Bochum-Ost. Der Sparkurs der katholischen Kirche in Bochum nimmt eine überraschende Wende. Plötzlich droht einer Kirche das Aus, die man erhalten wollte.

Von einem „heißen Eisen“ spricht Berthold Jäger, der Vorsitzende des Gemeinderates Liebfrauen, wenn er auf den Sparkurs der katholischen Kirche im Bochumer Osten angesprochen wird. Denn im vom Bistum auferlegten Pfarreientwicklungsprozess (PEP), der bis 2030 andauert, gibt es eine überraschende Wende. Plötzlich steht wieder ein Kirchenstandort in Langendreer zur Debatte, den man eigentlich ziemlich sicher erhalten wollte.

Wende im Sparkurs: Pfarrei diskutiert neu über Kirchen-Aus

Der Pfarrgemeinderat regt nun nämlich an, eine Änderung bei der Planung der kirchlichen Standorte bis 2030 und darüber hinaus vorzunehmen. Langfristig soll es demnach in der Pfarrei Liebfrauen (umfasst die Gemeinden im Bochumer Osten und Norden) drei „Komplettstandorte“ geben, die durch eine Kirche und Versammlungsräume gekennzeichnet sind – also Gemeindeleben nur an einem Ort. „Wir halten es für falsch, zwischen den Standorten zu wechseln, also an dem einen den Gottesdienst zu feiern und anschließend zum Kaffeetrinken in das Gemeindehaus in einem anderen Stadtteil zu fahren“, erklärt Jäger.

Zwei dieser Komplettstandorte sollen laut Vorschlag des Pfarrgemeinderates die eindeutig festgelegten „A-Kirchen“ St. Elisabeth in Gerthe und Liebfrauen in Altenbochum sein. Für die Region Ost ergebe sich eine seit dem Votum zum Pfarreientwicklungsprozess geänderte Situation: „Damals gab es die Regionen noch nicht und Werne wurde gesondert behandelt. Heute gehören Werne mit der Herz-Jesu-Gemeinde und Langendreer mit den Gemeinden St. Bonifatius und St. Marien aber als Region Ost zusammen.“

Die Kirche St. Bonifatius in Bochum-Langendreer liegt oberhalb des Marktplatzes im Dorf, mitten in einem Wohngebiet.
Die Kirche St. Bonifatius in Bochum-Langendreer liegt oberhalb des Marktplatzes im Dorf, mitten in einem Wohngebiet. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Nun sei neu zu überlegen, ob es unter den neuen Bedingungen bei der St.-Bonifatius-Kirche als „A-Kirche“ bleiben soll. Dann würde dieser Standort zum Komplettstandort. „Boni“ galt als Favorit, weil dort wesentlich weniger in die Instandsetzung investiert werden müsste als in St. Marien. „Es ist aber ebenso auch denkbar, zu einem anderen Entschluss zu kommen, weil für die neue Region andere Bedingungen gelten als früher“, sagt Jäger.

Für den anstehenden Entscheidungsprozess hat der Pfarrgemeinderat daher folgende Kriterien vorgeschlagen: Wie zentral ist die Lage, wie lebendig der Stadtteil, wie sieht das soziale Umfeld aus? Wie gut ist der Standort zu erreichen? Wie sind die Parkmöglichkeiten? Wie wird die Kirche öffentlich wahrgenommen? Welche Möglichkeiten zur „Nutzbarmachung“ und Gestaltung von Kirche, Grundstück und Versammlungsräumen (ggf. durch Umbauten, Anpassungen an den tatsächlichen Raumbedarf etc.) gibt es?

Die Herz Jesu-Kirche in Bochum-Werne.
Die Herz Jesu-Kirche in Bochum-Werne. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Einige Punkte sprächen da auch durchaus für St. Marien als künftiger Komplettstandort für Ost, sagt Berthold Jäger. Auch Werne dürfe nicht vergessen werden. „Uns ist wichtig, dass wir bei den weiteren Überlegungen nicht nur vom Bestand ausgehen, sondern auch von den Möglichkeiten, die ein Standort bietet.“

Wichtig sei aber zunächst, dass man sich auf die Idee mit den drei Komplettstandorten einige. Der Ball liege nun beim Kirchenvorstand. „Erreichen wir Konsens, stellen wir die Idee dem Bischof vor.“ Erst danach gehe es um die Frage „Boni“ oder Marien. Oder Werne?

