Bochum. Nach mehr als einem Vierteljahrhundert verlässt Steven Sloane die Bochumer Symphoniker. Ein Abschiedsgespräch über Dankbarkeit und Triumphe.

Eine Ära endet, wenn nicht gar eine Epoche. Steven Sloane verlässt nach mehr einem Vierteljahrhundert „sein“ Orchester. Es war eine Zeit ungezählter Triumphe. Lars von der Gönna traf den Generalmusikdirektor der Bochumer Symphoniker zum Abschiedsgespräch.

Nach 27 Jahren darf man ohne Übertreibung sagen: Die Region verdankt Ihnen eine Menge. Sie drehen diesen Spieß charmant um: In der ganzen Stadt ist plakatiert „Steven Sloane thanks you!“...

Ich hab’ für eine Menge „Danke“ zu sagen. 1993 war klar, dass ich nach Bochum kommen würde: meine erste Stelle als Generalmusikdirektor. Ich war in vielen Sachen unerfahren. Plötzlich sah ich überall Plakate: „Please welcome Mister Sloane!“ – eine Aktion des Freundeskreises der Symphoniker. Dieses warme Willkommen hat mich unglaublich beeindruckt. Da fing es an mit diesem Gefühl, das bis heute geblieben ist: Ich gehöre zu dieser Stadt, zu diesem Orchester, zu dieser Region.

Das Publikum hat Sie wirklich warm empfangen – und es hörte über all die Jahre nie auf...

Das ist der andere Grund für Dank. Meine Ideen waren ja teils ziemlich verrückt und experimentell. Die Zuschauer sind uns immer gefolgt. Das ist nicht selbstverständlich. Und vor allem danke ich einem besonderen Orchester, wir sind zusammen gewachsen und zusammengewachsen, mit Freude und Ehrgeiz – eine echte Beziehung.

„Es ist nichts anderes als eine Ehe. Es liegt in der Natur der Sache“

Und ob: Nicht jede hält 27 Jahre. Gibt es Parallelen zur Ehe?

Es ist nichts anderes als eine Ehe. Es liegt in der Natur der Sache. Ein altgedienter Symphoniker hat mal zu mir gesagt: „Sie müssen auf Proben gar nicht mehr sprechen. Wir wissen sowieso, was Sie sagen, inklusive Ihrer deutschen Fehler!“

War das eine Beschwerde?

Nee, gar nicht, das war positiv gemeint und witzig. Jeder kennt das aus einer langen Partnerschaft: Man spürt, was mit dem anderen ist, was er sich ersehnt, selbst wenn er es nicht ausspricht. Es gibt Vertrauen. Aber eben auch Gewöhnung. Ein Hauptgrund, meine Zeit hier zu beenden, ist wirklich: Ich bin überzeugt, das Orchester braucht unbedingt neue künstlerische Impulse.

Wie sehr half Ihnen an der Ruhr, ein sonniger Amerikaner zu sein?

Dass ich Amerikaner bin, war nie entscheidend. Klar, mein Akzent ist sehr amerikanisch; Genitiv, Dativ und Steven Sloane, das wird in diesem Leben nichts mehr (lacht). Im Ernst: „I am who I am“ (Ich bin, wer ich bin) und da hat einfach die Chemie gepasst. Dass ich so lange hier war und vieles funktioniert hat, ist auch eine Frage der Persönlichkeit.

„Meine Zeit hier wird immer eines der großen Geschenke meines Lebens sein“

Als Sie anfingen, hätten viele Musiker ihre Väter oder Mütter sein können. Heute eher Ihre Kinder...

Sicher! Es gibt nur noch 15 Musiker, die von der Anfangsbesetzung übrig sind. Alle anderen rund 70 sind während meiner Zeit dazu gekommen. Wir haben dieses Orchester im Grunde zusammen aufgebaut.

Wie muss ein Musiker sein, um zu den „BoSy“ zu passen?

Es muss einen Konsens im Orchester geben. ich habe nie allein jemanden durchgesetzt. Ein Credo habe ich aber immer gehabt: Hier zu spielen, heißt selbstbewusst zu sein. Es gab anfangs ein bisschen die Haltung „Wir sind nur Bochum, man darf die Hürde nicht zu hoch setzten“. Meine Ansage war: Jeder, der als Musiker zu uns kommt, muss den Status Quo ändern, uns in jeder Hinsicht bereichern.

Ihr Vermächtnis ist auch ein eigenes Konzerthaus. Haben Sie den langen, den harten Kampf um diesen Konzertsaal vergessen?

Gar nicht, diese jahrelange Achterbahnfahrt ist mir total präsent.

Was hat Sie dabei angetrieben?

Erstens: Ich bin ein Typ, der kaum ein Nein akzeptiert. Zweitens: Angesichts von den Bauten in Essen Dortmund und Köln wäre das Orchester dauerhaft ohne guten Konzertsaal untergegangen. Das durfte einfach nicht sein.

Was bleibt von Bochum?

Meine Zeit hier sehe ich als Privileg, sie wird immer eines der großen Geschenke meines Lebens sein. Das bleibt, darunter lässt sich kein Schlussstrich ziehen.

In Israel leitet Steven Sloane künftig das Jerusalem Symphony Orchestra

Künftige Zentren im Leben von Steven Sloane (63) werden Jerusalem, Berlin und Wien sein. In Israel leitet er das Jerusalem Symphony Orchestra, in Berlin hat er an der Universität der Künste eine Professor für Dirigieren inne – und in Wien ist Steven Sloanes Frau Lotte de Beer zur Intendantin der Volksoper berufen worden.

Sloanes Abschiedskonzert wird am 25. Juni um 18 Uhr live auf der Website der Bochumer Symphoniker gestreamt.