Bochum-Linden. Am Ende war er nicht allein: Michael W. aus Bochum ist beigesetzt worden. Zum Abschied gab’s Erinnerungen und Elvis. So groß war die Resonanz.
Auf seinem letzten Weg begleitet ihn Jim Morrison. Als die Bestattungsleute die Urne mit der Asche von Michael W. aus der Trauerhalle tragen, klingt „The end“ von „The Doors“ aus den Lautsprechern. Rund sechs Wochen nach seinem Tod ist Micha – auch bekannt als Mitch oder Elvis – am Donnerstagvormittag auf dem katholischen Friedhof in Bochum-Linden beigesetzt worden. Und er, der am Rande der Gesellschaft lebte, war am Ende nicht allein: Mehrere Dutzend Menschen haben dem 56-Jährigen die letzte Ehre erwiesen.
Dass es die Trauerfeier an diesem trüben Oktobertag gibt, dass Michael W. ein namentliches Grab bekommt, das ist dem Engagement einiger Weggefährten aus der Jugend zu verdanken – und der großen Anteilnahme im Bochumer Südwesten. Schon kurz nach seinem Tod wurde eine Spendenaktion ins Leben gerufen, um die anonyme Beisetzung als „Unbedachter“ auf dem Zentralfriedhof zu verhindern. Die Resonanz war groß: Rund 8000 Euro kamen zusammen, sodass W. ein Urnengrab mit Grabstein in seinem Stadtteil und eine Trauerfeier bekam.
Um die 50 Menschen sind zum Friedhof an der Nöckerstraße gekommen, Jüngere und Ältere sitzen in der Trauerhalle zusammen, einige verfolgen die Trauerfeier von außen. „Michael“, sagt Pfarrer Thomas Köster, „war in Linden bekannt wie kaum ein anderer“, fast alle der Anwesenden hätten ihre Geschichte mit ihm. Und sie zeigten, dass selbst „einer, der sich nicht immer gesellschaftsfähig zeigte, den letzten Weg nicht alleine gehen sollte“. Neben der Urne steht das Schwarz-Weiß-Foto, das auch schon auf den Spendenboxen zu sehen war: Micha auf „seiner“ Bank vor der Kirche.
Tanja Koch ist eine der Weggefährtinnen. Sie habe mit Micha Abitur auf der TKS gemacht, erzählt sie, 1986 war das. Bis zuletzt habe sie ihn immer wieder getroffen, immer wieder gesprochen, sagt Koch und erinnert sich an ihre letzte Begegnung. Etwa ein halbes Jahr liege diese zurück, Micha habe ihr erzählt, dass er einen Tumor habe, seine Hausärztin zur Bestrahlung rate, andere Ärzte aber nicht mehr behandeln wollten. Koch ist Streetworkerin in der Obdachlosenhilfe, fragte: Ob sie nicht vielleicht ein ambulantes betreutes Wohnen für ihn suchen sollten. „Da wurde er richtig sauer“, erinnert sie sich. „Für ihn war das nix.“
So erinnern sich alle hier an einen Mann, der vor vielen Jahren dem Alkohol verfiel, seine Tage auf der Straße verbrachte, und irgendwie dazugehörte zum Stadtbild in Linden und Dahlhausen. „Er war präsent“, sagt Tanja Koch, „es hat ihn jeder gekannt“ eine andere Frau, die anonym bleiben will. Hans Peter Stellmes unterrichtete von 1974 bis 1993 an der Theodor-Körner-Schule, er behält einen „lebensfrohen Typen“ im Gedächtnis, der ihn bis zuletzt lautstark begrüßte, wenn er ihn zum Beispiel beim Einkaufen traf.
„Die Musik war ihm zeitlebens Lebenselixier“, erinnert Pfarrer Köster in seiner Ansprache, die von Rio Reisers „Junimond“ eingeleitet wird und bei der die Trauergemeinde zu den Klängen von Elvis Presleys „In the Ghetto“ innehält. Auch Tanja Koch verbindet noch eine musikalische Erinnerung mit dem Verstorbenen. Vor dem Abi habe ihr Micha eine Stoppok-Schallplatte geliehen, erzählt sie. „Die hab’ ich ihm nie zurückgegeben.“
Dann zitiert sie aus einem Songtext, „Großstadtpenner Fred“, darin heißt es: „Seit zwanzig Jahr’n besoff’n / Und die Straße ist sein Bett / Die Leute schau’n weg, wenn sie ihn seh’n / Denn dass einer so kaputt ist / Das woll’n sie nicht versteh’n.“ Irgendwie, sagt Koch, „hätte das hier auch gepasst“. Wobei die Beisetzung vom Gegenteil zeugt: Bei Micha haben sie hingeschaut, wenigstens zum Abschied.
Das passiert mit den restlichen Spenden
Rund 8000 Euro sind bei der Spendensammlung für die Beerdigung von Michael W. zusammengekommen – deutlich mehr als benötigt. Urne und Blumenschmuck stellte das Bestattungshaus Trompeter aus Linden, das sich auch um die Überführung kümmerte. Für die pflegefreie Grabstätte, die Miete der Trauerhalle und den Rest der Beisetzung waren etwa 3000 Euro nötig, berichtet Tom, der Initiator der Spendenaktion.
Die überschüssigen rund 5000 Euro sollen nun weiter gespendet werden: zu gleichen Teilen an den Kinderhospizdienst Ruhrgebiet, an das Hospiz St. Hildegard in Bochum, an die Initiative „Laut gegen Nazis“, an eine Seenotrettungs-Initiative für Flüchtlinge sowie den Verein „Aufsuchende medizinische Hilfe für Wohnungslose Bochum“.