Bochum-Goldhamme. Zum Gottesdienst kommt schon lange niemand mehr. Die ehemalige Martinikirche in Bochum ist jetzt ein Event-Ort – mit „atemberaubendem Ambiente“.

Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein ganz normale Kirche. Turm, Portal, ein großes Kreuz über dem Eingang. Einen Gottesdienst hat es in der ehemaligen Martinikirche an der Essener Straße in Bochum-Goldhamme aber schon lange nicht mehr gegeben, genau genommen zuletzt 2006. Heute werden dort Hochzeiten abgehalten, Partys gefeiert, Kongresse bestritten oder Konzerte ausgetragen. Aus dem Gotteshaus ist die Eventkirche Bochum geworden.

In der ehemaligen Kirche steht jetzt eine Bar

Im Inneren des von 1928 bis 1930 erbauten Gebäudes erinnert nur noch die Raumstruktur an den ursprünglichen Verwendungszweck: Empore, Säulen und bunte Fenster. Kein Altar, keine Bankreihen, keine Orgel, keine religiösen Motive an den Wänden. Beim 2020 abgeschlossenen Umbau hat der Investor so gut wie alles verändern lassen, hat stattdessen sanitäre Anlagen, Licht- und Tontechnik, eine Bar und vieles mehr einbauen lassen, was zu einem modernen Veranstaltungsort gehört. Da, wo früher eher Stille herrschte, sei nun „Feiern in einem atemberaubenden Ambiente möglich“, wirbt der Gastgeber auf seiner Internetseite.

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Auch von Außen wirkt die Eventkirche an der Essener Straße wie neu, nachdem der Investor die Steine hat reinigen lassen.
Auch von Außen wirkt die Eventkirche an der Essener Straße wie neu, nachdem der Investor die Steine hat reinigen lassen. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

2019 hat er die Kirche von der Gemeinde gekauft. 399.000 Euro wollte diese dafür haben „Ja, in dem Bereich lag der Verkaufspreis“, sagt Pastor Michael Schulze. Er hat das Gebäude seit vielen Jahren nicht mehr betreten und weiß nicht wie es heute darin aussieht. Dass dort heute gefeiert und getanzt statt andächtig gebetet wird, sei kein Problem. „Für mich ist das okay.“ Zumal die Kirche ein Ort der Begegnung geblieben ist.

Prognose: Knapp ein Drittel der Kirchen werden künftig anderweitig genutzt

So sah es früher  im Inneren der Martinikirche aus. Der Investor hat viel bewegt, um daraus eine Eventkirche zu machen.
So sah es früher im Inneren der Martinikirche aus. Der Investor hat viel bewegt, um daraus eine Eventkirche zu machen. © Haenisch / Funke Foto Services | Joachim Haenisch

Das sei er zum Schluss für die Gemeinde schon vor der Fusion nicht mehr gewesen. Gerade einmal vielleicht zehn Personen seien in den letzten Jahren zum Gottesdienst gekommen. „Manchmal hatte ich den Eindruck, einige waren nur da, weil sie nicht wollten, dass ich da alleine meine Predigt halte“, erinnert sich Schulze. Aus seiner Sicht ist es wichtiger, „in Menschen zu investieren statt in tote Steine“. Einstimmig habe das Presbyterium als oberstes Entscheidungsgremium der Gemeinde daher auch entschieden, die Kirche zu verkaufen. Zumal Überlegungen, das Gebäude selbst anderweitig zu nutzen, an der Finanzierung gescheitert sind. Und: Es gab zwei weitere Kirchenräume in der Altgemeinde.

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Bald schon werden in etwa 30 Prozent der ungefähr 6000 christlichen Kirchen in Nordrhein-Westfalen keine Festtags-Gottesdienste mehr gehalten. Das hat Jörg Beste, Projektplaner für Kirchen-Neunutzungen, vorausgesagt. Die Gebäude könnten vielfältig genutzt werden, auch wenn sich die Gemeinden und Gläubigen in Deutschland damit bisweilen noch schwer tun. „In anderen Länden ist das anders“, so Pastor Schulze. In England und den Niederlanden zum Beispiel.

Auch ein Supermarkt in der Kirche kam in Betracht

Konzerte, Lesungen, Ausstellungen und Bibliotheken werden in Deutschland in ehemaligen Kirchen am besten angenommen, heißt es im Baukultur-Bericht von 2019. Möglich sind aber auch Nutzungen ganz anderer und vielleicht bisweilen befremdlicher Art. „Wir haben auch mit Rewe gesprochen“, erinnert sich der Pastor. Aus der Kirche hätte ein Supermarkt werden können. Auch das wäre für ihn kein Problem gewesen. „Auch dort treffen sich Menschen und haben gerade die, die sonst kaum oder keine Kontakte mehr haben, die Chance, sich auszutauschen.“ Am Ende scheiterte das Projekt daran, dass die Fläche einfach zu klein war.

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Gegen eine Disco, Wohnungen, Konzerthalle, ein Seniorenheim oder eine Kletterhalle hätte das Presbyterium nichts einzuwenden gehabt. Allerdings: Alles wäre an der Essener Straße nicht möglich gewesen. Spielhalle, Sexbetrieb oder ähnliches sind vertraglich ausgeschlossen. Erst als das schriftlich fixiert war, wurde die Martinikirche vor dem Verkauf entwidmet.

Eventkirche steht unter Denkmalschutz

Xenia Schnabel organisiert die Veranstaltungen in der Eventkirche.
Xenia Schnabel organisiert die Veranstaltungen in der Eventkirche. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Heute erstrahlt sie von außen so wie schon lange nicht mehr, nachdem der Investor die Fassade hat säubern lassen. „Das hätte sich die Gemeinde gar nicht leisten können“, sagt der Pastor. Auch deshalb sei der Verkauf in Ordnung. Während im Gebäude so gut wie alles verändert wurde, ist die äußere Hülle mit den bunten Kirchenscheiben bis auf die Reinigung unangetastet geblieben. Seit 2005 steht die Eventkirche unter Denkmalschutz und darf in ihrer äußeren Anmutung nicht verändert werden.

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Feiern mit 200 Personen

Die neoklassizistische Martinikirche steht u.a. unter Denkmalschutz, weil sie „wichtige Aspekte aus der Geschichte der dortigen evangelischen Kirchengemeinde dokumentiert“, heißt es in den Denkmalunterlagen der Stadt. 1909 wurde ein Kirchenbauverein gegründet, 1912 das Grundstück gekauft und von 1928 bis 1930 gebaut.

Die Eventkirche bietet auf 400 Quadratmetern im Erdgeschoss und 220 Quadratmetern auf der Empore etwa Platz für 200 Personen. Weitere Infos: https://eventkirche-bochum.de

Der neue Besitzer hofft nach einer zweijährigen, coronabedingten Durststrecke endlich auf gute Geschäfte. Als die Renovierung Ende 2020 abgeschlossen war, war die Nachfrage wegen der Pandemie eher bescheiden. „Aber bald beginnt die Hochzeitssaison“, sagt Organisatorin Xenia Schnabel von der Eventkirche Bochum GmbH. Und das weckt ebenso Hoffnungen wie die Aussicht auf weitere Veranstaltungen. Spätestens 2024 will der neue Eigentümer mit seinem ungewöhnlichen Veranstaltungsort endlich durchstarten.