Bochum. Das Verpackungsgesetz verpflichtet ab 2023 zum Anbieten von Mehrwegverpackungen. So weit sind Bochums Supermärkte und Bäckereien.

Ab Januar 2023 müssen Bochums Gastronomen und Märkte Mehrweg-Verpackungen für Lebensmittel und Getränke anbieten. Während manche Unternehmen sich beeilen müssen, die neuen Regelungen des Verpackungsgesetzes rechtzeitig umzusetzen, kann sich Susanne Barbera zurücklehnen.

Verpackungsgesetz: Bochumer Café zeigt, wie Mehrweg-Becher-System funktioniert

Die Inhaberin von „Café Barbera“ bietet bereits seit der Eröffnung ihres Cafés vor drei Jahren Mehrwegbecher des Anbieters Cuna an – zu Beginn aber neben den normalen Pappbechern. „Damals haben 9 von 10 Leuten mit verschmitztem Lächeln gesagt: ,Dann nehm‘ ich diesmal noch einen Pappbecher‘“, sagt Barbera. Als sie merkte, dass die Kundschaft die Wegwerf-Variante vorzieht, stellte sie kurzer Hand komplett auf die Mehrwegbecher um. Daran hätten sich die Kaffee-Liebhaber – laut Barbera zu 80 Prozent Stammkundschaft – gewöhnt. „Die meisten Kunden sagen: ,Sie haben ja eigentlich recht.‘“

„Viele Menschen halten nicht viel von Kaffee ‘To-Go’ – ich selbst finde es gut, wenn es schmeckt und mit dem Gewissen vereinbar ist“, sagt Susanne Barbera.
„Viele Menschen halten nicht viel von Kaffee ‘To-Go’ – ich selbst finde es gut, wenn es schmeckt und mit dem Gewissen vereinbar ist“, sagt Susanne Barbera. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Allerdings sei die richtige Kommunikation mit den Kunden entscheidend. „Wir sagen nicht ,Wir haben leider nur Mehrwegbecher‘, sondern: ‘Kennen Sie schon unseren Pfandbecher?‘“, erläutert die Café-Betreiberin. Maximal zwei Mal in der Woche kämen Kunden, die auf den Pappbecher bestünden und dann ohne Getränk das „Café Barbera“ verlassen. Das halte sie gern aus. „Das ist mein Beitrag für die Umwelt.“ Sie handle nicht nur ihrem Gewissen zuliebe, sondern auch dem ihrer Kunden. Monatlich würden viele Hundert Heißgetränke mitgenommen. „Im Lockdown, als nur ,To go‘ erlaubt war, haben wir so in einem Monat allein 2500 Wegwerf-Becher gespart.“

2,8 Milliarden Wegwerf-Becher im Jahr

Laut der Deutschen Umwelthilfe wandern stündlich 320.000 Einwegbecher über die Theken deutscher Bäckereien und Cafés – rund 2,8 Milliarden To-Go-Becher im Jahr. Ab dem neuen Jahr sind Lokale verpflichtet, Mehrweg-Alternativen anzubieten. Die Umfrage an Bochumer Märkten und Bäckereien zeigt: Viele wollen sich zu unserer Anfrage nicht äußern und umgesetzt sind die neuen Regeln vor dem Jahreswechsel noch nicht flächendeckend.

Gesetzliche Neuerungen

Die Novelle der Verpackungsgesetzes greift in verschiedenen Schritten. Susanne Barbera, die auch Kaffeebohnen einer Neapeler Kaffeerösterei vertreibt, spürte schon Mitte 2022 die Folgen des Gesetzes. Für neu gekauftes Verpackungsmaterial muss sie sich in die Online-Datenbank Lucid eintragen und Gebühren zahlen.

Ab Januar 2023 müssen sogenannte Letztvertreiber, dazu zählen auch Gastronomen, Mehrwegalternativen anbieten. Ausgenommen sind Betriebe mit maximal fünf Mitarbeitenden oder einer Lokalgröße von 80 Quadratmetern.

USB-Geschäftsführer Christian Kley betont: „Verbraucherinnen und Verbraucher haben im Laden die Chance, ihre Marktmacht zu zeigen. Sie können bei jedem To-Go-Becher fragen, ob es eine Mehrweg-Alternative gibt.“

Zwar bieten sowohl Discounter als auch Supermärkte Mehrweg-Netze für lose Backwaren, Obst und Gemüse an, bei der Frage nach unverpacktem Aufschnitt unterscheiden sich die Märkte. „In Bochum bzw. in NRW haben wir in unseren Filialen keine Bedientheken“, gibt Netto an. Ähnlich sieht es bei Aldi aus. Der Discounter betont allerdings, man setze auf recycelte Verpackungen. So würden PET-Flaschen zu fast 100 Prozent aus Rezyklaten bestehen.