Das betont auch Propst Michael Ludwig, der Vorsitzende des Kirchenvorstandes, der seit einem Jahr zusätzlich zur Propstei-Pfarrei St. Peter und Paul auch die Pfarrei Liebfrauen leitet. Erstmal gehe es um den aktuellen Wunsch des Pfarrgemeinderates, sich innerhalb der Pfarrei auf drei Komplettstandorte zu konzentrieren. Dies sei im Gremium auch schon diskutiert worden, und er selbst finde die Idee auch durchaus nachvollziehbar. „Grundsätzlich sperre ich mich nicht dagegen.“

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Doch das Ganze sei „komplizierter, als der Pfarrgemeinderat denkt“, sagt Ludwig. „Wir müssen schon langfristig denken und durchrechnen, was das alles kostet und was wir in der Zukunft noch zu ertüchtigen hätten.“ Zur Gegenfinanzierung werde oft schnell eingeworfen, man könne ja andere Kirchenimmobilien verkaufen. „Doch welcher Investor wagt sich derzeit an solch große Projekte?“ Im Fall der Antonius-Kirche, die gerade zu Wohnraum umgebaut wird, habe erst der siebte Interessent zugegriffen.

Man müsse noch andere Überlegungen anstellen, so Ludwig. „Was passiert mit der Herz-Jesu-Kirche in Werne, wenn wir diesen Standort auflösen würden? Die ist denkmalgeschützt und kann nicht einfach so abgeschlossen werden.“ Die nächste Frage, die man sich stellen müsse: „Wie viele Gemeindemitglieder hat die Pfarrei in der Zukunft noch? Haben wir in fünf Jahren überhaupt noch genügend Priester in Bochum? Vielleicht müssen wir dann gar nicht mehr über Standorte reden.“

Im Bistum werde ohnehin schon weit über 2030 hinausgeschaut, weiß der Propst. „Verwaltungstechnisch ist dort bis 2040 nur noch von einer Kirche in Bochum die Rede.“

Bis 70 will der 66-jährige Michael Ludwig die Pfarreien noch leiten. „Bis dahin möchte ich diese Sache noch umgesetzt bekommen.“ Angefangen mit einem Votum des Kirchenvorstandes zum Wunsch des Pfarrgemeinderates. Er sei vorsichtig optimistisch, dass man das jetzt nach den Sommerferien hinbekomme.

Beteiligung erwünscht

Der Pfarrgemeinderat Liebfrauen lädt das Pfarreiteam Ost und alle interessierten Menschen dazu ein, die möglichen Standorte mit Hilfe der genannten Kriterien unter die Lupe zu nehmen. „Dabei soll es möglichst um eine sachliche Betrachtung der Gegebenheiten an allen denkbaren Standorten gehen“, sagt der Vorsitzende Berthold Jäger. Stellungnahmen nehme der Pfarrgemeinderat gerne entgegen.

Die Pfarrei Liebfrauen besteht aus den sieben Gemeinden Altenbochum, Laer, Langendreer, Werne, Harpen, Hiltrop, und Gerthe. Sie ist die drittgrößte Pfarrei im Bistum. Die Pfarrei St. Peter und Paul wurde aus den Gemeinden Innenstadt, Hamme, Riemke, Hofstede, Grumme und Ehrenfeld gebildet.

Ein Pfarrgemeinderat beschäftigt sich mit pastoralen, also inhaltlichen Themen, der Kirchenvorstand hat die Finanzen im Blick. Gemeinsam treffen die beiden Gremien Entscheidungen, die dann dem Bistum vorgelegt werden. Es gebe dazu einen übergeordneten Koordinierungsausschuss, der aus Vertretern beider Gremien bestünde, so Propst Michael Ludwig. Das Miteinander laufe in der Pfarrei Liebfrauen sehr gut.