Bochum. Der Preis des Wohlstands: Das Bergbau-Museum in Bochum zeigt Zechen- und Industrie-Fotos von Lu Guang, die vom Rohstoff-Raubbau erzählen.

Die Bergleute schufteten noch mit Karren und Maultieren tonnenweise Kohle zusammen, als der chinesische Fotograf Lu Guang 1995 in Wuhei am Rande der Inneren Mongolei seine erste Reportage hier machte. Eine Kommilitonin an der Kunstakademie in Beijing, die seine beiden Serien „Goldrausch im Westen“ und „Drogensüchtige“ kannte, hatte ihm gesagt, er sei genau der Richtige für diese Gegend um das chinesische „Kohlenmeer“. Lu Guang fotografierte damals noch in Schwarz-Weiß, mit analogen Filmen – und das war genau die richtige Technik für die Dokumentation dieser archaischen Arbeit.

Das staatliche Bergwerk in Wuhei war gerade geschlossen worden – und Tausende arbeits- und mittelloser Bergleute besorgten sich Heizstoff und ein bisschen Lebensunterhalt in teils illegalen Kleinzechen, wenige Meter unter der Erdoberfläche: Eine Welt, so dreckig, so stickig, so arm, so barbarisch, wie es in den Anfängen der Kohleförderung im Ruhrgebiet des 19. Jahrhunderts ausgesehen haben mag.

Porträts von Bergarbeitern und mutigen Knirpsen

So kann es nun in einen fremden Spiegel blicken, weil das Deutsche Bergbaumuseum in Bochum Lu Guangs Fotografien nun in seinem Erweiterungsbau ausstellt. Und da sind nicht nur die tiefer als tausend Gesichtsfurchen blickenden Porträts von Bergarbeitern, nicht nur die zerlumpten, pottdreckigen und doch so frei und mutig dreinblickenden Knirps vor der Ruine einer Feldstein-Mauer, da sind auch die fast ikonischen Männer mit dem Helm-Geleucht in einer dunklen Baracke mit gleißendem Licht im Fenster. Allesamt Aufnahmen, die auch von Dorothea Lange, Russell Lee oder Walker Evans stammen könnten, den ersten großen Dokumentar-Fotografen des 20. Jahrhunderts.

Kokerei in Ordos 2005, ebenfalls Innere Mongolei.
Kokerei in Ordos 2005, ebenfalls Innere Mongolei. © LuGuang | LuGuang

Doch Lu Guang hat nicht aufgehört, Kohle zu fotografieren – wie sie anfangs noch von Hand „gewaschen“ wird, und was mit ihr passiert, in Stahlwerken, in Kraftwerken, und welchen Wohlstand sie mit sich bringt. Die qualmenden Schlote von Kokereien und die künstlichen Kühe, Schafe, Strauße und Giraffen, die von der Regierung auf den Weiden von Xilin Gol in der Inneren Mongolei aufgestellt wurden, weil echte Tiere aufgrund der Umweltbelastung eingehen: Aushub aus Kohlegruben türmt sich, Tausende Krater von eingestürzten Kleinzechen werden mit Chemieabfällen verfüllt, Industrieabfälle färben Abhänge, an denen sie heruntergekippt werden, grün, gelb, ocker in giftigen Farbtönen.

Mehr als 100 Fotografien von Lu Guang

Lu Guangs Bilder, von denen über 100 in Bochum zu sehen sind, wurden in den Nuller-Jahren farbig und digital, ihre anklagende Wucht, ihre dokumentarische Genauigkeit haben sie dabei keineswegs verloren. Er selbst ist im Laufe der Jahrzehnte ein echter Umweltaktivist geworden, bekehrt von dem, was er fotografiert, gerochen, gehört, gesehen hat im Boom-Land China, dem wir ja als Konsumenten im globalisierten Jahrhundert enger verbunden sind, als uns gemeinhin vor Augen steht.

Das Bochumer Bergbaumuseum, das zum deutschen Ausstieg aus der Kohle tipptopp saniert und modernisiert wurde, möchte sich mit dieser Ausstellung öffnen für eine gesellschaftliche Diskussion, sagt sein Chef Stefan Brüggerhoff: „Wie wirkt sich die Gewinnung von Geo-Ressourcen auf den Menschen aus? Wie können wir aus der Vergangenheit lernen, Fehler zu vermeiden?“

Das Bewusstsein, das Lu Guangs Bilder vermitteln, ist sicher ein erster Schritt dahin.