Bochum. Der Fachkräftemangel belastet die Kitas in Bochum. Kommen zusätzlich Erkrankungen dazu, muss die Betreuungszeit reduziert werden. Das hat Folgen.
Hinter den Erzieherinnen der Outlaw-Kita an der Dr.-C.-Otto-Straße in Bochum-Dahlhausen liegen herausfordernde Monate. „Der November und Dezember waren hart“, resümiert Leiterin Ramona Sabatino in Messere (59). Die Krankheitswelle und weitere Faktoren hätten einmal mehr gezeigt, wie der Fachkräftemangel der Outlaw-Kita, aber auch den anderen Einrichtungen im Stadtgebiet, zu schaffen macht.
Aktuell habe sich die Lage etwas entspannt, es gebe „nur“ eine kranke Erzieherin sowie eine Langzeiterkrankte. Das sei in den vergangenen Monaten ganz anders gewesen. „Im November und Dezember gab es Infektionskrankheiten in einer Wucht, die ich so noch nicht erlebt habe“, sagt Sabatino in Messere, die seit 30 Jahren im Bereich Kita arbeitet. Hinzu kam eine schwangere Mitarbeiterin, für die Ersatz gefunden werden musste.
Zu wenig Erzieherinnen und Erzieher in Bochum: „Der Markt ist leer“
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Das Problem: „Der Markt ist leer, es gibt keine Fachkräfte. Manchmal kommen überhaupt keine Bewerbungen“, schildert die Kita-Leiterin ihre Erfahrungen.
Ute Jansen aus der Geschäftsleitung der Outlaw-Kitas sagt: „Die körperlichen und seelischen Belastungen sind aufgrund der aktuellen Personalsituation enorm.“ Barbara Mag, Gesamtleitung im Ruhrgebiet, ergänzt: „Je nach Anzahl des fehlenden Personals ergreifen wir unterschiedliche Maßnahmen. Zum einen werden Gruppen zusammengelegt, zum anderen bitten wir Eltern, zu prüfen, ob Kinder auch zu Hause betreut werden können.“ Möglich sei auch die tageweise Schließung einzelner Betreuungsgruppen. „Alle Maßnahmen erfolgen immer in enger Abstimmung mit den Elternbeiräten unserer Kitas.“
Was machen Kitas, um Personal zu gewinnen?
„Um Personal zu gewinnen und zu binden, fördern wir unter anderem Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb des Verbandes“, erklärt Philip Krisch, Gebietsleiter beim Kita-Zweckverband. Außerdem arbeite man in multiprofessionellen Teams, mit Seniorberaterinnen und Dualstudierenden und biete ein breites Fortbildungsprogramm. Weitere Maßnahmen: ein hohes Maß an Digitalisierung oder die Bezahlung nach Tarif.
Die Stadt Bochum nutzt verschiedene Möglichkeiten der Werbung für die Berufe in der frühkindlichen Bildung. Das seien z. B. Anzeigen in sozialen Medien oder Besuch von Fach- und Nachwuchsmessen, heißt es von Pressesprecherin Charlotte Meitler. Zudem wolle sich die Stadt als attraktive Arbeitgeberin positionieren, u. a. durch eine vermehrte Praxisintegrierte Ausbildung (PIA), unbefristete Arbeitsverträge und das Werben mit Qualifizierung oder Fort- und Weiterbildung der Fachkräfte.
„Um Fachkräfte für uns zu gewinnen, schreiben wir unsere Vakanzen auf gängigen Jobportalen aus und positionieren uns hier als Arbeitgeber“, heißt es von den Outlaw-Kitas. Auch auf Fachmessen sei der Träger vertreten und stünde im Austausch mit Fach- und Hochschulen. „Um akute Personalengpässe zu bedienen, arbeiten wir auch mit Personaldienstleistern zusammen“, erläutert Sprecherin Rabea Giesser.
In den sieben Bochumer Outlaw-Kitas würden derzeit sechs bis sieben Fachkräfte fehlen, im Schnitt eine pro Kita. Hinzu kämen Langzeiterkrankte oder spontane Ausfälle aufgrund von Krankheit oder Schwangerschaft.
Viele Bochumer Träger sind betroffen
Die derzeitige Situation in den Outlaw-Kitas ist keine Ausnahme, sondern eher die Regel in den Kitas in Bochum. „Seit Dezember ist die Krankenquote der Mitarbeitenden in den Einrichtungen konstant und überdurchschnittlich hoch“, sagt Lina Strafer, Sprecherin des Kita-Zweckverbands mit 37 Einrichtungen im Stadtgebiet. Zwar hätten die Weihnachtsferien dazu geführt, dass Infektionsketten an einigen Stellen durchbrochen wurden, von einer Entspannung der Lage sei zum aktuellen Zeitpunkt jedoch keine Rede.
„Die Aussage, dass die Fachkräfte in unseren Kitas an ihrer Belastungsgrenze sind, würden wir unterschreiben“, sagt auch Hannah Praetorius, Sprecherin der Evangelische Kirche in Bochum. In den 44 Kitas gebe es derzeit 17 offene Vollzeitstellen sowie zwölf Stellen mit geringfügigerem Stundenumfang.
Das Verhältnis von zu betreuenden Kindern und Anzahl der Erzieherinnen und Erzieher sei gesetzlich geregelt. Die evangelischen Kitas seien personell darüber hinaus ausgestattet. „Zudem investieren wir in die Ausbildung neuer Fachkräfte und haben in jeder Kita eine Auszubildenden-Stelle“, so Praetorius.
Forderung: Mehr gesellschaftliche Anerkennung für den Erziehungsberuf
„Der Fachkräftemangel, krankheitsbedingte Ausfälle, Mehrbelastungen aus der Corona-Pandemie und den Auswirkungen des Ukraine-Krieges sowie steigende Anforderungen an die frühkindliche Bildung führen Kitas und Trägersysteme an ihre Belastungsgrenzen“, fasst Charlotte Meitler, Sprecherin der Stadt Bochum, zusammen. Der Fachkräftebedarf sei deutlich erhöht. Gründe seien vermehrte Renteneintritte, personelle Ausfälle durch Elternzeit, Beschäftigungsverbote, Langzeiterkrankte und Aufnahme eines Studiums.
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Insgesamt stehe eine steigende Nachfrage seitens der Familien einem zunehmenden Personalbedarf gegenüber. „Um diese Diskrepanz aufzulösen und gleichzeitig Qualitätsstandards zu halten und zu verstetigen, ist auch die Politik gefragt“, verdeutlicht Strafer für den Kita-Zweckverband. Dieser fordert unter anderem mehr gesellschaftliche Anerkennung für den Erziehungsberuf, Investitionen in die Ausbildung sowie eine Anpassung der Personalverordnung, um Quereinstiege in das Berufsfeld zu vereinfachen. Bei all diesen Maßnahmen dürfe jedoch die Qualität der Bildungsarbeit nicht reduziert werden.
Auch Ramona Sabatino in Messere, Leiterin der Outlaw-Kita an der Dr.-C.-Otto-Straße, hat eine klare Forderung: „In der Politik muss ankommen, dass wir nicht nur eine Betreuungseinrichtung sind.“ Die Kitas hätten einen Bildungsauftrag, die Mitarbeitenden müssten endlich mehr Kapazitäten bekommen, um auch ihrer pädagogischen Arbeit nachgehen zu können.