Bochum. Um die „Aktionswochen gegen Antisemitismus“ an der Ruhr-Universität Bochum ist ein Streit entbrannt. Worum es eigentlich dabei genau geht.

Es ist nicht das erste Mal, dass der palästinensisch-israelische Konflikt unmittelbar Anlass ist für einen heftigen verbalen Schlagabtausch an der Ruhr-Universität Bochum (RUB). Diesmal geht es um die „Aktionswochen gegen Antisemitismus“, die im Oktober und November auch an der RUB stattfinden. In einem offenen Brief, der von etlichen, meist pro-palästinensischen Gruppen und Einzelpersonen, aber auch anderen Organisationen unterzeichnet ist, wird der Ruhr-Uni unter anderem vorgeworfen: „In Wahrheit (aber) werden hier der universitäre Rahmen und die einbezogenen Wissenschaftler:innen missbraucht, um jegliche Kritik am Staat Israel und seiner Politik als ‘antisemitische’ zu diffamieren ...“

Vorwurf: Kritik an Israel werde sofort als „antisemitisch“ verunglimpft

Außerdem werfen die Verfasser und Verfasserinnen des Schreibens der Uni vor, „im Umkehrschluss“ durch diese Veranstaltungen etwa Landraub, militärische Besatzung, Apartheid oder Kolonialismus in Palästina zu legitimieren. In der Begründung wird unter anderem darauf verwiesen, dass einige der sich an den Aktionswochen gegen Antisemitismus beteiligenden Organisationen dafür bekannt seien, etwa jegliche Kritik an Israel sofort als antisemitisch zu verunglimpfen.

Im Gebäude des Allgemeinen Studierenden Ausschusses (AStA) der Ruhr-Universität wird mit einem Plakat (l.) auf die Veranstaltungsreihe hingewiesen.
Im Gebäude des Allgemeinen Studierenden Ausschusses (AStA) der Ruhr-Universität wird mit einem Plakat (l.) auf die Veranstaltungsreihe hingewiesen. © RUB

Mit einer prompten Stellungnahme und Antwort reagiert das Rektorat der Ruhr-Universität und „widerspricht energisch“ der im offenen Brief geäußerten Aussage, mit der Zulassung der Veranstaltungen verbinde sich eine antimuslimische beziehungsweise antipalästinensische Geisteshaltung der Hochschule. „Diese Behauptung ist genauso wenig wahr wie die kürzlich vorgetragene Kritik einer jüdischen Studierendengruppe, dass unsere Universität antisemitische Tendenzen zeige.“

Die Universität verweist außerdem nachdrücklich darauf, dass sie eine Hochschule eben genau für den richtigen Ort halte, um auch höchst polarisierte Kontroversen auszutragen. „Das entspricht unserem Kodex zur Freiheit und Vielfalt an der RUB. Wir brauchen einen respektvollen und produktiven Streitraum.“

Die Veranstalterin des ebenfalls im offenen Brief kritisierten Workshops am 18. Oktober „Jenseits von Kritik – Israelbezogenen Antisemitismus erkennen und reflektieren“ ist die Antidiskriminierungsstelle der RUB. Der Workshop findet in Kooperation mit der „Recherche- und Informationsstelle für Antisemitismus“ (Rias) NRW statt. Rias wird im besagten Brief ebenfalls scharf kritisiert.

Ruhr-Uni bietet Erweiterung um andere Perspektiven an

Das Programm der Aktionswochen wird von der Initiative „RUB bekennt Farbe“ organisiert. Diese bezeichnet die Vorwürfe in dem Brief als „Diffamierungen“. Bei den Veranstaltungen gehe es gar nicht um den Nahostkonflikt, sondern etwa um Zwangsprostitution von Jüdinnen zur NS-Zeit oder Antisemitismus auf sozialen Netzwerken. „Wo dort antimuslimischer oder antipalästinensischer Rassismus auftreten soll, ist mir schleierhaft“, so die Hochschul-Projektstelle. Auf dem Veranstaltungsplakat sind als Unterstützer oder Mitorganisatoren unter anderem der AStA der Ruhr-Uni, die Amadeu Antonio Stiftung oder die ‘Linke Liste’ aufgelistet.

Die Ruhr-Universität selbst will zwar das Programm der Veranstaltungsreihe nicht ändern, bietet aber den Briefschreibern an, nach Absprache mit den Organisatoren/-innen dieses, „um weitere Perspektiven zu der Thematik“ zu erweitern. „Auch ist es denkbar, eine weitere Veranstaltung zu planen, um die palästinensische Position näher darzustellen und zu diskutieren.“ Es sei eben genau Aufgabe einer Universität, „solche Foren für wissenschaftsgeleitete Diskurse anzubieten und keine Zensur zu üben, auch wenn die vorgetragenen Positionen nicht immer unseren Sichtweisen entsprechen“.