Bochum. Vor 20 Jahren wurde die Rottstraße 5 erstmals für Theater und Kunst entdeckt. Seitdem wuchs das triste Gelände zum bedeutenden Kulturquartier.

Es gibt gewiss schönere Ecken in Bochum als die nüchtern betonierte Einfahrt zum Hof an der Rottstraße 5 – und doch pulsiert hier seit fast genau 20 Jahren das künstlerische Leben in all seinen Facetten. Theater, Kunst, Musik, Literatur, Tanz: Die geschwungenen Räume unter der Eisenbahnbrücke haben Künstler vieler Couleur angezogen. Manche sind nur kurz geblieben, andere sehr viel länger. So ist „Rottstr5“ zu einem Kreativquartier geworden, das weit und breit einmalig sein dürfte.

Künstlerquartier Rottstraße 5 feiert 20-jähriges Bestehen

Einer der ersten, die das schmucklose Areal kurz hinter dem Westring für künstlerische Zwecke entdeckten, war Manfred Duch. Der ehemalige Architekt und Stadtplaner aus Datteln kam nach seiner Pensionierung 2003 nach Bochum, um hier ein neues Leben zu beginnen. „Ich habe dann Räume gesucht, in denen man künstlerisch aktiv werden kann“, sagt er.

Feierstunde mit Ausstellungseröffnung

Unter dem Titel „80/20“ wird am Mittwoch, 17. Mai, ab 18 Uhr an der Rottstraße 5 auf das 20-jährige Bestehen angestoßen. In den Kunsthallen wird eine umfangreiche Einzelausstellung mit Malerei und Objekten von Manfred Duch eröffnet. Im Hof der Rottstraße 5 wird gefeiert. Eintritt frei.

Bereits am Sonntag, 14. Mai, findet um 12 Uhr im Kunstmuseum (Kortumstraße 147) eine musikalische Performance von Christiane Conradt zu „80/20“ statt. Auch hier ist der Eintritt frei. Infos: rottstr5-kunsthallen.de

Seine erste Wahl fiel auf ein ehemaliges Schulgebäude an der Haarstraße in Stiepel, kurz danach hörte er von freiwerdenden Räumen an der Rottstraße. „Damals war nebenan ein Geschäft für Schrauben und Dübel sowie eine Fensterproduktion. Der Besitzer lagerte hier seine Kunststofffenster.“ In der heutigen Halle 5 im hinteren Teil des Geländes war ein Lager für luxuriöse Särge: „Als der Markt dafür dann einbrach, weil sich viele lieber in Urnen beerdigen lassen wollten, wurde auch dieser Raum frei.“

Künstler, Schauspieler und Theatermacher zogen die tristen Hallen an

Manfred Duch mietete die ersten beiden Hallen an – und es dauerte nicht lang, bis sich einige Gleichgesinnte dazugesellten. Gleich zu Beginn wurde der Künstlerverein Tableau gegründet, in dem überwiegend lokale, befreundete Künstlerinnen und Künstler ihre Werke zeigten. Dazu zählten die Schauspielerin Lena Schwarz, die damals am Schauspielhaus engagiert war, und der Künstler Krzysztof Gruse. „Da der Ort immer wieder neue Akteure anzog, blieb er ständig im Wandel“, so erzählt es die Cellistin Christiane Conradt, die ebenfalls zum Gründungsteam gehört.

Der Architekt Manfred Duch leistete an der Rottstraße 5 echte Pionierarbeit: Er war vor 20 Jahren der erste, der die Hallen für Kunst entdeckte.
Der Architekt Manfred Duch leistete an der Rottstraße 5 echte Pionierarbeit: Er war vor 20 Jahren der erste, der die Hallen für Kunst entdeckte. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Aus dem Verein Tableau wurde die Produzentengalerie Rottstr. 5. Die Nähe zum Schauspielhaus lockte weitere Theatermacher an. Unvergessen bleibt die allererste Premiere: Tschechows „Drei Schwestern“ wurde 2008 in der zweiten Halle (neben dem heutigen Theatersaal) unter gewaltigem Jubel aufgeführt. In der Regie des Dramaturgen Martin Fendrich spielten Lena Schwarz, Karin Moog und Martina Eitner-Acheampong die ungleichen Schwestern – und jedes Mal, wenn wieder eine Bahn übers Dach bretterte, riefen sie: „Auf nach Moskau!“

Die geschwungenen Halbrundbögen sind ein Markenzeichen der Kunsthallen Rottstraße 5, die seit 20 Jahren von Kreativen aller Art genutzt werden.
Die geschwungenen Halbrundbögen sind ein Markenzeichen der Kunsthallen Rottstraße 5, die seit 20 Jahren von Kreativen aller Art genutzt werden. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Kurz später wurden die Theaterpläne ernst: 2009 gründeten Arne Nobel, Martin Fendrich und Hans Dreher (heute Leiter des Prinz-Regent-Theaters) das Rottstr.5-Theater, das heute zu den wichtigsten Off-Bühnen in NRW gehört. Auch die übrigen Hallen mauserten sich beachtlich: Inmitten des kreativen Chaos der H.O.F.-Galerie in der Halle 5 gibt es regelmäßig improvisierte Musik, Tanzperformances und Lesereihen. Nahezu wöchentlich gibt Christiane Conradt in ihrer „Ritual“-Reihe 20-minütige Cello-Konzerte.

Pionierarbeit hat viele Spuren hinterlassen

Echte Pionierarbeit ist es also, die Manfred Duch hier vor 20 Jahre vollbracht hat. Vor allem freut es ihn, dass die Rottstraße 5 als Keimzelle viele Künstler angelockt hat, die mittlerweile längst in anderen Teilen der Innenstadt tätig sind. Man denke etwa an das Zeitmaultheater, das Atelier Automatique oder die Kreativszene am Kortländer und in der Speckschweiz. „Von hier aus sind einige Künstler ausgeschwärmt und haben das kulturelle Leben in Bochum bereichert“, sagt er.

Und die Glückauf-Bahn, die zuverlässig jede halbe Stunde über die Rottstraße 5 rollt? „Irgendwann hört man sie gar nicht mehr.“