Bochum. Als Maler am Schauspielhaus schuf er riesige Bühnenbilder und gehört heute zu den bekanntesten Künstlern Bochums. Jetzt wird Radić 90 Jahre alt.

Geburtstage sind ihm ein Graus – und wer ihn trifft, käme niemals auf die Idee, dass einer der bekanntesten Künstler Bochums am Sonntag, 20. November, tatsächlich 90 Jahre alt wird. Doch Zarko Radić nimmt auch diesen Ehrentag mit Humor: „Äußerlich mag ich vielleicht so alt sein, aber innerlich fühle ich mich höchstens wie Anfang 30“, sagt er.

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Künstler Zarko Radić kam von Belgrad nach Bochum

Von Altersmüdigkeit kann bei Radić wirklich keine Rede sein. Sein Atelier, das er seit vielen Jahren im ersten Stock der Hilda-Heinemann-Schule in Hiltrop hat, platzt aus allen Nähten. Unzählige seiner Werke aus den letzten Jahrzehnten sind hier gelagert, beinahe jeden Tag steht er wie eine Eins an der Staffelei und tüftelt an neuen Bildern. Auch die Arbeit mit den Schülern, die „ihren Zarko“ regelmäßig in seinem Atelier besuchen, hat den rüstigen Senior offenbar fit gehalten.

Gemeinsam mit den Schülern der Hilda-Heinemann-Schule gestaltete Zarko Radić 2018 eine große Ausstellung mit Impressionen aus Bochum – darunter auch das Schauspielhaus, dem der Künstler lange verbunden war.
Gemeinsam mit den Schülern der Hilda-Heinemann-Schule gestaltete Zarko Radić 2018 eine große Ausstellung mit Impressionen aus Bochum – darunter auch das Schauspielhaus, dem der Künstler lange verbunden war. © Stadt Bochum | Christoph Schlierkamp

Das letzte große Projekt, das Radić gemeinsam mit ihnen auf die Beine stellte, trug den schönen Titel „Bochum, ich komm aus dir“ und bestand aus farbenfrohen Ansichten mitten aus dem Bochumer Stadtbild. Eine Ausstellung auf Haus Kemnade war der verdiente Lohn.

In Stuttgart lernte er Claus Peymann kennen

Zarko Radićs Lebensweg hat manche Haken geschlagen, dabei war für ihn eins immer klar: Er wollte Künstler werden, und niemand konnte ihn von dieser Idee abbringen. Seine Kindheit verbrachte er in Belgrad. „Ich werde nie vergessen, wie ich als kleiner Junge zu Hause unter dem Essenstisch gesessen und gemalt habe“, erzählt er. Mitte der 1950er Jahre studierte er Freie Malerei in Novi Sad, später an der Universität der Künste in Belgrad – und genau hier kam Zarko Radić zu seiner zweiten großen Passion: dem Theater.

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Denn der Zufall wollte es, dass das Stuttgarter Staatstheater 1964 in Belgrad gastierte. Über einen Kollegen bekam er völlig unvermittelt das Angebot, als Theatermaler mit nach Stuttgart zu gehen. „Ins Ausland wollte ich schon immer mal gern, am liebsten natürlich nach Frankreich, dem Land der Kunst und Kultur.“ Doch Deutschland war ihm ebenso willkommen: „Obwohl ich kein einziges Wort Deutsch sprach, nur ‚Mahlzeit‘“, erinnert er sich mit einem Lächeln.

Spektakuläre Bühnenbilder am Schauspielhaus Bochum

Deutsch lernte er schnell, auch die Arbeit am Theater gefiel ihm. In Stuttgart lernte er Claus Peymann kennen, der 1979 als Intendant nach Bochum wechselte und Radić einfach mitnahm. Über 20 Jahre blieb er am Schauspielhaus und schuf hier manch spektakuläres Bühnenbild. Dabei ist es der Job des Theatermalers, die Ideen des Bühnenbildners so detailgenau wie möglich umzusetzen: „Ich bekam immer kleine Skizzen, die ich dann auf die riesigen Leinwände übertragen habe“, sagt er. „Manchmal waren die 15 bis 20 Meter groß.“

In Radićs Atelier herrscht kreatives Durcheinander.
In Radićs Atelier herrscht kreatives Durcheinander. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Dass Radić selber enormes künstlerisches Talent mitbrachte, blieb den Bühnenbildnern und auch den Intendanten nicht lang verborgen. Peymann bat ihn häufig um Rat und hätte ihn 1986 gern mit nach Wien genommen. „Aber das war nicht meine Welt“, erinnert sich Radić. „Wir haben im Malersaal immer Opern gehört und uns untereinander super verstanden. In Wien war alles so kalt und still, da wollte ich nicht hin.“

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So mancher Schwan wurde vergeblich gemalt

Radić blieb Bochum treu, arbeitete für Frank-Patrick Steckel (der riesige Himmel in Ibsens „Brand“ war von ihm) und Leander Haußmann. Manchmal gab es auch Ärger: Wenn Regisseur Jürgen Kruse in seinen Inszenierungen die Kulissen mit diversen Möbelstücken voll stellte, war von Radićs mühevoll gearbeiteten Leinwänden im Hintergrund kaum noch etwas zu sehen. „Tagelang habe ich für Kruse irgendwelche Schwäne gemalt, die dann komplett verschwanden.“ Heute kann er darüber lachen.

Zum Start der Intendanz von Matthias Hartmann verabschiedete sich Radić vom Schauspielhaus und konzentrierte sich fortan auf seine Arbeit als freier Künstler. Vor allem der abstrakten Malerei gelten viele seiner Arbeiten. Ausstellungen führten ihn nach Dänemark, Kroatien und durch ganz Deutschland: von Berlin bis zum Tegernsee. Das Bochumer Kunstmuseum würdigte Zarko Radić mit einer großen Einzelausstellung.

Den runden Geburtstag am Sonntag feiert er ihm Kreis seiner Familie, obwohl er Geburtstage gar nicht mag. Stattdessen geht er lieber in sein Atelier – und macht einfach weiter.