage aufgelauert. Als der Bochumer um 8.12 Uhr in seinen Audi TT einstieg und den Motor startete, fielen sieben Schüsse, erst von hinten durchs Fahrzeug hindurch, dann „aus nächster Nähe“ durchs linke Fahrerfenster – in den Arm, den Oberkörper, Kopf und Hals. „Er nutzte gezielt die Arg- und Wehrlosigkeit aus“, sagt Rademacher. Das Opfer verblutete.
Polizeifotos zeigen die zusammengesackte Leiche auf dem Fahrersitz
Weiterer Vorwurf: Porsche geraubt
Dem 26-Jährigen wird auch der Raub eines Porsche Cayenne am 21. Dezember 2022 in Dortmund vorgeworfen. Mit einer Warnweste als Baumpfleger verkleidet, soll er den Fahrer (64) angehalten und gezwungen haben auszusteigen. Mit einer Pistole habe er auf seinen Kopf gezielt und durchgeladen. Dann habe er das Handy des „völlig verängstigten“ Fahrers zerschossen, um einen Notruf zu verhindern, und sei mit dem Auto geflüchtet.
Das Gericht hat 21 weitere Sitzungstage bis 1. Dezember terminiert.
Das Gericht zeigte Polizeifotos von der zusammengesackten Leiche auf dem Fahrersitz. Als sie 13 Stunden später von einer Zeugin gefunden wurde, lief noch der Motor, auch das Licht brannte. Die Leichenstarre hatte bereits eingesetzt.
Direkt nach dem Mord soll der 26-Jährige seinen engen Freund und Mitangeklagten, einen verheirateten Familienvater, angerufen und ihm die Tat erzählt haben. Der 29-Jährige habe dann auf Bitten seines Freundes dessen Auto weggesetzt, damit dieser nicht mehr am Tatort gesehen werde.
Am 24. Mai wurden beide Angeklagte festgenommen. Dem Hauptangeklagten droht die Höchststrafe: lebenslänglich. Dem Wittener, einem Frisör, wird versuchte Strafvereitelung vorgeworfen. Wie sein Verteidiger Markus Blumenstein sagt, habe sein Mandant erst nach der Tat von den Schüssen erfahren.
Allerdings wurde auch bei dem Wittener eine scharfe Schusswaffe gefunden, so die Anklage. Auch dafür muss er sich jetzt verantworten.