Dieser Text erscheint als Teil der Serie „Bochums Plastikberg“.
Dieser Text erscheint als Teil der Serie „Bochums Plastikberg“. © funkegrafik nrw | Jill Starke

Nicht alle Märkte bieten an Frischetheken Mehrwegsysteme an

In Vorbereitung auf die gesetzlichen Änderungen führt Edeka an den Salatbars schrittweise ein Mehrwegsystem ein. Unverpackt-Regale für Reis, Nüsse und lose Waren sowie Mehrwegsysteme an Frischetheken gibt es hier nicht in allen Märkten. Christopher Mehr, Inhaber von Edeka Mehr in Bochum, teilt mit: „Wir bieten im Bereich der Bedientheken bereits seit drei Jahren die Möglichkeit an, dass Endverbraucher ihre Mehrweg-Behälter mitbringen.“ Aufgrund von Platzmangel gebe es kein Unverpackt-Regal in dem Bochumer Markt.

Auch bei Rewe ist der Umgang mit Frischetheken von Filiale zu Filiale unterschiedlich: „Nach unserer Kenntnis offeriert keiner der Rewe-Märkte in Bochum die Annahme von Kundenbehältern zur Befüllung.“

Was Bochumern den verpackungsarmen Einkauf erschwert: 2022 schloss Bochums einziger Unverpackt-Laden Bioku.

Rabatt für selbst mitgebrachten Becher

Zahlen zum Verbrauch von Einwegbechern nennt keine Bochumer Bäckerei, auch nicht Wickenburg. Seitdem man Mehrwegsysteme im Betrieb anbiete, reduziere sich der Einwegbecher-Verbrauch, aber es gebe noch Steigerungspotenzial. Kunden könnten den „eigenen gelabelten Brotbeutel“ oder eine mitgebrachte Tüte befüllen lassen sowie Becher des Anbieters Recup.

Bochums Plastikberg

In dieser Serie stellen wir Kunststoff und die Problematik von Einweg-Verpackungen in den Mittelpunkt.

Wie viel Plastikmüll wird in Bochum weggeworfen? Welche Mehrweg-Alternativen bieten Supermärkte und Bäckereien an?

Wo finden sich noch Kunststoffe in unserer Umwelt? Wo wird plastikarme Mode angeboten? Wie viel Mikroplastik kann Bochums Klärwerk aus dem Abwasser herausfiltern?

In den Filialen von Ditsch am Hauptbahnhof und im Ruhrpark können Kunden „ihren eigenen Mehrwegbecher mit Heißgetränken befüllen lassen und erhalten dafür zehn Cent Rabatt auf Ihr Getränk“. Mehr und mehr Gäste würden einen eigenen To-Go-Becher besitzen. „Bei Tüten erkennen wir im Verhalten der Gäste keinen wirklichen Trend zur Nutzung von eigenen Tüten.“ Mehrwegbecher plant Ditsch erst ab 2023 einzuführen.

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Café-Betreiberin Barbera findet es schade, wie schwer sich viele Gastronomen mit Mehrwegsystemen tun. „Meine Kunden machen das nicht mit“, würden viele sagen. Mehrweg-Anbieter wie Cuna müssten viel Überzeugungsarbeit, um ihre Becher zu vertreiben. „Wo ein Wille ist, da ist ein Weg“, ist sich Barbera sicher – zumindest bei den allermeisten Café-Standorten.

Seit drei Jahren gibt es das Café Barbera. Rund 15 Prozent der Kundschaft nimmt ein Getränk „To Go“ mit.
Seit drei Jahren gibt es das Café Barbera. Rund 15 Prozent der Kundschaft nimmt ein Getränk „To Go“ mit. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Die skeptische Haltung habe sie kürzlich bei einem Branchentreff festgestellt, bei dem die Dehoga den Gastronomen die Neuerungen des Verpackungsgesetzes erklärte. „Da entstand bei mir der Eindruck, dass nun eine schwere Bürde auf uns zukommt.“ Diese Haltung sei der Bochumer Café-Betreiberin zu negativ gewesen. „Ich habe mich zu Wort gemeldet und gesagt: ,Es ist gut, dass nun die Mehrwegsysteme kommen.‘“

So funktioniert der Cuna-Becher

Zwei Euro Pfand kostet der spülmaschinenfeste Mehrwegbecher, der in dem Café oder anderen teilnehmenden Lokalen abgegeben und wieder verwendet werden kann. Ist der Becher einmal hinüber, recycelt die Firma den Becher selbst und stellt daraus neue Becher her. Steigt ein Gastronom ein, zahlt dieser eine monatliche Grundgebühr für die Teilnahme am System und bekommt 100 Becher frei Haus.