Bochum. 35.006 Frauen und Männer in Bochum sind überschuldet. Das sind weniger als Experten angesichts von Corona und Energiepreisen befürchtet haben.

Jeder neunte Erwachsene in Bochum ist überschuldet, die meisten davon – 5933 Frauen und Männer – weiterhin in Günnigfeld, Leithe, Sevinghausen, Wattenscheid und Westenfeld (Grafik). Dieser Postleitzahlbereich (44866) gehört zu den 20 schuldnerreichsten im gesamten Ruhrgebiet. Das geht aus dem Schuldneratlas 2022 hervor, den die Creditreform Bochum KG gerade vorgelegt hat. Betroffen sind in der Stadt insgesamt 35.006 Personen.

Hohe Energiepreise könnten Überschuldung forcieren

Das sind zur Überraschung der Experten trotz Corona-Pandemie, Energiekrise und Inflation erneut weniger als in den Vorjahren. Vor zwei Jahren steckten noch gut 4500 Bochumerinnen und Bochumer mehr in der Schuldenfalle (39.574). „Wir sind selbst ein wenig erstaunt, dass die Zahlen jetzt so positiv ausgefallen sind. Das hat sicherlich damit was zu tun, dass während Corona weniger konsumiert wurde und die Hilfen und Einsparungen, die es teilweise gab, dazu genutzt wurden, um Schulden zu tilgen“, sagt Philipp Böhme von Creditreform Bochum.

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Er befürchtet allerdings, dass sich dieser Trend nicht fortsetzen wird: „Durch die erhöhten Energiepreise werden viele Leute aus unserer Sicht jetzt in große Engpässe kommen. Dadurch wird es sicherlich auch auf dem Arbeitsmarkt zu Erosionen kommen, wobei der Markt dafür sorgen wird, dass Fachkräfte schnell neue Stellen finden.“ Insgesamt würden Bochum und die Region in den nächsten Jahren aber von der Entwicklung auf dem früheren Opel-Gelände in Laer profitieren, „wo es eine Reihe von Ansiedlungen gut aufgestellter Unternehmen gibt“, so Böhme.

Auch Bezieher mittlerer Einkommen geraten unter Druck

Im gesamten Bundesgebiet ist der Anteil derjenigen Verbraucher, die regelmäßig etwas ansparen konnten, von 70 Prozent im Jahr 2020 auf mittlerweile nur noch 50 Prozent gesunken, so Creditreform. Dabei gerate auch zunehmend die Mitte der Gesellschaft unter Druck. Eine Entwicklung, die auch und gerade im Ruhrgebiet gilt.

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Derweil bemerkt die Verbraucherzentrale einen veränderten Umgang mit dem Thema Verschuldung. „Wir erleben eine sehr große Nachfrage nach Schuldnerberatung und stellen fest, dass die Leute früher kommen als sonst. Wenn die Pfändung schon ansteht oder Forderungen nicht mehr angefochten werden können, ist nur noch wenig auszurichten. Umso erfreulicher ist es, dass Betroffene jetzt eher den Weg zu uns suchen“, so Schuldnerberaterin Kim Redtka von der Verbraucherzentrale Bochum.

Experten haben Anstieg der Insolvenzanträge erwartet

Auch sie ist überrascht von der erneut gesunkenen Schuldnerquote, die jetzt bei 11,28 Prozent und damit sogar unter dem Niveau von 2012 (11,40) liegt. Zum Vergleich: 2020 betrug die Quote noch 12,69 Prozent. Redtka: „Nach Corona und der Reform der Regelungen bei einer Privatinsolvenz mit der Verkürzung auf drei Jahre hatten wir eine Flut von Insolvenzanträgen erwartet. Aber das ist nicht eingetreten.“

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Ob Inflation und steigende Energiekosten zu einem Anstieg der Verschuldung führen, möchte sie erst einmal nicht voraussagen. Denn: „In der Regel ist es so, dass Betroffene bei Energierechnungen alle Hebel in Bewegung setzen, um dieses Problem zu lösen.“

Verbraucherzentrale informiert über Hilfe

Viel mehr Sorgen mache ihr derzeit, „dass es Menschen gibt, die gar nicht wissen, dass und welche Hilfe sie in Anspruch nehmen können“. Auch Personen mit regelmäßigem Einkommen können Anspruch auf Sozialleistungen haben. Die Verbraucherzentrale informiert darüber in einer Broschüre. Informationen und Tipps für Verbraucher hat sie auch zum Thema Energiekrise zusammengefasst.

Derweil gilt, dass die Schuldnerquote nicht nur insgesamt in Bochum gesunken ist, sondern auch in allen Postleitzahlbereichen leicht zurückgegangen ist. Neun der 18 Postleitzahlbereiche haben eine zweistellige Schuldnerquote.

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Hohe Schuldnerquote auch in und rund um die Innenstadt

Besonders hoch ist sie hinter Wattenscheid (44866; 19,32 Prozent) mit 18,65 Prozent auch im Bereich 44787 (Innenstadt; 1422 Betroffene). Besonders viele Verschuldete leben auch in den Postleitzahlbereichen 44809 (Grumme, Hamme, Hofstede, Mitte, Riemke), nämlich 3061 (17,28), und 44793 (Hamme, Hordel, Innenstadt, Weitmar, Wiemelhausen) mit 2877 Frauen und Männern (17,01).

Die niedrigste Schuldnerquote weist weiterhin der Postleitzahlbereich 44797 (Linden, Weitmar, Stiepel, Wiemelhausen) mit 3,74 Prozent (421 Personen) aus. Das ist die zweitniedrige Quote im gesamten Ruhrgebiet hinter Essen-Heisingen (3,39). Niedrig ist die Quote außerdem im Postleitzahlbereich 44799 (Altenbochum, Querenburg, Weitmar, Wiemelhausen) mit 5,75 Prozent (760 Personen).

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