Bochum. Bei fünf Konzerten zum Jahreswechsel im Musikforum führt der Frohsinn die Regie. An der Geige verzaubert die Bochumer Violinistin Liv Migdal.
Nicht viele Menschen trauern dem vergangenen Jahr ernsthaft hinterher: So gesehen hat die Einladung zum Tanz, die die Bochumer Symphoniker ihrem Publikum zum Jahreswechsel servieren, auch etwas Befreiendes. Bei fünf (!) bestens besuchten Konzerten vom Silvesterabend bis zum 2. Januar verwandeln das hymnisch aufspielende Orchester und ihr Generalmusikdirektor (GMD) Tung-Chieh Chuang das Anneliese-Brost-Musikforum in einen Tanzpalast.
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Bochumer Symphoniker feiern den Jahreswechsel
Die Neujahrskonzerte der Symphoniker erfreuen sich seit vielen Jahren riesiger Beliebtheit, doch in diesem Jahr treten viele den Weg zum Musikforum mit besonderer Freude an. Nach langer Corona-Durststrecke dürfen endlich wieder sämtliche 960 Plätze im Großen Saal besetzt werden, auch auf der Bühne wird nicht mehr kammermusikalisch mit Abstand musiziert. Die ewig langen Schlangen am Ende vor der Garderobe hingegen hat garantiert niemand vermisst.
Letztes Neujahrskonzert am Montag
Das Konzert zum Jahreswechsel ist letztmalig zu erleben am Montag, 2. Januar, um 20 Uhr im Musikforum (Marienplatz 1). Es gibt noch wenige Karten: 0234 9108666 und bochumer-symphoniker.de
Generalmusikdirektor Tung-Chieh Chuang leitet die beiden „Von Herzen“-Konzerte am Samstag und Sonntag, 14. und 15. Januar. Auf dem Programm steht die dritte Symphonie von Johannes Brahms und das Konzert für Violine und Orchester von Jean Sibelius.
Das Programm, um das vorher ein kleines Geheimnis gemacht wurde, hat einige Überraschungen zu bieten. So dürfte es nicht viele Orchester geben, die die „Kleine Suite“ von Witold Lutoslawski zu Silvester spielen. Das wundervolle, knapp elfminütige Stück direkt nach der Pause, besticht durch verträumte Melodien, die sich langsam zu einem fast wehmütigen Tanz aufbauen.
Mit Stücken von Brahms und Dvořák geht der Blick Richtung Osten
Mit den ungarischen Tänzen von Johannes Brahms, von denen über den Abend verteilt gleich sechs erklingen, und den slawischen Tänzen von Antonín Dvořák geht der Blick Richtung Osten. Vor allem Dvořáks kleine Stücke, jeweils kaum länger als fünf Minuten, besitzen hohen musikalischen Witz und sind kompositorisch anspruchsvoll gebaut.
Von dem Orchester verlangen sie eine Menge spielerischer Finesse, entsprechend energiegeladen wirkt Tung-Chieh Chuang auf dem Pult. Er kniet sich förmlich in die Arbeit hinein. Bisweilen glaubt man, dass der GMD das Pult am liebsten abbauen und mitten unter seinen Musikern dirigieren würden, denen er während des Spiels immer wieder ein Augenzwinkern und ein Lächeln schenkt.
Liv Migdal verzaubert das Publikum mit „Carmen“
Dem Publikum schenkt Chuang einige (abgelesene) Worte auf Deutsch. Statt wie in früheren Jahren eigens Moderatoren für die Silvestergala zu verpflichten, führt der GMD höchstselbst durchs Programm. „Es ist eine gute Idee, ins neue Jahr zu tanzen“, meint er verschmitzt.
Dafür weiß er eine junge Musikerin an seiner Seite, die aus Bochum stammt und mittlerweile auf den Konzertbühnen in der ganzen Welt gefragt ist. In dunkelrotem Abendkleid begleitet Liv Migdal den Abend als Solistin an der Geige.
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Zum Schluss erklingt traditionell der Radetzky-Marsch
Bei der schwindelerregenden „Carmen“-Fantasie von Pablo de Sarasate, zu der das Musikforum in rotes Licht getaucht wird, zeigt sie in virtuosen zehn Minuten, was die Saiten ihres Instruments hergeben. Dagegen wirkt die „Romance“ aus dem zweiten Violinkonzert von Henryk Wieniawski fast schon verträumt und zurückgenommen, hohe spielerische Hürden stellt auch sie.
Beim traditionellen Radetzy-Marsch von Johann Strauß zur Zugabe übernimmt dann endgültig der Frohsinn die Regie. Schön zu sehen, wie Chuang gleichsam mit dem Publikum und mit dem Orchester spielt. Stehende Ovationen!