Bochum-Linden. Die Explosion, bei der in Bochum-Linden eine Frau ums Leben gekommen ist, erinnert an ein Unglück vor gut 65 Jahren fast an gleicher Stelle.

Zwei Tage nach der Explosion eines Zweifamilienhauses und dem Tod einer 61-jährigen Bewohnerin steckt vielen Bochumerinnen und Bochumern in Linden der Schock noch immer in den Knochen. Nur die Älteren von ihnen werden sich erinnern, dass der Stadtteil vor vielen Jahren von einem noch größeren Unglück heimgesucht wurde.

Frau stirbt nach Explosion in Bochum-Linden – das Wichtigste in Kürze:

  • Ein Wohnhaus in Bochum-Linden ist am späten Dienstagabend durch eine Explosion komplett zerstört worden. Die Ursache ist noch unklar, vermutet wird eine Gasexplosion.
  • Die Eigentümerin (61) wurde um 8.30 Uhr tot unter den Trümmern geborgen. Ihr 35-jähriger Sohn kam in ein Krankenhaus, der dritte Bewohner war zum Zeitpunkt des Unglücks nicht Zuhause.
  • Unsere Bildergalerie zeigt die Fotos vom Unglücksort.
  • „Unfassbar“, „beängstigend“: Nachbarn zeigen sich entsetzt von dem Unglück. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Schon häufiger hat es in Bochum Gas-Einsätze gegeben. Ein Überblick.

Zehn Menschen starben in der Nacht vom 4. auf den 5. Dezember 1957 bei der Explosion eines Mehrfamilienhauses an der Hilligenstraße – nur etwa einen Kilometer von der jetzigen Unglücksstelle entfernt.

Auch interessant

Explosion ist kilometerweit zu hören

„Der Tod kam aus der Erde“ titelte die WAZ in ihrer Bochumer Ausgabe vom 6. Dezember 1957. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich erste Vermutungen verdichtet, dass ausströmendes Leuchtgas die Katastrophe ausgelöst hatte. „18.05 Uhr stießen Schaufel und Spitzhacke auf die erste klärende Spur: in der freigelegten Hauptgasleitung zum Unglückshaus in der Hilligenstraße entdeckten sie (Anm. d. Red.: Fachleute des Bundeskriminalamts) einen Bruch. Ganz frisch und ohne eine Spur von Rost. ein Zeichen, daß er nur Stunden alt war.“ Für möglich gehalten wurde, dass im Keller des Hauses ein verhängnisvoller Funke entzündet wurde.

Auch interessant

Die WAZ-Ausgabe vom 6. Dezember 1957. Auch auf der Titelseite wurde über das Unglück berichtet.
Die WAZ-Ausgabe vom 6. Dezember 1957. Auch auf der Titelseite wurde über das Unglück berichtet. © Stadt Bochum

Noch kilometerweit zu hören sei die Explosion gewesen, die keine drei Wochen vor Weihnachten gegen 1.12 Uhr jäh die nächtliche Stille unterbrach, die 38 Zentimeter dicken Grundmauern des Hauses beiseite drückte und nach wenigen Augenblicken das komplettes Haus in sich zusammensacken ließ. So stark war die Explosion, dass noch Dutzende Fensterscheiben in der Umgebung zerbarsten.

Bewohner werden unter den Trümmern begraben

„Riechst du kein Gas...?“, hatte die 67-jährige Witwe Auguste Schack gesagt, als sie mit ihrem Nachbarn Karl Freitag (64) von einer Hochzeitsfeier im Nachbarhaus auf dem Heimweg war. Sekunden später folgte eine heftige Detonation und schleuderte die beiden Passanten meterweit durch die Luft. Beide hatten Glück im Unglück, sie kamen mit Verletzungen ins Krankenhaus.

Auch interessant

Für neun Bewohnerinnen und Bewohner, die meisten von ihnen wohnten im Erdgeschoss des Unglückshauses, gab es allerdings kein Entrinnen. Sie wurden im Schlaf von den Trümmern begraben und konnten nur noch tot geborgen werden. Zwei Tage später starb eine weitere Person, die zu den zwölf Verletzten gehörte.

Beißender Qualm steigt aus den Trümmern

„Ein dichter, rauchverhangener Krater aus Trümmern, Schutt, verkohlten Balken“ sei das erste gewesen, was Retter und Helfer im Morgengrauen zu Gesicht bekamen. Beißender Qualm stieg aus den Trümmern hervor. Die Unglücksstelle wurde mit Flatterband abgesperrt. Die Experten suchten nach weiteren Hinweisen für die Ursache. Später rollten Bagger an, um erste Trümmer zu beseitigen.

Reporter berichteten in Wort und Bild von dem Unglück in Linden.
Reporter berichteten in Wort und Bild von dem Unglück in Linden. © Stadt Bochum

65 Jahre alt war das älteste Opfer, erst 14 das jüngste. Die Zeitungen nannten damals die vollen Namen der Toten. Heute wäre das ein Unding, wenn es sich nicht im weitesten Sinn um Personen der Zeitgeschichte handelt. Besonders tragisch sei das Unglück für Familie Lingner gewesen. Sie hatte gebaut und wollte wenige Tage später ihr gerade fertiggestelltes Eigenheim beziehen. Heinrich (49) und Emmy Lingner (50) gehörten zu den Opfern.

Auch interessant

Große Hilfsbereitschaft in der ganzen Stadt

Schon bald rollte eine Welle der Hilfsbereitschaft durch Linden-Dahlhausen mit seinen damals 29.000 Einwohnern und darüber hinaus. „Helft helfen!“ lautete ein Aufruf der beiden Kirchen, des Deutschen Roten Kreuzes, der Arbeiterwohlfahrt und der Stadtverordneten Karl Liedtke jun. und Willi Hopmann. Der Rat beschloss einstimmig, den Fürsorgeetat beträchtlich zu erhöhen. „Die Mittel sollen den Überlebenden des Unglücks bei der Anschaffung von Hausrat zur Verfügung gestellt werden“, heißt es. Überlebende wurden neu eingekleidet. Die Lindener Verwaltung versicherte den drei Familien, die zwar nicht ihr Leben, aber Hab und Gut verloren hatte, eine vorübergehende Unterkunft zu.