Bochum-Laer. Straßen, Radwege, Bürgersteige. An einigen Stellen gleicht Bochum einem Hindernisparcours, beklagen Bürger. Oft geht es um Verkehrssicherheit.
„Hoppla“. Abrupt gehen die beiden Hände an die Bremsen und ziehen sie beherzt. Keine Notbremse, aber schon ein schneller Halt. Wir sind auf der „Alte Wittener Straße“ in Laer stadteinwärts unterwegs. Direkt vor dem Radfahrer wird es auf einmal grün. Und das ist nicht das Ampelsignal, sondern ein ausladender Ast mit reichlich Blattwerk, der nahezu den gesamten Radweg versperrt.
Viele Hinweise von Leser auf Äste, die auf Straßen, Bürgersteige und Radwege ragen
Kann ja mal vorkommen. Ist in Bochum aber kein Einzelfall, wie Hinweise von Lesern an die Redaktion zeigen. „Auf der Feldmark am Ostpark ragen seit einigen Tagen dichte buschige Zweige einen Meter weit in die Fahrbahn hinein“, heißt es in einer Mail, die zudem ein eindrucksvolles Foto enthält.
Auch an anderen Stellen im Stadtgebiet wuchert es. An der Hevener Straße ist in Höhe der Bushaltestelle am Hafen kein Vorbeikommen, weil die Äste über den kompletten Bürgersteig ragen. Am Neggenborn in Langendreer reicht das schwere Blattwerk beinahe bis auf den Boden des Radwegs. Und auf der Straße „Im Brauke“ in Wiemelhausen gibt es auf einem Abschnitt ein „Eldorado für Brombeersammler“, wie ein Leser an die WAZ-Redaktion schreibt. Der Bürgersteig indes ist nicht begehbar.
200 Beschäftigte sind bei der Stadt für „Grünarbeiten“ zuständig
Und die Stadt tut nichts – lautet der mal offen ausgesprochene oder verhohlen gemeinte Vorwurf.
Tatsächlich haben die Mitarbeiter des Technischen Betriebs, von denen sich 200 tagtäglich mit sämtlichen Aufgaben rund um das Grün der Stadt beschäftigten, vom Rasenschnitt über die Spielplatzpflege bis zur Pflege von Bäumen und Sträuchern, gerade in diesen Wochen alle Hände voll zu tun. 20 Mitarbeiter sind allein dafür zuständig, Sträucher zu schneiden und Astwerk zu stutzen.
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Baumpflege-Kolonne war drei Wochen lang im Stadtpark im Einsatz
So wie Forstwirt Harald Lübke (62) und Garten- und Landschaftsbauer Jafar Dewa (26), die am Mittwoch in Gerthe auf dem Marktplatz an den eindrucksvollen Linden mit Motorsäge und Reißhaken das Astwerk bis zu einer Höhe von etwa zwei Metern entfernen. „Einmal im Jahr machen wir das etwa“, schätzt Harald Lübke. Aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht. „Aber auch weil es einfach schöner aussieht. Wir müssen ja gelegentlich auch zum Frisör“, scherzt der 62-Jährige.
Gemeinsam mit seinem Kollegen hat er gut zu tun. Ruckzuck liegt auf dem Boden unter der Linde eine großer Berg von Ästen und Blättern. Wohlgemerkt, von nur einem Baum. „Wenn wir mit der Pritsche unterwegs sind, müssen wir zweimal am Tag zur Stiftstraße fahren und den Wagen leeren“, sagt Lübke und zeigt auf das orangene Fahrzeug mit der Ladefläche. Bei der morgendlichen Einsatzbesprechungen mit Christian Hohaus, dem Betriebsleiter Baumservice, haben sie ebenso wie die anderen Kolonnen ihre Tagesaufträge für mehrere Stellen im Stadtgebiet erhalten. „Davor sind wir drei Wochen lang nur im Stadtpark gewesen“, sagt Jafar Dewa. Da habe es viel zu tun gegeben. Drei Wochen Strauch- und Baumscheibenpflege.
Stadt pflegt 32.000 Bäume und weitere 300.000 Waldbäume
Denn: Der Baumbestand in Bochum ist groß. Um 32.000 Straßenbäume und etwa 300.000 Bäume, die an Waldrändern stehen, kümmern sich die Kolonnen des Technischen Betriebs, so Stadtsprecher Peter van Dyk. Sie arbeiten dabei entweder die Einsatzpläne ab oder erledigen Arbeiten, auf die Bürgerinnen und Bürger über den städtischen Mängelmelder aufmerksam machen. „Und das hat Priorität“, versichert der Stadtsprecher.
Trotzdem fallen vielen Menschen Stellen im gesamten Stadtgebiet auf, an denen dringend etwas getan werden müsste. So wie „Im Brauke“. „Ja“, sagt Peter van Dyk. „Das haben wir auf dem Zettel.“ Allerdings: Die Brombeerpflanzen dort ragen von einem privaten Grundstück auf den öffentlichen Bürgersteig. Der Eigentümer sei bereits aufgefordert worden, sich darum zu kümmern. Erst wenn dies nach mehrmaliger Ansprache nicht geschehe oder wenn Gefahr im Verzug sei, werde die Verwaltung sofort aktiv.
Kontrollgänger laufen im Jahr fast einmal um die Erde
Die Pflegeteams rücken nicht zuletzt dann aus, wenn die neun Kontrollgänger der Stadt auf dem etwa 1000 Kilometer langen Straßennetz Bochums Stellen entdecken, an den Pflegearbeiten wie zum Beispiel das Zurückschneiden von Bäumen und Sträuchern notwendig sind. „Die Kontrollgänger kommen zusammen jährlich auf eine Wegstrecke von 39.500 Kilometer“, sagt Stadtsprecher van Dyk. Also fast einmal um die ganze Erde.
Je nach Verkehrsbedeutung der Straße werden diese wöchentlich, wie bei Hauptverkehrsstraßen und Fußgängerzonen, bis hin zu einem zweimonatigen Rhythmus bei kleineren Anlieger- und Gemeindestraßen auf Schäden kontrolliert, die die Verkehrssicherungspflicht einschränken. Für die grundsätzliche Reinigung ist der USB zuständig. Bei stärkeren Bewuchs rückt der Technische Betrieb an, gerade dann wenn es um die Verkehrssicherung geht.
Die muss den Kontrolleuren in Laer an besagter Stelle entgangen sein. Der weit auf den Seitenstreifen ragende Rast stört nicht nur Radfahrer. Er verhindert auch den Blick auf ein nicht unwichtiges Schild: „Achtung, Baustellenausfahrt“. Das sollte besser zu lesen zu sein.