Bochum. Der beliebte Dirigent aus Bochum lebte lange in Israel und kennt das Land wie nur wenige. Die Bilder von den Gräueltaten machen ihn fassungslos.
Israel ist für ihn ein Zuhause: Das sagt der Dirigent Steven Sloane, der 27 Jahre lang an der Spitze der Bochumer Symphoniker stand und als „Ehrendirigent auf Lebenszeit“ in dieser Woche zwei Konzerte im Anneliese-Brost-Musikforum leitet. Vergnügt, lebenslustig und stets zu Scherzen aufgelegt: So kennen und lieben die Bochumer „ihren“ ehemaligen GMD – doch wer ihn in diesen dunklen Tagen trifft, sieht einen veränderten Steven Sloane: Erschrocken und sehr nachdenklich schaut er aus. „Es bricht mir das Herz“, sagt er, wenn er die aktuelle Lage im Nahen Osten sieht.
Steven Sloane aus Bochum schaut mit großen Sorgen nach Nahost
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Der Amerikaner Steven Sloane war 15 Jahre jung, als er für einen sechswöchigen Schüleraustausch zum ersten Mal nach Israel kam und tief beeindruckt in seine Geburtsstadt Los Angeles zurückkehrte. „Ich war ein typischer amerikanischer Junge“, erinnert sich der 65-Jährige, „allerdings interessierten mich nicht nur Musik und Basketball, sondern auch das Judentum.“ Für viele gläubige Juden ist Israel „das gelobte Land“: So auch für Sloane, der mit 18 Jahren erneut in ein israelisches Kibbuz zog und diesmal ein Jahr blieb. „Mit Anfang 20 reifte in mir die Idee, längere Zeit dort zu bleiben. Das ist mein Land, meine Heimat.“
Erst lebte er lange in Jerusalem, dann zehn Jahre in Tel Aviv, wo er unter anderem als Chor- und Orchesterleiter tätig war und ein Musikfestival leitete. Für diese Stadt schlägt sein Herz ganz besonders: „Das ist für mich die tollste Stadt der Welt“, sagt er. „Ungeheuer kosmopolitisch und ein echter Melting Pot.“
Blutiger Terrorangriff kam für ihn überraschend
Wie viele andere Menschen traf Sloane auch die Nachricht vom blutigen Terrorangriff der radikalislamischen Hamas am 7. Oktober überraschend: „Ich bekam einen Anruf und konnte es zunächst gar nicht glauben“, erzählt Sloane, der zu dieser Zeit in Berlin war. „Dass die ganze Situation in der Region schon lange gefährlich war, wusste jeder.“ Doch mit solch einem „barbarischen Angriff“ wie etwa bei dem Massaker bei dem Musikfestival in der Negev-Wüste habe er nie im Leben gerechnet: „Not in my worst nightmares!“
Sloane hält engen Kontakt zur Familie und zu vielen Freunden in Israel, deren Sorge vor einer möglichen Explosion der Gewalt in der ganzen Region riesig ist. „Das ist ein kleines Land. Jeder kennt jemanden, der irgendwie betroffen ist. Alle sind im Schock“, sagt er. Sein Neffe sei gerade als einer von 360.000 Soldaten als Reservist eingezogen worden: „Er ist jetzt an der Grenze zum Libanon stationiert und macht sich große Sorgen.“
Israelische Bevölkerung rückt zusammen
Gleichzeitig sehe man aber auch, wie die israelische Bevölkerung in diesen Zeiten zusammenstehe: „Die Leute halten zusammen, jeder will freiwillig helfen, egal ob es um Blutspenden geht oder um andere Dinge.“ Die Proteste gegen die Justizreform, denen sich in den letzten Monaten auch viele Kulturschaffende anschlossen, seien derzeit beiseite geschoben.
Doch wie geht es weiter? Diese große Frage beschäftigt auch Steven Sloane: „Ich denke, es gibt keine andere Reaktion Israels, als gegen die Hamas zu kämpfen“, sagt er. „Wir sind mitten im Krieg.“ Doch am Ende gebe es nur eine Richtung, um aus dieser „unmöglichen Situation“ zu kommen: „Das ist Frieden! Alle Menschen dort müssen lernen, miteinander zu leben, sich zu respektieren und zu akzeptieren. Es gibt keine andere Wahl.“
Musik als große, verbindende Kraft
Und was können die Musiker tun? Die Musik als große, verbindende Kraft ist für Sloane ein Weg aus der Spirale der Gewalt. Er erinnert an einen Satz von Leonard Bernstein, einem der bedeutendsten Musiker des 20. Jahrhunderts, der einmal sagte: „Das wird unsere Antwort auf Gewalt sein: Musik zu machen, noch intensiver, schöner und hingebungsvoller als zuvor.“ Für Steven Sloane ist das ein Satz für die Ewigkeit.
Steven Sloane dirigiert das „Meisterstücke“-Konzert der Symphoniker am Freitag, 20. Oktober, um 20 Uhr im Musikforum mit Stücken von Tschaikowski und Bartók. Karten: 0234 910 8666