Bochum. Hunderte Beschäftigte arbeiten bei Flaschenpost Bochum. Einen Betriebsrat gibt es nicht. Der Firma wird vorgeworfen, die Gründung zu behindern.
Vor vier Jahren hat der Getränke-Lieferdienst Flaschenpost einen Standort in Bochum eröffnet. Einige Hundert Mitarbeiter sind nach Informationen dieser Redaktion mittlerweile auf dem Gelände der früheren Zeche Arnold im Stadtteil Werne beschäftigt. Einen Betriebsrat gibt es nicht. Und er ist offenbar auch nicht gewünscht.
Betriebsratsinitiator fristlos entlassen
Ein langjähriger Beschäftigter (Name ist der Redaktion bekannt) wollte gemeinsam mit einigen Mitstreitern eine Mitarbeitervertretung ins Leben rufen. „40 Minuten vor Beginn der Betriebsversammlung hat man mir fristlos gekündigt“, sagt der Betroffene. Der Vorwurf: Er habe während der Arbeitszeit elf Minuten auf dem nahe gelegenen Aldi-Parkplatz verbracht und dabei angeblich gestohlenes Leergut abgegeben.
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„Absurd“, nennt der Ex-Mitarbeiter den Vorwurf des Pfanddiebstahls. Zwar räumt er ein, bei Aldi eingekauft und wegen eines drohenden Blutzuckersturzes etwas im Auto gegessen zu haben. Aber das könne kaum Grund für eine fristlose Kündigung sein. „Gegen die werde ich mich auch juristisch zur Wehr setzen und außerdem in die Gewerkschaft eintreten.“ Er vermutet vielmehr: „Flaschenpost will nicht, dass hier ein Betriebsrat gegründet wird.“
Vorwurf: Versammlung wird einfach umdeklariert
Das sieht auch ein zweiter Mitarbeiter so, mit dem die Redaktion in Kontakt steht und dessen Name ihr ebenfalls bekannt ist. Die geplante Betriebsversammlung sei im Nachhinein von der Geschäftsführung als Mitarbeiterversammlung deklariert worden. Und es hieß: „Hier wird heute kein Betriebsrat gegründet.“
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Notwendig wäre eine Arbeitnehmervertretung nach Ansicht der Initiatoren auf jeden Fall. Es gibt Missstände. So könne es nicht sein, dass abends um 22 Uhr – wenn beim Nachbarn Brock die Schicht ende und das Licht ausgehe – es auf dem Flaschenpost-Hof dunkel werde. Weil die Stromkapazitäten nicht ausreichen und Kühlschränke unterhalten werden müssen, gebe es keine Außenbeleuchtung. „Wir müssen jetzt im Dunkeln bzw. unter dem Licht zweier Baustrahler die Fahrzeuge be- und entladen“, so der geschasste Mitarbeiter.
Flaschenpost: Wir sind offen für einen Betriebsrat
„Auf diesen Sachverhalt hat die Bochumer Geschäftsführung unmittelbar nach Kenntnis der Einschränkungen reagiert und kurzfristige Maßnahmen umgesetzt, um das Problem zu beheben“, heißt es in der Flaschenpost-Zentrale in Münster. Außerdem werde unter Hochdruck an einer langfristigen Lösung für einen allzeit uneingeschränkten Arbeitsalltag“ gearbeitet.
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Dass der entlassene Mitarbeiter die Kündigung erhalten habe, um die Gründung eines Betriebsrats zu unterbinden, dementiert das Unternehmen. „Wir möchten klarstellen, dass wir eine Betriebsratsgründung mitnichten behindern, sondern im Gegenteil einer Betriebsratsgründung an unserem Bochumer Logistikstandort offen gegenüberstehen“, sagt Firmensprecherin Sabine Angelkorte.
Gewerkschaft hat negative Erfahrung mit Flaschenpost
Der Firma sei bekannt gewesen, dass Mitarbeiter über die Gründung eines Betriebsrats in Bochum nachdenken. Dafür seien für den 22. November auch Räumlichkeiten während der Arbeitszeit zur Verfügung gestellt worden. „Nach unserer Kenntnis wurde die Veranstaltung von dem Sprecher der vor Ort anwesenden Initiatoren in der ursprünglich angedachten Form kurzfristig abgesagt. Stattdessen fand auf Bitte der Initiatoren eine spontane Runde mit der Geschäftsführung des Standortes statt.“ So Flaschenpost.
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Aus Sicht der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hat sich der Getränkedienst in der Vergangenheit in Sachen Arbeitnehmervertretung wenig offen gezeigt. Beschäftigten, die eine Interessenvertretung gründen wollen, Steine in den Weg zu legen, „ist bei Flaschenpost nichts Ungewöhnliches“, sagt Gewerkschaftssekretär Adnan Kandemir. Auch in anderen Städten wie z.B. Düsseldorf und Leipzig habe es Auseinandersetzungen und sogar Gerichtsverhandlungen darüber gegeben. Flaschenpost, so ein anderer Gewerkschaftssekretär, der Erfahrung mit dem Getränkelieferanten gemacht hat, nutze damit eine ganze Palette von Möglichkeiten von unterschwelligem Einfluss bis zu Druck und Gegenmaßnahmen. „Die höchstmögliche Sanktion ist natürlich die Kündigung.“
Mitarbeiter nach Fusion entlassen
In Sachen Betriebsrat verhalte sich das Start-up-Unternehmen, das sich gerne als moderne, hippe Firma mit Duz-Kultur und Kickerautomat darstellt, ganz anders als es in der klischeehaften Außendarstellung daherkomme.
Nach der Übernahme von Flaschenpost durch die Oetker-Tochter Durstexpress, die den eingeführteren Namen des Getränkelieferanten übernommen hat, wurden auch in Bochum Durstexpress-Beschäftigte entlassen. Einige Beschäftigte haben sich dagegen auch vor Gericht gewehrt.