Bochum. Im leeren Ladenlokal von „Bioku“ in Bochum ist wieder Leben eingekehrt. Darum preist „Sayv“ die nachhaltige Mode nicht plakativ an.

Farbenfrohe Stoffe liegen neben Schuhen, Schallplatten und Grußkarten: Der neu im Kortländer Kiez eröffnete Laden „Sayv“ ist ein sogenannter Concept Store – also mit gemixtem, modern-hochwertigem Sortiment. Doch das neue Bochumer Modegeschäft an der Herner Straße birgt ein Geheimnis: Hier werden nur nachhaltige, kunststoffarme und fair produzierte Produkte verkauft.

„Sayv-Store“ eröffnet in Bochum: Nachhaltige und kunststoffarme Mode

Was das bedeutet, erklärt Inhaberin Alexandra Tynski, die früher in Essen im Concept Store COB arbeitete und 2016 ihre eigene nachhaltige Modeagentur „Matilda Agency“ gründete. „Mittlerweile habe ich viele schöne, nachhaltige Marken in meinem Portfolio und Kunden in ganz Deutschland: Einzelhändler wie Onlineshops, Boutiquen und Kaufhäuser.“ Für die 35-Jährige wurde Nachhaltigkeit mit der Zeit zur „Lebenseinstellung“.

„Sayv“ soll die Worte „save“ (retten, schützen) und „say Yes“ verbinden – „Quasi: ,Sage Ja zum Klimaschutz oder zur Rettung der Welt’“, erläutert die Inhaberin.
„Sayv“ soll die Worte „save“ (retten, schützen) und „say Yes“ verbinden – „Quasi: ,Sage Ja zum Klimaschutz oder zur Rettung der Welt’“, erläutert die Inhaberin. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Zu ihrem ersten eigenen Geschäft – ihrem „Baby“ im Bochumer Zentrum – kam Tynski ganz unverhofft. „Es war quasi nur ein Anruf von Markus Schlichterle.“ Dem Besitzer des Ladenlokals, in dem zuvor der Unverpacktladen „Bioku“ seinen Platz hatte, liege das Thema Nachhaltigkeit am Herzen – so baute er gemeinsam mit Alexandra Tynski in kurzer Zeit den neuen fairen Modeladen auf.

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Eric Yahkem zeigt die verschiedenen Recycling-Stufen des Jeans-Unternehmens „Mud Jeans“.
Eric Yahkem zeigt die verschiedenen Recycling-Stufen des Jeans-Unternehmens „Mud Jeans“. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Allein: „Wir haben nicht plakativ irgendwo stehen, dass wir nachhaltig sind.“ Wenn Kundinnen und Kunden sie fragen, erklärt Tynski ihnen transparent, wo, wie und durch wen die Mode entstanden ist

Dass die Inhaberin mit der fairen beziehungsweise umweltverträglichen Produktion ihrer Waren hinter dem Berg hält, hängt mit dem „Öko-Image“ von nachhaltiger Mode zusammen, diese werde unterschätzt. „Unsere Mode sieht nicht ,öko’ aus und besteht nicht aus Filz. Wir tragen den Berliner Look und der darf heimlich auch nachhaltig sein.“

Marken tragen Fairtrade- und Öko-Siegel

Für faire Löhne in den Produktionsländern, geringeren Wasserverbrauch oder Pestizideinsatz, die Verwendung von Biobaumwolle und CO2-Einsparungen auf Lieferwegen würden verschiedene Zertifikate geradestehen, erläutert die Inhaberin. Viele ihrer Marken tragen das GOTS-Siegel.

Dieser Text erscheint als Teil der Serie „Bochums Plastikberg“.
Dieser Text erscheint als Teil der Serie „Bochums Plastikberg“. © funkegrafik nrw | Jill Starke

„Dann habe ich aber auch Firmen, die sich die Zertifizierung nicht leisten können – beispielsweise die australische Firma ,Afends’, die sich ein Stück Land gekauft hat und dort nun eigenes Hanf ohne Pestizide anbaut“, sagt die 35-Jährige.

Die meisten nachhaltigen Hersteller hätten ihre Produktionsstätten in Europa. Anders sei das bei der Denimmarke „Mud Jeans“. „Die produzieren in Tunesien, weil dort das Recylingverfahren so hoch entwickelt ist.

