Bochum. 655 Menschen werden jährlich in Bochum eingebürgert. Es dauert allerdings lange, bis die Anträge dafür bearbeitet sind. Das sorgt für Unmut.

Mit 16 Jahren ist Muawi Fares nach Deutschland gekommen. Alleine, ohne Familie, ohne Deutschkenntnisse, aber mit der Hoffnung auf eine Zukunft. Für die hat er sich mächtig ins Zeug gelegt. Sieben Jahre später spricht er fließend Deutsch, hat das Abitur gemacht, sorgt für seinen eigenen Lebensunterhalt und er studiert. Jetzt möchte er Deutscher werden. Aber das ist gar nicht so einfach.

18 Monate dauert in Bochum die Bearbeitung eines Einbürgerungsantrags

Sein Einbürgerungsantrag ist zwar bei der Stadt Bochum eingegangen. Aber was daraus wird, erfährt der 23-jährige gebürtige Syrer frühestens in 18 Monaten. So lange dauert nämlich nach Auskunft der Stadt die Bearbeitungszeit.

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Für jemanden wie Muawi Fares ist das schwer nachvollziehbar. Geradezu rekordverdächtig schnell hat er es geschafft, die Voraussetzungen für den Antrag zu erfüllen („Einbürgerung frühestens nach sechs Jahren“). Und jetzt, ausgerechnet beim letzten Schritt, soll es noch so lange dauern?

3235 Anträge auf Einbürgerung sind derzeit noch offen

Allein drei Monate habe er auf die Eingangsbestätigung seines Antrags warten müssen. Nachfragen habe er erst gar nicht stellen können. „Die Behörde ignoriert mich. Telefonisch ist sie nicht erreichbar. Das ist wie ein schwarzes Loch.“

Erst als er sich schriftlich bei Oberbürgermeister Thomas Eiskirch beschwert habe, sei auch das Einbürgerungsbüro mit ihm in Kontakt getreten. Vertröstende Worte habe es gegeben. Und den Verweis auf steigende Antragszahlen bei gleichzeitig zunehmenden Personalproblemen in den zuständigen Stellen; nicht nur bei der Stadt, sondern auch beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und den Verwaltungsgerichten.

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Legt man die Zahlen der vergangenen vier Jahre zugrunde, dann wurden im Schnitt 655 Menschen in Bochum pro Jahr eingebürgert. 3235 offene Anträge auf Einbürgerung liegen nach Angaben der Stadt noch auf den Schreibtischen in den Amtsstuben – vor allem von Menschen aus Syrien, gefolgt von Antragstellern aus der Türkei, dem Irak, aus dem Iran und Afghanistan.

Steigende Antragszahlen und begrenzte Personalkapazität

„Derzeit werden die Anträge aus der ersten Jahreshälfte des Jahres 2021 bearbeitet“, sagt Stadtsprecher Peter van Dyk. Bearbeitet werden die Fälle nach ihrem Eingangsdatum. „Die lange Bearbeitungszeit lässt sich im Wesentlichen darauf zurückführen, dass die Zahl der Anträge in den letzten Jahren signifikant gestiegen ist; die Eingänge haben sich in den letzten drei Jahren mehr als verdoppelt“, so der Stadtsprecher.

Einbürgerung frühestens nach sechs Jahren

Wer seit acht Jahren dauerhaft und rechtmäßig in Deutschland lebt, hat unter folgenden Voraussetzungen einen Anspruch auf Einbürgerung: unbefristetes oder auf Dauer angelegtes Aufenthaltsrecht zum Zeitpunkt der Einbürgerung, geklärte Identität und Staatsangehörigkeit, Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes, mündliche und schriftliche deutsche Sprachkenntnisse auf dem Niveau B 1

Nachgewiesen werden müssen außerdem Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland und die eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts für sich und die unterhaltsberechtigten Angehörigen. Es darf keine Verurteilung wegen einer Straftat vorliegen. Die bisherige Staatsangehörigkeit muss aufgegeben werden.

Liegen besondere Integrationsleistungen vor, kann die Aufenthaltszeit auf sechs bis sieben Jahre verkürzt werden.

Die Bearbeitungsdauer eines Antrags hängt nach Auskunft der Stadt von der Vollständigkeit des Antrags und von den Stellungnahmen verschiedener Stellen wie Polizei, Sicherheitsbehörden und Ausländerbehörde ab.

Zeitgleich habe das Einbürgerungsbüro mit einem hohen Krankenstand und einer hohen Personalfluktuation zu kämpfen. Das Personal sei bereits um eine Vollzeit- und eine Teilzeitkraft verstärkt worden. Derzeit gibt es im Einbürgerungsbüro sieben Mitarbeiterinnen, davon arbeiten drei in Teilzeit. Von den sieben Personen seien zwei derzeit krankheitsbedingt nicht im Dienst. „Über eine weitere Personalaufstockung wird nachgedacht“, so van Dyk. Aber selbst wenn weitere Stellen geschaffen werden könnten, sei es fraglich, ob diese bei dem derzeitigen Fachkräftemangel auch kurzfristig mit qualifiziertem Personal besetzt werden könnten.

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Antragsteller beklagt Nachteile für seine Studium

Rechnerisch ist die lange Wartezeit nachvollziehbar. Für Muawi Fares hat sie aber Konsequenzen. Der Zeitfaktor spielt für ihn eine große Rolle. „Ich möchte im nächsten Jahr ein Auslandssemester bestreiten.“ Dies sei Teil seines Studiums. Das drohe sich nun aber zu verzögern, da es mit seinem Aufenthaltstitel nicht möglich sei, ein ganzes Semester im Ausland zu verbringen. Ein Argument, das die Behörde indes nicht nachvollziehen kann. Ihr seien keine Fälle bekannt, so die zuständige Mitarbeiterin im Rathaus, „in denen ein Auslandssemester nicht auch mit einem Reiseausweis und einem Aufenthaltstitel absolviert werden kann“.

Muawi Fares zweifelt daran. Und er stehe mit seiner Verärgerung über die schleppende Bearbeitung der Anträge auf Einbürgerung nicht alleine da. Ein Gruppe Betroffener habe sich mittlerweile an den Petitionsausschuss des Landtags NRW gewendet. Geplant sei auch eine Demonstration.