Bochum. Aus einer Bruchbude in Bochum machte ein Paar ein energieeffizientes Vorzeigehaus. Doch der Weg war schwer. Was die Bauleute besonders stresste.

Es fällt unweigerlich auf, dieses Haus in der Leibnitzstraße in Bochum-Weitmar. Die helle Holzverkleidung der Fassade sticht in der ehrwürdigen Siedlung Bochumer Verein 1 aus den 1930er Jahren einfach hervor. Dabei ist das ganz Besondere auf den ersten Blick gar nicht so gut zu erkennen.

Eines der größten Gründächer auf einem Privathaus in Bochum

„Wir haben wahrscheinlich eines der größten Gründächer auf einem Privathaus in Bochum“, sagt Katharina Mottyll. Auf 143 Quadratmeter erstreckt sich die Wiese in luftiger Höhe. Als sie und ihr Partner Markus Henn in der Coronazeit über die Sanierung ihres Hauses nachgedacht haben, kam ihnen bald auch die Idee von einem Gründach in den Sinn. „Wir hatten von einer Fördermöglichkeit der Stadt gehört“, so Markus Henn. Das habe die Familie in ihrer Idee bestärkt, mehr an dem Haus zu tun als sie anfangs vorgehabt hat. „Die Förderung hat uns inspiriert, einen Schritt weiterzugehen.“

Mehr als 140 Quadramter Grün auf dem Dach hat Familie Mottyll/Henn in Bochum-Weitmar. Aus der erhofften Förderung des Gründachs ist allerdings nichts geworden.
Mehr als 140 Quadramter Grün auf dem Dach hat Familie Mottyll/Henn in Bochum-Weitmar. Aus der erhofften Förderung des Gründachs ist allerdings nichts geworden. © Katharina Mottyll

„Das Haus war definitiv eine Bruchbude“, sagt Katharina Motyll. „Wir wussten, dass der Dachstuhl im Anbau kaputt ist“, so Markus Henn. „Den haben wir erst nur geflickt.“ Auch das Haus hatte seine Tücken. „Im Krieg ist hier eine Bombe eingeschlagen, der Dachstuhl war ein bisschen verkohlt.“ Es war reichlich zu tun. Daher haben sich die Eheleute für eine umfangreiche energetische Sanierung entschieden. „Neues Dach, neue Fenster, neue Heizung, neue Türen, isolierte Wände.“

Energetische Sanierung hat viele Nerven gekostet

Herausgekommen ist ein schmuckes Heim, aber auch die Erkenntnis: „Mit meiner Erfahrung, die ich gemacht habe, würde ich komplett von einer energetischen Sanierung abraten“, sagt Katharina Mottyll. Ja, sie würden Energie sparen, und das Raumklima sei deutlich besser als vorher. Aber die Kommunikationsdesignerin und der Wasserbauingenieur haben viele Nerven gelassen.

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Der erste Energieberater sei nach einem Jahr abgesprungen, der zweite habe Fehler gemacht, dann haben sich zwischenzeitlich die Förderbedingungen geändert und schließlich habe es lange gedauert, bis ihr Förderantrag genehmigt wurde. „Wir standen kurz vor der Pleite“, so Henn, der gemeinsam mit seiner Frau die Planung und Bauüberwachung selbst übernommen hat. Einen Architekten haben sie für ihr Projekt nicht gefunden. „Kein Interesse“, hätten sie häufig gehört. Und dann seien da noch die Formulare, die sie geschafft hätten – im doppelten Sinn.

Stadt Bochum fördert Gründächer

Neuen Elan haben die Eheleute gewonnen, als sie in einem Telefonat erfuhren, dass die Förderung der Stadt für ein Gründach viel unkomplizierter verlaufen sollte. „Für die energetische Sanierung musste bei der Kfw-Bank und dem Bundesamt für Wirtschaft und Außenkontrolle alles vorher eingereicht werden. Der ganze Papiertiger muss geregelt sein, bevor auch nur ein Nagel in die Wand gekloppt ist“, so Markus Henn. „Daher war ich wirklich perplex, als ich von dem Architekturbüro, das die Stadt beauftragt hat, hörte, bei der städtischen Förderung des Gründdachs in Höhe von 50 Prozent müssten wir nach Abschluss der Arbeiten nur die Rechnung einreichen. Und dann haben wir gebaut.“

Am Ende habe sich aber herausgestellt, dass von den 32.000 Euro Kosten nur die Hälfte der reinen Dachbepflanzung, nicht aber der Dachstuhl selbst aus diesem Topf gefördert werden. Auch hätte vorher ein Angebot eingereicht werden müssen.

Eigenes Versäumnis und Schulterzucken bei der Verwaltung

„Sicher hätten wir beide uns schriftlich noch mal an das Büro und die Stadt wenden sollen, bevor wir anfangen“, sagt Katharina Mottyll. „Aber wir waren so extrem belastet mit dem Bau, der Arbeit, den Auswirkungen von Corona, dass wir einfach nur fertig werden wollten.“ Alle Versuche, im Nachhinein eine Lösung für die Versäumnisse zu finden, seien gescheitert. „Wir haben Bedauern gehört, aber sonst ...“

Enttäuscht sei sie auch darüber, dass sich im Nachhinein niemand dafür interessiert hat, was sie geleistet haben. „Die Geschichte gerade mit der Stadt hat mich persönlich fertig gemacht. Es wird so viel darüber geredet, was man alles machen kann für die Umwelt. Wir haben hier etwas Gutes geschaffen für Klimaschutz und Energieeffizienz, haben etwas aus einem alten Haus gemacht, das mal eine Bruchbude war. Und dann erntet man nur ein Schulterzucken.“

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Stadt verweist auf klare Regeln bei der Förderung

Die Förderung sei klar geregelt, heißt es bei der Stadt. Nach der Beratung vor Ort müsse der Antrag mit nur einem Angebot beim beauftragten Architekturbüro eingereicht werden. Entspreche der Antrag dann den Förderkriterien, erteile die Verwaltung den Förderbescheid. Wenn die Maßnahme umgesetzt ist, müssen Rechnungen, Überweisungsbelege und Fotos eingereicht werden. Ist alles geprüft, erfolge die Auszahlung der Fördergelder. Der gesamte Vorgang geschehe bis auf die Beratung vor Ort digital.

„Da auch nur ein Angebot eingereicht werden muss, ist der bürokratische Aufwand für eine Förderung aus Sicht des Fachamtes gering“, so Stadtsprecher Peter van Dyk. Und: „Die Einhaltung der Formalien ist notwendig, da die Auszahlung von Fördergeldern grundsätzlich transparent und nachvollziehbar sein muss.“ Tatsächlich habe es in diesem konkreten Fall weder eine Beratung vor Ort, sondern lediglich ein Telefonat gegeben. Auch sei kein Antrag gestellt worden.

„Stimmt“, sagen Katharina Mottyll und Markus Henn. Sie waren von anderen Voraussetzungen ausgegangen.