Bochum. Für das Mega-Wohnbauprojekt „Havkenscheider Höhe“ in Bochum muss ein ganzer Wald gerodet werden. Das allerdings stößt auf scharfe Kritik.

Für das große städtische Wohnbauprojekt „Quartier Havkenscheider Höhe“, das Tausenden Menschen ein modernes neues Zuhause geben wird, sollen rund drei Hektar Wald gerodet werden. Das entspricht einer Fläche von mehr als vier Fußballfeldern. In der Nachbarschaft stößt dies auf scharfe Kritik und Unverständnis.

„Mich stört, dass die Stadt den Umweltschutz so groß schreibt, ihn dann aber auf die Müllkippe wirft, wenn es um große Geschäfte geht“, sagt ein Anwohner, der unmittelbar neben dem wohl todgeweihten Wald lebt.

Endgültiger Bebauungsplan liegt noch nicht vor, nur der Entwurf

Hier soll gebaut werden.
Hier soll gebaut werden. © Karte: Tatjana Batt

Es geht um das Mega-Projekt „Ostpark: Neue urbane Wohnquartiere im Grünen“, wie es offiziell heißt. Rund 1100 Wohneinheiten werden dem Plan zufolge auf zwei unabhängigen Arealen gebaut: dem Quartier Feldmark in Altenbochum und dem Quartier Havkenscheider Höhe ein paar Hundert Meter weiter östlich in Laer. Während an der Feldmark die ersten Gebäude schon hochgezogen werden, besteht in Laer lediglich ein Entwurf vom späteren Bebauungsplan.

600 Wohneinheiten sind geplant

Rund 600 Wohneinheiten sollen auf der Fläche zwischen Havkenscheider Straße, Werner Hellweg und Sudbeckenpfad (bei Lidl) entstehen – der Großteil Mehrfamilienhäuser, aber auch Reihenhäuser mit einer geringen Grundfläche auf mehreren Etagen („Townhouses“), frei stehende Einfamilienhäuser und „Stadtvillen“. Nördlich davor entsteht ein Teil des „Havkenscheider Parks“ mit Wasserlauf und Freiflächen; in seinen Grundzügen ist er schon jetzt teilweise erkennbar, auch einige Jungbäume wurden schon gepflanzt.

Der Großteil der später zu überbauenden Fläche ist Wald. Wilder Wald. Kaum zugänglich. „Das ist Natur pur“, sagt der Anwohner. „Wir beobachten hier Füchse, Goldfasane, zwei große Greifvögel, auch Bussarde und Sperber.“ Auch ein Reh hat der Mann dort schon gesehen. „Ich bin begeistert.“

Riesige Erdhügel wurden aufgeschichtet für das spätere Baufeld

Von seinem Zuhause aus kann er den Wald gut sehen. Seit einigen Monaten verfolgt er auch die Bagger und die Lastwagen, die am nördlichen Rand des Waldes gewaltige Mengen Erdreich zu großen Hügeln aufgeschichtet haben: Material, das später für den Bau der Havkenscheider Höhe genutzt werden wird. Es handelt sich um den Bodenüberschuss, der aus dem bereits fast abgeschlossenen Bau der Entwässerungsanlagen für das Quartier Feldmark und den Havkenscheider Park stammt.

Der Entwurf für die künftige Wohnbebauung „Quartier Havkenscheider Höhe“ in Bochum. Schräg rechts der Werner Hellweg, oben links der Sudbeckenpfad. Noch steht hier überwiegend Wald. Links unten der östliche Teil des künftigen Havkenscheider Parks.
Der Entwurf für die künftige Wohnbebauung „Quartier Havkenscheider Höhe“ in Bochum. Schräg rechts der Werner Hellweg, oben links der Sudbeckenpfad. Noch steht hier überwiegend Wald. Links unten der östliche Teil des künftigen Havkenscheider Parks. © Stadt Bochum

