Bochum. Ob Blumenwiese oder Bühnenbild-Recycling: Bei Bochumer Kultureinrichtungen wird vieles diskutiert. Gelingt es, die Klimabilanz zu verbessern?
Als Johan Simons im November 2018 im Schauspielhaus Bochum seine Intendanz antrat, ließ er zur Eröffnung das Stück „Die Jüdin von Toledo“ spielen. Eine nicht unwichtige Rolle spielte darin eine riesige Wand aus Styropor, die nach der Pause kurz und klein geschlagen wurde. Am Ende lagen die weißen Fetzen überall auf der Bühne verteilt. Das sah zwar imposant aus, war aber eine echte Umweltsünde, denn Styropor muss als Sondermüll entsorgt werden. So landete nach jeder Vorstellung ein Haufen aufgeschäumter Kunststoff beim Wertstoffhof.
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Kultureinrichtungen in Bochum stemmen sich gegen die Klimakrise
„Damals hat man sich darüber noch keine Gedanken gemacht, aber heute wäre das nicht mehr vorstellbar“, sagt die Schauspielerin Veronika Nickl. Vor knapp drei Jahren war sie am Theater eine der Mitbegründerinnen der Klima-AG, in der überlegt wird, wie das Schauspielhaus eine bessere Klimabilanz erreichen kann. Zweimal im Monat trifft sich die etwa zehnköpfige AG, die aus Mitarbeitern aus vielen Bereichen des Hauses wie Technik, Requisite, Dramaturgie und dem Ensemble besteht.
Kommt bald das Kombi-Ticket für Theater und ÖPNV?
Schon länger in der Diskussion ist ein Kulturticket, das von den Zuschauern als Eintrittskarte fürs Theater und Konzert sowie als Fahrschein für den ÖPNV genutzt werden kann. „So würden wesentlich weniger Besucher mit dem Auto zu uns kommen, was total klimafreundlich wäre“, meint Dramaturgin Dorothea Neweling.
Doch natürlich ist die Einführung eines solchen Kombi-Tickets vor allem eine Kostenfrage. Die Symphoniker sind da eher zögerlich: „Wir wollen erst prüfen, wie sinnvoll das ist und ob die Besucher sich das wirklich wünschen“, sagt Sprecherin Christiane Peters.
Seither ist einiges passiert: Es gab neun Nachhaltigkeitsforen unter dem Titel „Wie wollen wir hier leben?“ sowie zwei große Klima-Wochenenden, an denen sich auch andere Kultureinrichtungen wie die Symphoniker, das Kunstmuseum und das Planetarium beteiligt haben. „Die Menschen für dieses wichtige Thema zu sensibilisieren, ist eines unserer größten Anliegen“, sagt Veronika Nickl. Das nächste Klimaforum ist am Sonntag, 5. März, um 14 Uhr im Tanas geplant, zu dem jeder willkommen ist.
Bühnenbild mit torffreier Erde
Doch nur darüber zu reden, ist natürlich zu wenig: „Es muss auch etwas getan werden“, meint die Dramaturgin Dorothea Neweling. Maßnahmen zum Energiesparen gibt es einige: von der Benutzung von Waschlappen statt Wattepads in der Maske bis zur Wiederverwendung von Teilen der Bühnenbilder. So wurde die sogenannte „Welthütte“, die früher bei der Ruhrtriennale im Einsatz war, als Spielstätte im mittleren Foyer recycelt. Der hochglänzende PVC-Boden aus „Mit anderen Augen“ wird mittlerweile bei drei Produktionen in den Kammerspielen verwendet, statt ihn immer wieder neu herzustellen.
Die Programmhefte werden überwiegend auf umweltfreundlichem Papier gedruckt. Der große Erdhügel in „King Lear“ war nicht wie ursprünglich geplant aus Torf, sondern aus torffreier Erde. Auch Inlandsflüge werden nicht mehr genehmigt. Und es gibt einige Ideen: von einer Blumenwiese vor den Kammerspielen über eine Begrünung des Theaterdachs bis zum Aufstellen von Solarzellen auf dem Malersaal. „Dort könnten dann E-Bikes aufgeladen werden, aber das ist noch Zukunftsmusik“, sagt Dorothea Neweling.
Manchmal braucht es missionarischen Eifer
Es brauche nicht selten einigen „missionarischen Eifer“ und Überzeugungsarbeit, um solche Maßnahmen auch durchzusetzen, berichtet Veronika Nickl. „Das ist gegenüber den Kollegen nicht immer einfach. Wir sind schließlich nicht die Klima-Polizei.“ Dabei soll klimabewusstes Denken im Schauspielhaus bald noch viel weiter gehen: Ein Referent für Nachhaltigkeitsentwicklung (halbe Stelle) soll ab April seinen Dienst antreten, die Bewerbungen laufen. „Bis Ende des Jahres hoffen wir auf eine Zertifizierung beim Umweltmanagementsystem EMAS, das von der Europäischen Union entwickelt wurde“, sagt Neweling. „Doch bis dahin müssen noch eine Menge Daten gesammelt und ausgewertet werden.“
Eine Reihe von Maßnahmen zur CO2-Reduktion hat auch das Kunstmuseum auf den Weg gebracht. Das betrifft vor allem den Leihverkehr: Während die Kunstwerke für neue Ausstellungen früher teils um die halbe Welt geflogen wurden, wird mittlerweile vieles aus der eigenen Sammlung rekrutiert. „Transporte aus Übersee gibt es bei uns gar nicht mehr“, berichtet Sprecherin Leonie Böhmer. „Zuletzt hatten wir eine Fahrt nach Frankreich mit dem Auto.“
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Einige Künstler arbeiten direkt vor Ort
Dagegen werden die Ausstellungsräume im Erdgeschoss immer mehr zur Spielwiese für Kreative, die ihre Installationen direkt vor Ort für die jeweilige Ausstellung bauen. Aktuell ist dies bei „Les Gardiennes“ der Fall: An der Hommage an die französische Malerin Leonor Fini haben vier Gegenwartskünstler mitgearbeitet. Finis Werke stammen allesamt aus der eigenen Sammlung (zu sehen bis 19. Februar).
Die Bochumer Symphoniker veranstalten regelmäßig Familienkonzerte, in denen es um Mülltrennung geht. Daneben unterstützen die Bosy die Initiative „Orchester des Wandels“, die sich für eine Aufforstung in Madagaskar stark macht. Die Edelhölzer, die dort abgebaut werden, sind häufig Bestandteil von wertvollen Instrumenten. „Bei Abschieden und Jubiläen verschenken wir immer fünf Bäume“, sagt Sprecherin Christiane Peters. „Die werden dann in einem Wald im Sauerland gepflanzt.“