Bochum. Bochum Total finanziert sich auch über den Getränkeverkauf. Doch das Modell gerät ins Wanken. Die Konkurrenz bei Bier & Co. ist groß: und billig.

Der Getränkeverkauf ist eines der Standbeine, auf dem Bochum Total ruht. Doch das Geschäftsmodell, das Handel, Hotellerie und Gastronomie stadtweit Millionen-Umsätze beschert, könnte ins Wanken geraten. Während die Preise an den 17 offiziellen Getränkeständen angehoben wurden, bieten Händler im Umfeld des Festivals vor allem Bier mitunter zu Kampfpreisen an. Die Preisschere klafft immer weiter auseinander – zum Leidwesen der Veranstalter.

Dose statt Becher: Viele Bochum-Total-Besucher bedienen sich an den Verkaufsständen im Umfeld des Festivals. Dort ist es deutlich billiger als an den offiziellen Getränkeständen.
Dose statt Becher: Viele Bochum-Total-Besucher bedienen sich an den Verkaufsständen im Umfeld des Festivals. Dort ist es deutlich billiger als an den offiziellen Getränkeständen. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

„Wir sind ein frei finanziertes Festival“, betonte BO-Total-Macher Marcus Gloria am Samstagabend bei einer exklusiven WAZ-Führung für acht Gewinnerinnen und Gewinner. Neben Sponsorengeldern (u.a. von der Sparkasse und den Stadtwerken), Standmieten, T-Shirts und Festivalbändchen seien es die Einnahmen aus dem Getränkeverkauf, die es möglich machten, Europas größtes Umsonst-und-draußen-Festival finanziell zu stemmen.

Bochum Total: Lange Schlangen vor einem Supermarkt

Alle Jahre wieder wird deshalb an die Besucher appelliert: „Versorgt euch an unseren Ständen!“ Doch seit Donnerstag ist mehr denn je zu beobachten: Das zumeist junge Publikum greift vielfach woanders zu. Während der Preis für einen 0,3-Liter-Becher Bier im BO-Total-Ausschank auf vier Euro angehoben wurde, ist die Konkurrenz im und rund ums Bermudadreieck deutlich billiger.

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Lange Schlangen bilden sich vor dem Rewe-Supermarkt auf der Partymeile, der 0,5-Liter-Dosen Bier für 1,25 Euro verkauft. Eine Pizzeria wenige Meter weiter ruft 2,25 Euro für den halben Liter auf, AC/DC aus der Lautsprecherbox inklusive. Viele Teenager bringen ihre Getränke selbst mit: in Plastikflaschen mit hochprozentigem Inhalt. „Als Schüler können wir die Preise hier nicht bezahlen“, sagen Lennard und Tim (beide 17), die mit Freunden ein Fünf-Liter-Bierfass auf den Sitzbänken auf der Viktoriastraße leeren.

Bochum-Total-Macher Marcus Gloria (links) führte acht WAZ-Leserinnen und -Leser über das Gelände. Ein Thema: die Finanzierung des Umsonst-und-draußen-Festivals.
Bochum-Total-Macher Marcus Gloria (links) führte acht WAZ-Leserinnen und -Leser über das Gelände. Ein Thema: die Finanzierung des Umsonst-und-draußen-Festivals. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Bands und Künstler erhalten eine einheitliche Gage

Umsätze in Höhe von 14 Millionen Euro werden durch das viertägige Festival in Bochum generiert. So weist es ein Gutachten aus der Vor-Corona-Zeit aus. Umso höher bewertet Marcus Gloria den Anteil der teilnehmenden Bands am Erfolg. BO-Total-Regel sei von je her: Alle erhalten eine einheitliche Gage. Die, so Gloria, liege „im unteren dreistelligen Bereich“, weit entfernt von den Summen, die üblicherweise in der Branche gezahlt werden. Hinzu kämen – bei Bedarf – gleichfalls überschaubare Reisekosten. Essen und Trinken gibt’s vor Ort gratis, ein Zimmer im Festival-Hotel Tucholsky bei längeren Anreisen ebenso.

Ohne die Bereitschaft der in diesem Jahr 70 Bands und Künstler, für das schmale Salär zu spielen, wäre Bochum Total „unmöglich“, bekräftigt Marcus Gloria. Denn: Jeder Auftritt schlage mit rund 3500 Euro Produktionskosten zu Buche. Kämen die andernorts üblichen Gagen obendrauf, ginge die Rechnung nicht mehr auf.

Musiker verstehen das Festival auch als Sprungbrett

Furcht vor einem Aus für Bochum Total erscheint dennoch unbegründet. Bei diesmal wohl mehr als 600.000 Besuchern dürften auch an den Festival-Getränkeständen noch reichlich Becher gefüllt werden. Und: Viele Bands verstehen BO-Total (Motto: „Heute schon sehen, was man morgen hört“) auch als Sprungbrett für eine große Karriere. Beispiele gibt es zuhauf. The BossHoss, Casper, Clueso, Silbermond, Bosse, Wir sind Helden, Mark Forster, Kraftklub, Seeed und Culcha Candela standen auf den Bochumer Bühnen, bevor sie zu Stars wurden.

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