Bochum. Eine Bochumer Firma hat eine Diagnose entwickelt, um eine Alzheimererkrankung lange vor deren Ausbruch zu erkennen. Bald soll sie marktreif sein.
Forscher in Bochum können viele Jahre vor dem Ausbruch der Krankheit voraussagen, ob und mit welcher Wahrscheinlichkeit jemand an Alzheimer erkrankt. „Schon 17 Jahre bevor sie eine klinische Diagnose bekommen, sehen wir erste Veränderungen im Gehirn“, sagt Biophysiker Prof. Klaus Gerwert. Das dazu entwickelte Diagnosegerät will er mit seiner Biomedizinfirma „betaSENSE GmbH“ in den nächsten drei, vier Jahren zur Marktreife bringen.
Bochumer Firma hat weltweit Alleinstellungsmerkmal
Nur in einem sehr frühen Stadium sind die ersten beiden in den USA bereits zugelassenen Alzheimer-Medikamente wirksam, heißt es. Der Test schaffe insbesondere bei einem hohen Alzheimer-Risiko kostbare Zeit, um frühzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Je eher eine spätere Erkrankung entdeckt wird, desto besser.
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„Unsere Technologie hat den Vorteil, dass wir sehr viel früher diese Krankheit nachweisen können und das Risiko, zu erkranken, bestimmen können“, so der Bochumer Biophysiker. „Daher haben wir weltweit ein hohes Alleinstellungsmerkmal. Wir haben eine neue Technologie entwickelt. Die beruht darauf, dass die Proteine, die die Krankheit erkennen, das sogenannte A-Beta-Peptid, von einer gesunden in eine kranke Form fehlfaltet. Diese Fehlfaltung können wir messen.“
Die Vision: Alzheimer bricht erst gar nicht aus
Während es aus Sicht der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft durch die US-Medikamente nun Hoffnung gibt, dass es gelingen könne, den Krankheitsverlauf zu beeinflussen, gehen die Erwartungen des Bochumer Wissenschaftlers noch viel weiter. „Unsere Vision ist, dass jemand gar nicht die klinischen Symptome bekommt“, so Gerwert. Vorausgesetzt, die Diagnose ist früh genug da. Auch für andere Krankheiten wie Parkinson und ALS arbeiten Betasense-Forscher an einer solchen Frühdiagnostik.
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„Demenz“ und „Alzheimer“ sind nicht dasselbe
Die Alzheimer-Krankheit ist eine hirnorganische Krankheit. Sie führt, so die Deutscher Alzheimer-Gesellschaft, „zu einem Abbau der Nervenzellen im Gehirn und dadurch auch zu zunehmenden Einschränkungen der Fähigkeiten der Erkrankten.“
Der größte Risikofaktor für die Entwicklung einer Alzheimer-Krankheit ist das Alter. Je älter man wird, umso größer ist auch das Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Die meisten Betroffenen sind älter als 80 Jahre, nur in seltenen Fällen beginnt die Krankheit vor dem 65. Lebensjahr.
Zum Krankheitsbild gehören Gedächtnis- und Orientierungsstörungen, Sprachstörungen, Störungen des Denk- und Urteilsvermögens sowie Veränderungen der Persönlichkeit.
„Demenz“ und „Alzheimer“ sind nicht dasselbe: Unter Demenz versteht man ein Muster von Symptomen, das viele verschiedene Ursachen haben kann. Eine Demenz führt dazu, dass sich verschiedene geistige Fähigkeiten im Vergleich zum früheren Zustand verschlechtern.
Und das vom Campus der Ruhr-Uni Bochum aus. Dort wird nun nicht nur geforscht, wobei ein Kooperationsvertrag mit dem nahen Zentrum für Proteindiagnostik (Prodi), dessen Gründungsdirektor Gerwert ist, ebenso eine große Rolle spielt wie das Reservoir gut ausgebildeter Wissenschaftler („Hier kann ich als Universitätsprofessor junge fähige Leute für die Firma rekrutieren.“). Vom Biomedizinzentrum auf dem Campus, dem neuen Hauptstandort, will Betasense als Firma international wachsen.
Mitinvestor Hector hat einst Weltkonzern SAP mitgegründet
Dazu steht nach einer zweiten Finanzrunde nun ein „guter, zweistelliger Millionenbetrag für die nächsten Jahre“ zur Verfügung, so Mit-Gesellschafter Gerwert. Investor und Miteigner von Betasense ist u. a. kein Geringerer als Hans-Werner Hector, der einst das IT-Weltunternehmen SAP mitgegründet hat.
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Bislang hat das Unternehmen zwar eine übersichtliche Größe: 16 Vollzeit- und 44 Teilzeitkräfte. Aus Sicht von Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) ist das Entwicklungspotenzial aber vielversprechend. „Noch eine kleine Firma, aber ein großer Wurf“, sagt er voraus und verweist auf andere Erfolgsgeschichten, die im Biomedizinzentrum begonnen haben; darunter die von Milliarden-Unternehmen. „Das hier ist ein guter Standort“, so Eiskirch.
Bochums OB-Eiskirch freut sich über Ansiedlung
Er sei froh, dass sich Betasense für Bochum als Hauptstandort entschieden habe. Es stärke die Stadt als Top-Adresse für neue Ansiedlungen. Es sei aber auch gut fürs Unternehmen, das von der Gesundheitswirtschaft, dem Mix aus Forschung- und Technologieentwicklung, ebenso wie von den gut ausgebildeten Fachkräften profitiere.
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So sieht es auch der Prodi-Direktor und Unternehmer Gerwert: „Mit dem Umzug von Münster an unseren neuen Hauptstandort im BMZ haben wir einen idealen Ort gefunden, der nicht nur unsere Nähe zu unseren Wurzeln in der Ruhr-Universität Bochum wahrt, sondern auch mittels modernster Laborräume eine sehr wichtige Grundlage für die erfolgreiche Weiterentwicklung unserer Produkte sicherstellt. Mit unserer Entscheidung wollen wir gleichzeitig ein klares Bekenntnis zur Ruhr Universität und der Stadt Bochum senden.“
Großes Interesse ausländischer Investoren
Seine Belegschaft arbeitet nun mit Hochdruck an der Weiterentwicklung des Diagnosegeräts. 20 Prototypen der Laborvariante habe Betasense bei einem Unternehmen in Kalifornien in Auftrag gegeben und außerdem Spezialisten für die Weiterentwicklung eingestellt. Schon jetzt gibt es weltweit mehrere Patente für das Diagnoseverfahren. Weitere sollen hinzukommen.
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Irgendwann werde sich das Unternehmen dann entscheiden müssen, ob es alleine weitermache oder, wie etwa Biontec, mit einem starken Partner zusammengehe. An Interesse an deutscher Hightech-Forschung mangelt es offenbar nicht. Nach einem Vortrag Gerwerts im Dezember in San Francisco, wo er die Diagnosemethode vorgestellt hat, hätten spontan zwei potenzielle Investoren angefragt. Und auch vor zwei Jahren habe ein renommierter Investor „vom Kaliber Elon Musk“ angeklopft. Der Biophysiker hat abgewunken. „Wir haben einen guten Investor und das Geld, das wir brauchen.“ Jedenfalls erst einmal bis zum nächsten Entwicklungsschritt.