„Mud Jeans“ produziert Hosen aus den Resten alter Jeans

Bis zu 40 Prozent einer Hose wird aus alten Jeans hergestellt, auch aus eigenen Retouren“, sagt Tynski. Dank eines Laserverfahrens für Waschungen würde 94 Prozent weniger Wasser verbraucht, als bei normalen Jeansproduktionen. Der Schmuck, den die Inhaberin nun in Bochum verkauft, stamme aus Indien – fair produziert, wie sie erläutert.

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Für Alexandra Tynski ist der „Sayv-Store“ in Bochum ihr „erstes Baby“.
Für Alexandra Tynski ist der „Sayv-Store“ in Bochum ihr „erstes Baby“. © Lukas Waning

Die nachhaltigen Hersteller würden aufgrund der Mikroplastik-Problematik auch Kunststoffe in der Kleidung vermeiden. Hier gebe es bereits einige (Recycling-) Alternativen. „Mein Job ist widersprüchlich, weil auch ich ja Konsum fördere“, weiß die Inhaberin. „Den perfekten Konsum gibt es nicht. Aber wenn man schon konsumiert, dann bewusst.“

Schallplatten, Mini-Kakteen und Mode wird verkauft

„Store Manager“ Eric Yahkem steht zwischen Kleiderständen, Platten-Tisch und Mini-Kakteen, die auf der Theke aufgereiht sind, und hält einen kuschligen grauen Pullover in den Händen. „Der Pullover besteht aus recycelter Merinowolle“, erklärt der Verkäufer. Seit der Eröffnung Anfang Oktober berät Yahkem nun die Kundschaft im „Sayv-Store“ an der Herner Straße. „Ich bin hier zwei Straßen weiter aufgewachsen und habe den Eindruck, dass dieser Stadtteil vergessen wurde.“

Mitarbeiter Eric Yahkem zeigt die verschiedenen „Basics“ der Marke „Colourful Standard“.
Mitarbeiter Eric Yahkem zeigt die verschiedenen „Basics“ der Marke „Colourful Standard“. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Während im Ehrenfeld sich attraktive Gastronomie aneinanderreihe, fehlten dem Kortländer Kiez noch die Vielfalt an hippen Ladenlokalen. Das könne das nachhaltige Geschäft nun ändern. „Deshalb wollte ich hier unbedingt arbeiten.“ Um die Kundschaft zu nachhaltiger Mode gut zu beraten, habe er sich viel von Alexandra Tynski erklären lassen. „Manche Kunden wissen gar nicht, dass wir hier nachhaltige Mode anbieten, andere sind sehr neugierig und erkundigen sich nach der Herstellung“, sagt Eric Yahkem.

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In dieser Serie stellen wir Kunststoff und die Problematik von Einweg-Verpackungen in den Mittelpunkt.

Wie viel Plastikmüll wird in Bochum weggeworfen? Welche Mehrweg-Alternativen bieten Supermärkte und Bäckereien an?

Wo finden sich noch Kunststoffe in unserer Umwelt? Wo wird plastikarme Mode angeboten? Wie viel Mikroplastik kann Bochums Klärwerk aus dem Abwasser herausfiltern?

„Sayv“ hat schon viele Fans

Mit dem Start des Concept-Stores ist auch seine Chefin zufrieden. „Wir haben die ersten Monate gestemmt, weil wir Kunst und Kultur mit reinbringen“, so Tynski. Im „Sayv-Store“ würden allerdings nicht nur anspruchsvolle zahlungskräftige Kunden ein und ausgehen. Neben handgefertigten Pullovern made in Germany für 700 Euro hängen auch Tops und Boxershorts für 20 Euro im Laden.

Kann man überhaupt ein nachhaltiges Top für so wenig Geld produzieren? „Ja, auf jeden Fall!“ antwortet die 35-Jährige. Firmen wir „Colourful Standard“ hätten sich auf „Basics“ – also einfach geschnittene Kleidungstücke – spezialisiert und könnten so niedrige Preise anbieten. Bislang kommt das bei den Bochumerinnen und Bochumern gut an. „Wir haben viele Fans gewonnen – und das Kortländer Viertel ist wie eine Familie.“

„Sayv“ soll die Worte „save“ (retten, schützen) und „say Yes“ verbinden – „Quasi: ,Sage Ja zum Klimaschutz oder zur Rettung der Welt’“, erläutert die Inhaberin.
„Sayv“ soll die Worte „save“ (retten, schützen) und „say Yes“ verbinden – „Quasi: ,Sage Ja zum Klimaschutz oder zur Rettung der Welt’“, erläutert die Inhaberin. © FUNKE Foto Services | Gero Helm