Bochum. In „Das Tierreich“ spielen zehn Schauspielstudierende in Bochum über 20 Rollen. Die vielen kleinen Geschichten auf der Bühne machen großen Spaß.

Sommer, Sonne, Dosenbier: Mit der gut gelaunten Teenagerkomödie „Das Tierreich“ erzählen die Schauspielstudenten des dritten Jahrgangs der Folkwang-Uni eine zauberhafte Geschichte vom Erwachsenwerden. In rund 100 atemlosen Minuten gehen Dutzende oft rasend kurzer Szenen über die Bühne der Kammerspiele in Bochum, es wird nach Herzenslust gelacht, geküsst, getanzt und gestritten. Das ist Schauspiel in seiner reinsten Form – und ein feiner Spaß fürs Publikum.

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Premiere für die Schauspielstudenten in Bochum

Umso schöner wirkt dieser Abend, wenn man bedenkt, dass die traditionellen Leistungsschauen der Schauspielschüler zuletzt unter keinem guten Stern standen. Die Aufführung von „Die Vereinigten Staaten von Amerika gegen Herbert Nolan“ in der Zeche Eins musste im Frühjahr 2020 am Tag der Premiere abgesagt werden, weil ein geheimnisvolles Virus die Menschheit heimsuchte. „Verbundensein“ nach einem Essay von Kae Tempest wurde im vergangenen Jahr als Live-Stream aufgeführt, litt aber erheblich unter der Schwere eines kaum zu durchdringenden Textes.

Infos und Spieltermine

Die Aufführung von „Das Tierreich“ dauert etwa 100 Minuten ohne Pause. Wieder zu sehen am 11., 30. und 31. März sowie 5. und 6. April. Vor den Vorstellungen am 30. März und 6. April gibt es Einführungen.

Die Schauspielschüler nutzen ihre Auftritte auch, um Geld für den guten Zweck zu sammeln. So wurde nach der Premiere für eine Hilfsorganisation in Syrien gesammelt.

Karten und Infos: 0234 33 33 55 55 und schauspielhausbochum.de

Doch diesmal soll alles ganz anders werden: Erstmals seit langer Zeit steht den Eleven für ihre große Premiere wieder die Kammerbühne offen, das Stück des Autorenduos Nolte Decar bietet den zehn jungen Darstellerinnen und Darstellern reichhaltiges Spielfutter. Und mit Friederike Heller wurde eine erfahrene Regisseurin verpflichtet, die offenkundig eine Menge Schwung in die bunte Truppe gebracht hat – und dazu gleich noch ihren langjährigen Bühnenpartner Peter Thiessen mitbringt. Der Ex-Bassist der Band Blumfeld begleitet das muntere Spiel mit Rock- und Synthie-Klängen live am Bühnenrand.

20 Schüler erleben einen berauschenden Start in die Ferien

„Das Tierreich“ erzählt von einer Gruppe von 20 Oberstufenschülern des Hindenburg-Gymnasiums während der ersten Tage der Sommerferien. Sechs Wochen schier endloser Freiheit liegen vor ihnen, da vertrödeln sie ihre Zeit mit lauter angenehmen Dingen des Lebens. Die einen spielen Federball, die andere gründen eine Punkband. Einer rast mit dem E-Scooter über die Bühne, zwei andere vergnügen sich auf dem Badehandtuch in der Dämmerung. Ein Pärchen droht im Streit zu zerbrechen, die nächste vermisst ihren geliebten und vermeintlich gestohlenen Chinchilla.

Eine Gruppe von Oberstufenschülern erlebt in „Das Tierreich“ einen unvergesslichen Sommer.
Eine Gruppe von Oberstufenschülern erlebt in „Das Tierreich“ einen unvergesslichen Sommer. © Birgit Hupfeld

Weil den Autoren das schöne Durcheinander und die vielen Auf- und Abgänge offenbar nicht genug sind, blenden sie noch eine zusätzliche Ebene ein, die aber etwas arg ausgedacht wirkt. Eine Frachtmaschine verliert beim Flug über der Schule einen ausgewachsenen Leopard-2-Panzer, der mit lautem Getöse mitten auf die Bühne von Sabine Kohlstedt kracht. Ob das Flugzeug auf dem Weg in die Ukraine war, wird nicht geklärt (das Stück wurde 2014 uraufgeführt). Fortan steht das Kriegsgerät wie ein riesiger Fremdkörper dort herum und wird witzigerweise von den jungen Leuten bald kaum noch groß beachtet. Denn was ist schon ein Panzer gegen die Kraft der ersten großen Liebe?

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Make love, not war

„Make love, not war“: Der alte Hippie-Slogan könnte wie ein Grußwort über der Aufführung stehen, die freies Denken ebenso feiert wie die Lust auf eine unbeschwerte Zeit. Die Schauspielschüler sind mit sichtlichem Eifer dabei, jeder von ihnen spielt (mindestens) zwei Rollen: mal Mädchen, mal Junge, mal Chinchilla. Hinter den Kulissen hechten sie unablässig von einem Kostüm ins nächste, am Ende werden Umzüge immer kurioser.

Beim Zuschauen fällt es nicht immer ganz leicht, die vielen Figuren und Geschichten auseinanderzuhalten. Wer gerade Lilli Meier und Sven Schubert ist und warum Regine Hummel ausgerechnet Babet Müller nicht ausstehen kann, bleibt gelegentlich ein Rätsel. Wer es genau wissen möchte: Die Steckbriefe zu jedem einzelnen der Hindenburg-Schüler finden sich im Programmheft. Riesiger Jubel für das fulminant aufspielende Ensemble!