Der Wald, der dem späteren Wohnquartier weichen soll, befindet sich im Eigentum der Stadt Bochum und teils in privater Hand. Der Entwurf des Bauprojektes wurde Ende 2021 vom Rat der Stadt zur Umsetzung beschlossen. Wie Stadtsprecher Peter van Dyk auf Anfrage erläutert, werde er zurzeit „weiter detailliert ausgearbeitet“ sowie das Baurecht vorbereitet. „Konkret bedeutet dies, dass im nächsten Schritt ein Entwurf des Bebauungsplanes öffentlich ausgelegt werden soll. Dieses Vorgehen ist Teil der gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligung der Öffentlichkeit.“

Dieser einige Hundert Meter tiefe Wald auf der Fläche des künftigen Wohnbauprojektes Havkenscheider Höhe“ soll gerodet werden.
Dieser einige Hundert Meter tiefe Wald auf der Fläche des künftigen Wohnbauprojektes Havkenscheider Höhe“ soll gerodet werden. © Bernd Kiesewetter

Davor werde aber noch die Frage geklärt, „wo und wie die Kompensation des Waldes genau ausgeführt wird“. Die Stadt als Bauherr ist verpflichtet, Ersatzpflanzungen sicherzustellen. In Bochum. Am Ende entscheidet die Politik. Ersatzpflanzungen aber, kritisiert der Anwohner, brauchen Jahrzehnte, bis sie zu einem neuen Wald gewachsen sind.

Naturschutzbeirat: „Bäume sind von herausragender Bedeutung“

Ablehnung kommt auch vom Bochumer Naturschutzbeirat. Schon mehrfach hat er sich eindeutig gegen jegliche Baumfällungen ausgesprochen. Auch in diesem konkreten Fall lehnt er dies klar ab. Vorsitzender Fritz Ludescher sagt auf WAZ-Anfrage: „In Zeiten des Klimawandels und des Artensterbens ist der Erhalt der Bäume von herausragender Bedeutung, insbesondere im städtischen Bereich.“ Und weiter: „Der NSB fordert schon lange, die Planungen an den Baumbestand anzupassen und nicht umgekehrt.“

Bauzeitplan steht noch nicht fest

Ein genauer Zeitplan, wann das Baugebiet „Havkenscheider Höhe“ erschlossen und bebaut wird, steht noch nicht fest. Bis 2026, so heißt es auf der Internetseite der Stadt, soll das Projekt entstehen.

Noch können sich Interessenten nicht bewerben. Es werden viele sein, denn die Nachfrage nach Wohnraum am Quartier Feldmark war so groß, dass die Stadt all diejenigen, die leer ausgegangen waren, auf die Havkenscheider Höhe verwies.

Fabian Krömling, planungspolitischer Sprecher der Grünen in Bochum, äußert sich gegenüber der WAZ einerseits positiv: „Für uns geht die Entwicklung des Quartiers in die richtige Richtung.“ Die Entwürfe „fördern eine positive Entwicklung in Laer.“ Zumal: „Im Freiraum nördlich des Baugebiets werden jetzt schon neue Naherholungs- und Naturräume gebaut.“

Grüne: „Für die Zukunft muss Wald als potenzielles Baugebiet ausgeschlossen werden“

Allerdings: „Die Kompensation der drei Hektar Wald im Gebiet stellt eine Herausforderung dar. Es ist absehbar, dass wir dafür etwa acht Hektar neuen Wald in Bochum anpflanzen müssen, um dies auszugleichen.“ Waldarme Städte wie Bochum müssen mehr neuen Wald anpflanzen als gerodet worden.

Die Suche nach geeigneten Flächen gestalte sich „schwierig“, so Krömling, „aber wir haben der Verwaltung bereits Vorschläge für sechs Hektar in der näheren Umgebung unterbreitet.“ Er betont: „Für die Zukunft muss Wald als potenzielles Baugebiet ausgeschlossen werden.“