Bochum. Vor 50 Jahren traf der Bochumer Rat eine Entscheidung, die sich für das Stadt-Image als weitsichtig entpuppen sollte. Es ging ums Bergbaumuseum.

Heute steht er da, als wäre er immer schon da gewesen. Und genau so fühlt es sich für viele Bochumerinnen und Bochumer wohl auch an. Bis der grüne Förderturm, das bekannte Bochumer Wahrzeichen, aber seinen heutigen Platz über dem Bergbau-Museum einnehmen konnte, dauerte es eine ganze Weile. Grünes Licht vom Bochumer Rat für den Aufbau gab es vor 50 Jahren: am 30. November 1972.

Zuvor hatten das Bergbau-Museum und sein heute bekanntestes Wahrzeichen lange Zeit zwei vollkommen unterschiedliche Leben geführt. Das Museum, 1930 in einem alten Schlachthof an der Herner Straße errichtet, und „sein“ Förderturm standen in verschiedenen Städten. Das alte Doppelbockgerüst wurde 1943/44 in der Nachbarstadt errichtet: In Dortmund-Marten erhielt es über dem Zentralschacht der Schachtanlage Germania seine erste Heimat.

Eine äußerst wechselvolle Geschichte

Das Deutsche Bergbau-Museum Bochum, Leibniz-Forschungsmuseum für Georessourcen, wurde am 1. April 1930 gegründet. Aus den überschaubaren Anfängen eines „Geschichtlichen Museums des Bergbaus“ ist inzwischen das weltweit größte Bergbaumuseum entstanden. Ausstellungen und Forschung befassen sich jedoch nicht nur mit der Ressource Kohle, es geht auch um Salz, Gold, Silber, Kupfer und seltenere Rohstoffe wie Lithium und Molybdän.

Heinrich Winkelmann, Bergingenieur und später erster Museumsdirektor, konzipierte damals die Umgestaltung des ehemaligen Schlachthofes an der Herner Straße in ein Museum. Es entstand nicht aus den Anlagen einer ehemaligen Zeche, wie es heute noch viele Besucherinnen und Besucher annehmen.-Gründer waren die Stadt Bochum und die Westfälische Berggewerkschaftskasse.

In den 1960er Jahren wurde das historisch ausgerichtete Museum erweitert. Es wurde zu einem „Forschungsmuseum“ umgestaltet, das heißt, zu einem von Bund und Ländern mitfinanzierten außeruniversitären Forschungsinstitut. 1977 wurde es von der Bund-Länder-Kommission als Forschungsmuseum anerkannt.

Entworfen wurde es von den renommierten Industriearchitekten Fritz Schupp und Martin Kremmer. Ihre bekanntesten Arbeiten sind die Schachtanlage 12 „Albert Vogler“ der Zeche Zollverein sowie das Erzbergwerk Rammelsberg in Goslar. Beide Bauten sind heute als Weltkulturerbe der Unesco eingetragen. Damit sind Schupp und Kremmer die einzigen deutschen Architekten, die zwei Weltkulturerbe-Bauten geschaffen haben – und das Wahrzeichen, das die Silhouette der Stadt Bochum bis heute prägt.

Größtes Fördergerüst der Welt

Zur Zeit seiner Inbetriebnahme war das Dortmunder Ungetüm mit einem Gewicht von 650 Tonnen, einer Höhe von mehr als 71 Metern und einer Seilscheibe mit acht Metern Durchmesser das größte Fördergerüst der Welt. Es blieb bis 1971 in Betrieb. Zu diesem Zeitpunkt hatten viele Zechen im Ruhrgebiet ihre Tore bereits geschlossen, auch für das einst weltgrößte Fördergerüst war nun „Schicht im Schacht“.

Ein Hingucker, gerade auch aus der Luft: Das Deutsche Bergbau-Museum in Bochum mit seinem Förderturm.
Ein Hingucker, gerade auch aus der Luft: Das Deutsche Bergbau-Museum in Bochum mit seinem Förderturm. © FUNKE Foto Service | Hans Blossey

Da entstand im Bochumer Bergbau-Museum der Plan, den Turm zum neuesten und auch mit Abstand größten Exponat der eigenen Bergbau-Sammlung zu machen. Ein Stück Industriekultur, das nicht mehr gebraucht wurde, sollte somit vor dem Abrissbagger bewahrt werden.

Plötzlich aber regte sich auch in Dortmund neues Interesse am alten Förderturm. Die Bochumer WAZ berichtet im Juni 1972 von Bestrebungen, das Industriedenkmal in Dortmund zu behalten und nicht nach Bochum abzugeben: „Der Plan, den Förderturm der Dortmunder Zeche ‚Germania‘ zu demontieren und als Wahrzeichen des Bergbau-Museums in Bochum wieder aufzubauen, hat in Dortmund eine neue ‚Initiative‘ ausgelöst“, heißt es. „Eine von dem belgischen Architekten Henry van de Velde gegründete internationale Gesellschaft zur Erhaltung von Industriedenkmälern bemüht sich auf Verwendung des früheren Direktors der Dortmunder Werkkunstschule, Hans P. Koellmann, die gesamte ‚Germania‘-Anlage zu erhalten.“

Allerdings, so schreibt die WAZ weiter, sei das „Förderturm-Projekt“ des Bergbau-Museums inzwischen so weit fortgeschritten und das Bebauungsplanverfahren bereits in der Abwicklung, dass dem Dortmunder Vorstoß nur geringe Chancen auf Erfolg eingeräumt würden.

Der Aufbau des Fördergerüstes 1973: Damit bekam nicht nur das Museum sein größtes Exponat, sondern die Stadt Bochum auch ihr bekanntestes Wahrzeichen.
Der Aufbau des Fördergerüstes 1973: Damit bekam nicht nur das Museum sein größtes Exponat, sondern die Stadt Bochum auch ihr bekanntestes Wahrzeichen. © Deutsches Bergbau-Museum Bochum

Bochumer Firma klagte gegen Errichtung des Förderturms

Doch auch aus Bochum selbst drohte dem waghalsigen Plan noch Ungemach. Die Baugesellschaft Müller & Wahmann klagte gegen das Vorhaben. Das Fördergerüst würde den Wert ihrer Grundstücke in der Nähe stark beeinträchtigen, fürchtete die Firma, „da es sogar eine sechsgeschossige Bauweise erheblich überrage. Außerdem könne man von dem eventuell vorgesehenen Turmcafé in die demnächst zu errichtenden Wohnungen einsehen.“

Das sah der Bochumer Rat damals allerdings anders: Sämtliche Einwände wurden „in sachgerechter Abwägung der unterschiedlichen Interessen“ zurückgewiesen, schrieb die Bochumer WAZ am 1. Dezember 1972. „Das Fördergerüst werde die geplanten Gebäude nicht erdrücken, weil bei einem Mindestabstand von 80 Metern die Sicht auf das Gerüst ‚nur maximal den zwanzigsten Teil des Sicht-Vollkreises‘ einnehmen könne.“ Dank dieses Ratsbeschlusses durfte der Turm nun endlich versetzt werden, Bochum bekam sein grünes Wahrzeichen.

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Von großem medialem Interesse begleitet wurde das Gerüst im Anschluss zunächst in Dortmund in Einzelteile zerlegt. Die bis zu 30 Tonnen schweren Teile wurden dann mit Spezialtransportern nach Bochum gebracht. Es folgte eine mehrere Wochen andauernde Montage vor Ort. „Beim Richtfest am 15. Juni 1973 war dann sogar Architekt Fritz Schupp persönlich anwesend“, erzählt Prof. Sunhild Kleingärtner, Wissenschaftliche Direktorin des Bergbau-Museums. „Mit der Bewahrung des Gerüsts wurde damals die Diskussion über die Erhaltung von technischen Industrieanlagen als bewahrenswerte Denkmäler in Gang gesetzt. Die Pflege technischer Denkmäler gehört seitdem zu unseren Forschungsaktivitäten als Leibniz-Forschungsmuseums für Georessourcen.“

Heiraten hoch über den Dächern von Bochum

Zwei Jahre später, 1975, wurde ein Fahrstuhl in den Förderturm eingebaut, der Anschauungsbergwerk, Aussichtsplattform und Museum miteinander verbindet. Die Symbiose war perfekt, Förderturm und Museum wurden eins. Und die Bochumerinnen und Bochumer nahmen „ihr“ neues Wahrzeichen schnell an. „Weit über Bochum hinaus ist das germaniagrüne Fördergerüst bekannt – es hat es sogar in Fernsehserien und Filme geschafft“, berichtet Prof. Kleingärtner. „Das zeigt, dass Bochum oftmals mit unserem größten Objekt assoziiert wird. Für die Brautpaare, die bei uns im Haus heiraten, gehört die Turmfahrt als fester Programmpunkt dazu. Es wäre spannend zu erfahren, wie viele Hochzeitsfotos unser Fördergerüst im Hintergrund zeigen.“

Das Fördergerüst, hier als Spiegelbild an einem regnerischen Tag in einer Autoscheibe: Das Bauwerk regt immer auch die Kreativität der Fotografen und Fotografinnen an.
Das Fördergerüst, hier als Spiegelbild an einem regnerischen Tag in einer Autoscheibe: Das Bauwerk regt immer auch die Kreativität der Fotografen und Fotografinnen an. © FUNKE Foto Services | MATTHIAS GRABEN

2020 hat sich das Bergbau-Museum dazu entschlossen, die Farben des Turmes in sein Logo aufzunehmen. „Fördergerüst und Seilscheibe unseres #biggreenthing sind seitdem im übertragenen Sinn Bestandteile unseres Corporate Designs“, so Kleingärtner.

Pflege des Fördergerüstes im XXL-Format

Doch wie pflegt und bewahrt man ein so großes Objekt, das dazu noch zum Rosten neigt? „Dadurch, dass das Fördergerüst 365 Tage im Jahr den Witterungen ausgesetzt ist, sind die Ein- und Auswirkungen von Sonne und Feuchtigkeit auf das Material groß“, erläutert Prof. Kleingärtner. „Regelmäßige Materialprüfungen und Sanierungsmaßnahmen sind daher notwendig, damit unser Fördergerüst noch lange erhalten bleibt und der Mittelpunkt des Ruhrgebiets bleiben kann.“